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Don Julio, sehr gut sogar“, erwiderte der Spanier. „Leider sehe ich mich außerstande, Ihren Befehl auszuführen. Er ist mit meinem Treueeid für den König unvereinbar.“

      Hasard holte erst tief Luft. Doch der auf der Galeone offensichtlich erwartete Wutausbruch blieb aus.

      Statt dessen sagte er mit eisig klirrender Stimme und gerade so laut, daß man ihn auf der „Nuestra Señora de lagrimas“ noch verstehen konnte: „Sie sind im Begriff, die Order König Philipp III. zu sabotieren, Capitán. Lassen Sie sich gesagt sein, daß ich über weitreichende Vollmachten verfüge. Ich scheue nicht davor zurück, Ihren gesamten Sauhaufen an die Rah zu knüpfen, wenn ich damit Spanien einen Dienst erweise.“

      Capitán Chinchilla wurde blaß.

      „Das wagen Sie nicht …“

      „Eine Schlinge um Ihren Hals, Capitán, wird Sie vermutlich sehr schnell davon überzeugen, daß mir das Wohl unserer Heimat sehr am Herzen liegt. Ich gehe davon aus, daß ich auch Ihnen in Havanna avisiert wurde. Dann wissen Sie, daß ich das Kommando über den Geleitzug erhalten habe. Um so unverständlicher ist mir Ihr Verhalten.“

      „Keineswegs die ganze Mannschaft will nach Spanien zurückkehren, Don Julio!“ rief ein hagerer Mann, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. „Etliche Männer würden selbst in die Hölle segeln, wenn Seine Majestät es befiehlt.“

      „Wer sind Sie?“

      „Verzeihung, Capitán, ich bin der Erste Offizier, José Serrador.“

      Dem Seewolf entging keineswegs der unbeherrschte Griff Chinchillas zum Degen. Dabei beließ der Kapitän es aber, abgesehen von dem verbissenen Zug, der sich plötzlich um seine Mundwinkel abzeichnete. Niemand mußte Hellseher sein, um zu erkennen, daß er und sein Erster sich nicht sonderlich grün waren. Vermutlich hatte es schon öfter Streitigkeiten zwischen ihnen gegeben.

      „Sie wären bereit, die ‚Nuestra Señora de lagrimas‘ nach Irland zu führen, Señor Serrador?“ fragte Hasard.

      „Selbstverständlich“, bestätigte der Erste.

      „Dann gibt es keine Probleme“, sagte der Seewolf. „Sie, Capitán, haben die Wahl zwischen der Schlinge und dem Gehorsam.“

      Alvaro Chinchilla starrte ihn unbewegt an. Haß begann sich in seinem Gesicht abzuzeichnen. Hasard wußte, daß er diesen Mann schwer getroffen hatte, er würde ihm nie den Rücken zuwenden dürfen. Doch darüber konnte er nur lachen.

      Ruckartig wandte sich der Kapitän um. Seine Befehle waren eindeutig.

      Die „Nuestra Señora de lagrimas“ kehrte zum Konvoi zurück.

       6.

      Als die beiden Schiffe zum Geleitzug aufgeschlossen hatten, dämmerte bereits der Morgen. Jean Ribault und Arne von Manteuffel hatten die Schatzgaleonen zuverlässig auf Kurs gehalten.

      Der Tag blieb wolkenverhangen und trist. Bleigrau rollte die See heran, und nicht weniger düster zeigte sich die Kimm. Bis die Sonne endlich den Dunst durchbrach und vereinzelte Strahlenfinger tatsächlich so etwas wie Helligkeit verbreiteten, stand sie schon hoch im Zenit.

      Später briste es auf.

      Der Wind hatte wieder gedreht. Ein steifer Nordwest fegte den Schiffen entgegen. Er brachte eisige Kälte und zeitweise Graupelschauer. Alle eisernen Beschläge und die Kanonen, soweit sie nicht abgedeckt waren, setzten Rauhreif an.

      Am späten Nachmittag lachte dann endlich wieder die Sonne und versöhnte ein wenig mit den vorangegangenen Unbilden, obwohl es bitterkalt blieb. Den Männern stand der Atem vor den Gesichtern.

      Die beiden letzten Tage im November würden mit Sturm und bissiger Kälte zu Ende gehen. Old Donegal Daniel O’Flynn spürte das in seinen Knochen.

      „Wir kriegen einen rauhen Winter“, erklärte er. „Das Eis wird sich auf der Themse türmen und für London den Zugang zum Meer blockieren.“

      „Unkenrufe“, widersprach Big Old Shane. „Woher willst du das wissen?“

      „Mein Bein schmerzt, Mister“, sagte Old Donegal. „Das ist ungefähr so, als liege der Schnee schon einige Inches hoch auf den Piers.“

      „Welches Bein?“ fragte der Riese mit dem mächtigen grauen Bartgestrüpp, der weder an Geister glaubte noch an Old Donegals gelegentliche Prophezeiungen.

      „Das rechte“, sagte der Alte prompt.

      Shane sah ihn an, als könne er nicht glauben, was er eben gehört hatte.

      „Dann ist der Holzwurm drin!“ entfuhr es ihm. „Wie kann etwas weh tun, was gar nicht mehr vorhanden ist?“

      Old Donegal Daniel O’Flynn schnaubte wie ein Wal vor dem Abtauchen. Ihm war anzusehen, daß er dem Schmied von Arwenack am liebsten die Krücke an den Kopf geschlagen hätte. Doch bestand die Gefahr, daß das kostbare Stück dabei zerbrach – nicht der Kopf, wohlgemerkt, sondern die Krücke –, und Old Donegal hatte sich so an sie gewöhnt, daß er keine neue haben wollte.

      „Obwohl ich ein Holzbein trage“, sagte er, „glaube ich manchmal, noch die Zehen bewegen zu können. Das ist nun mal so. Laß dir auch ein Bein absägen, dann glaubst du mir hoffentlich.“

      „Ich bin doch nicht verrückt“, erklärte Shane.

      Scheinbar abrupt wechselte Old Donegal das Thema. „Spürst du mitunter Kopfschmerzen?“ fragte er. „Wenn das Wetter umschlägt, meine ich.“

      Der Schmied zögerte mit der Antwort. „Na ja.“ Er druckste herum. „Kann sein, daß da hin und wieder so ein Zeichen unter der Schädeldecke ist. Aber der Kutscher behauptet, das sei normal, und ich sei nicht gesund, wenn die Schmerzen sich nicht meldeten. Außerdem, was hat mein Kopf mit deinem Holzbein zu tun?“

      Old Donegal feixte. Grinsend mahlte er mit dem Unterkiefer und faßte sich nachdenklich ans Kinn.

      „Weißt du, Mister Shane“, sagte er langsam, „wenn du Kopfschmerzen hast, ist das doch nur ein Beweis dafür, daß etwas weh tun kann, was gar nicht da ist. Mein Hirn tut nämlich nicht weh. Niemals.“ So schnell er konnte, humpelte er zum nächsten Niedergang und stieß prompt mit Carberry zusammen, der soeben an Deck wollte.

      „Hoppla!“ rief der Profos überrascht. „Du hüpfst, als wäre Mary Snugglemouse mit der Bratpfanne hinter dir her.“

      „Laß meine Mary aus dem Spiel, du, du …“ Old Donegal versuchte sich loszureißen, doch da geriet er bei Carberry an den Falschen. Der packte nämlich um so fester zu.

      „Sag’s!“ forderte er den Alten auf. „Nur zu, keine Hemmungen. Ich bin schließlich kein Unmensch.“

      „Du Profos, du!“ stieß Old O’Flynn zornig hervor.

      Carberry begann herzhaft zu lachen. „Ich weiß auch ein neues Schimpfwort“, prustete er: „Old Donegal!“

      „Ha!“ schnappte der Alte. „Wirklich sehr komisch.“

      „Bleib lieber bei Affenarsch, Ed!“ rief Shane.

      Der Profos schnalzte mit der Zunge. „Hat der was gegen dich?“ fragte er.

      „Der?“ Old Shane zuckte mit den Schultern.

      „Und du, Shane? Du siehst aus, als hätte es dir die gesamte Takelage verhagelt.“

      „Du siehst Gespenster, Ed.“ Natürlich dachte der Schmied nicht daran, das eben Gesagte breitzutreten. Er sah lieber zu, daß er sich verdrückte. Old Donegal Daniel O’Flynn konnte ihn mal hinterm Mast besuchen.

      Der Profos stand plötzlich allein da. Er fragte sich, ob Shane und Hasards kauziger Schwiegervater vom Affen gebissen seien.

      Zufällig fiel sein Blick auf Jack Finnegan und Paddy Rogers, die nebeneinander auf der Kuhlgräting saßen und Taue

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