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in die Seite, holte tief Luft und brüllte los, daß sich die Masten bogen.

      „Was fällt euch Nichtsnutzen eigentlich ein? Dem lieben Gott den Tag klauen und den Profos für dumm verkaufen, das könnte euch so passen, was?“

      „Schlecht wär’s nicht“, erwiderte Paddy Rogers, gutmütig wie er war und schwerfällig im Denken.

      Das hätte er besser nicht gesagt. Carberry brüllte daraufhin noch lauter.

      „Ihr beiden klart die Bilge auf. Ich will, daß man anschließend von den Planken essen kann. Habt ihr verstanden?“

      „Ist auch nicht besser oder schlechter als Spleißen“, sagte Jack Finnegan.

      Paddy Rogers seufzte lediglich ergeben.

      „Ob ihr verstanden habt, will ich wissen“, schnaubte der Profos.

      Paddy bequemte sich endlich zu einem müden: „Aye, Sir!“

      „Das heißt ‚Si, Señor‘!“ Carberry reckte sein Rammkinn angriffslustig vor. Aber keiner tat ihm den Gefallen, sich auf eine kleine Prügelei einzulassen.

      Paddy und Jack beeilten sich vielmehr, unter Deck zu verschwinden. Bis der Profos bemerkte, daß sie vor der Kuhlgräting nicht aufgeklart hatten und Kabelgarn, Taue und Marlspieker noch herumlagen, waren beide längst aus seiner Reichweite verschwunden.

      Das Wetter ließ eben jeden kribbelig werden.

      Während der Nacht frischte der Wind weiter auf und wurde böig. Der Konvoi gewann nur mehr langsam Höhe und war zu weiten Kreuzschlägen gezwungen. Es regnete wieder, nicht stark zwar, doch dafür ohne Unterbrechung. Gelegentlich verwandelte sich der Regen in Schneematsch. Die noch an karibische Temperaturen gewöhnten Männer fröstelten und liefen in dicker Kleidung herum.

      „Einen wärmeren Empfang dürfte die Heimat uns schon bereiten“, maulte Mac Pellew.

      Der Nordwest peitschte die See zunehmend höher. Die fünf bis sechs Yards hohen Wellenberge mit ihren langen Kämmen, von denen Gischt abzuwehen begann, beschränkten die Sicht. Die Kimm war plötzlich wieder sehr nah.

      Auch der neue Tag, der 30. November des Jahres 1598, brachte keine Veränderung. Der Nordatlantik zeigte sich von seiner trüben Seite. Grau in Grau verschmolzen Meer und Wolken miteinander, und die klamme Nässe durchdrang selbst kleinste Ritzen.

      Auf mehreren Schatzgaleonen mußte gelenzt werden, weil Wasser auch über die Laderäume eindrang und sich in der Bilge sammelte. Die Männer an den Pumpen gerieten trotz der anhaltenden Kälte gehörig ins Schwitzen.

      Spieren und Taue begannen rutschig zu werden. Eine tückische Eisschicht bildete sich, hauchdünn und von Feuchtigkeit überzogen.

      Stunde um Stunde quälte sich der Konvoi durch die aufgewühlte, aber noch lange nicht wirklich stürmische See. Gischt verminderte nun zusätzlich zu den hohen Wellenbergen die Sicht. Es wurde schwieriger, den Geleitzug zusammenzuhalten. Allerdings schien zumindest jetzt keiner der Spanier mehr an Flucht zu denken.

      Hasard und Dan O’Flynn, der Navigator der Arwenacks, versuchten eine Positionsbestimmung. Aber ebensogut hätten sie mit dem Finger auf eine der Seekarten tippen und behaupten können, die Schiffe stünden genau da und nirgendwo sonst. Es war schlichtweg unmöglich, die Position festzustellen.

      Ich schätze die Entfernung zu den Scillys noch auf rund zwanzig Seemeilen. Der Geleitzug segelt süd- bis südwestlich der Inseln. Falls das Wetter anhält, werde ich gezwungen sein, früher als geplant nach Nordost abzudrehen.

      Es klopfte. Während Philip Hasard Killigrew zum Eintreten aufforderte, streifte er den Federkiel ab, danach streute er Sand über die noch feuchte Tinte im Logbuch und verschloß das Tintenfaß.

      Ben Brighton bückte sich unter dem niedrigen Türstock hindurch und trat ein.

      „Die ‚Nuestra Señora de lagrimas‘ läuft aus dem Ruder“, meldete er.

      Hasard warf ihm einen forschenden Blick zu. Ben wußte auch ohne Worte, was den Seewolf bewegte.

      „Ich glaube nicht, daß Capitán Chinchilla einen neuen Fluchtversuch plant“, sagte er. „Es sieht eher so aus, als hätte die Galeone Ruderschaden.“

      „Ich gehe mit an Deck.“ Hasard klappte das Logbuch zu und erhob sich. Ben ließ ihm den Vortritt.

      Von der „Señora“ war im Moment nicht viel mehr zu sehen als die Toppen. Aber schon nach wenigen Augenblicken schoß sie aus dem Wellental hoch und bäumte sich auf wie ein weidwundes Tier. Chinchilla hatte bereits das leichte Tuch wegnehmen und die kleineren Sturmsegel setzen lassen.

      Trotzdem konnte er nicht verhindern, daß das Schiff zunehmend in eine Lage geriet, in der es querzuschlagen drohte. Eine deutliche Krängung nach Lee zeigte sich. Falls auch noch die Ladung verrutschte, wuchs die Gefahr des Kenterns rapide.

      „Wollen wir hoffen, daß da drüben alles gut verschalkt ist.“ Das Heulen des Windes und das Donnern der Brecher riß Hasard die Worte von den Lippen.

      „Signale wurden nicht beantwortet. Die Dons haben wohl genug mit sich selbst zu tun.“

      „Wir segeln auf“, entschied der Seewolf.

      Ben hatte nichts anderes erwartet. Er gab die Befehle lautstark weiter. Ächzend luvte die Schebecke an und begann vorübergehend zu rollen, lag dann jedoch gut am Wind.

      Donnernd brachen sich die Wellen am Vorsteven, stiegen zu beiden Seiten des Bugs in die Höhe und schlugen klatschend in die See zurück. Der Wind drückte die Brecher von Luv her schäumend über die Back. Sogar die Kuhl verschwand hin und wieder unter gurgelnden Sturzfluten, die sich vor den Speigatten stauten.

      Zeitweise waren von der „Nuestra Señora de lagrimas“ nur die Stengen mit den oberen Rahen zu sehen, dann wieder schien sich das Schiff schwerelos erheben zu wollen, tauchte aus der brodelnden See auf, ritt einzelne Wellenkämme ab und wurde erneut hinabgezogen.

      Endlich brachten die Dons vorn auf der Galeone einen Treibanker aus. Der kegelförmige Sack aus schwerem Segeltuch, dessen breite Öffnung durch eingenähte Eisenringe offengehalten wurde und dessen schmäleres Ende abgeschnitten war, trieb sofort ab.

      Die Schleppleine straffte sich, dann schwang die Galeone langsam herum und legte sich mit dem Bug in den Wind. Die Krängung ließ jedoch nur unmerklich nach. Das bedeutete, daß die „Nuestra Señora de lagrimas“ entweder schon sehr viel Wasser gezogen hatte oder aber Teile der Ladung verrutscht waren.

      Jetzt, da das Schiff nicht mehr unmittelbar vom Querschlagen bedroht war, begannen die Spanier mit der Reparatur des Ruders.

      Capitán Alvaro Chinchilla und sein Erster Offizier, José Serrador, umkreisten einander wie lauernde Hyänen. Das Verhältnis zwischen ihnen war eisig geworden, aber keiner von beiden brachte die Sprache auf die Geschehnisse der vorletzten Nacht.

      Chinchilla fühlte sich zu Recht hintergangen und verraten, und Serrador wiederum hatte einiges gegen die Art, wie Alvaro das Wohl des Königs als Vorwand für seine eigene Unzulänglichkeit benutzte.

      Aus dem Weg gehen konnten sie sich nicht, dazu war ein Schiff wie die „Nuestra Señora de lagrimas“ nicht groß genug. Ihre Kontakte beschränkten sich jedoch auf die Weitergabe der nötigsten Befehle.

      Als Serrador kurz nacheinander erst Antonio Rojas, dann Jesús Cortès und schließlich den Bootsmann und einen der Rudergänger in die Kapitänskammer huschen sah, wußte er, daß Chinchilla seine Fluchtgedanken noch nicht aufgegeben hatte. Die Drohung, ihn an die Rah zu hängen, hatte ihn bestenfalls vorübergehend beeindruckt.

      Der Capitán rückte sich damit selbst in die Nähe von Meuterern, er wurde für die spanische Krone untragbar und mußte durch einen fähigeren Mann abgelöst werden. Wahrscheinlich war es das Alter, das ihn verknöchern ließ.

      Liebend gern hätte Serrador jetzt mit Capitán de Vilches darüber gesprochen. Aber der Seegang erlaubte ihm nicht, zur Schebecke überzusetzten. Wenn er etwas tun wollte, mußte er es selbst

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