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mich nicht mehr dumm stellen und »Da ist niemand!« rufen. Also gab ich die Tür frei.

      Als sie das Licht anmachten, hatte sie Gott sei Dank schon das Höschen an.

      Obwohl das eigentlich kaum was änderte. Aber irgendwie doch …

      Ich weiß nicht, ob ich unbedingt weitererzählen muss. Ich staunte zwar nicht schlecht, dass meine Eltern zuerst sie ankläfften – als wäre ich gar nicht hier. Logisch, sie sagten, sie ist die letzte Schlampe, sie werden alles mit ihren Eltern besprechen, ob sie denn noch ganz bei Verstand ist, sie ist älter, aber sie denkt kein bisschen daran, was sie da tut und wie das alles enden könnte. Und immer weiter, bis sie sich ganz angezogen hatte und durch die Tür abrauschte.

      Dann knöpften sie sich mich vor.

      3

      Für ne lange Moralpredigt war es zu spät, also gabs nur ne kurze Standpauke.

      Sie sagten mir, ich bin n Esel, denn ich will mir ganz offensichtlich das Leben versauen, während mir schien, ich fange erst an zu leben.

      Sie sagten mir, ich will wohl unbedingt bald Vater werden, die Schule nicht abschließen und meine Zeit mit Kindererziehung verbringen, und ich stammelte im Gegenzug was von Präsern.

      Sie sagten mir, ich bin n Idiot, dass ich mich mit solchen Schlampen abgebe, und ich versuchte zu entgegnen, dass sie gar keine ist und nicht mit allen in die Kiste hüpft, zumindest hatte ich noch nix in dieser Richtung gehört.

      »Wollte sie selbst zu dir kommen, oder haste sie zu dir eingeladen?«

      »Sie wollte, warum?«

      »Die soll den Weg hierher vergessen, aber auf der Stelle!«

      Kurz und gut, alles wie in einem bescheuerten Witz. Nur war ich keine dieser Witzfiguren, weder der Geliebte noch der vor Wut kochende Ehemann, sondern einfach nur n Schüler, dem man gerade den Tarif durchgegeben hatte. Hausarrest und Hausaufgaben. Bis achtzehn sitze ich zu Hause und mache Hausaufgaben. Das ist meine Funktion. Es fiel mir nix Vernünftiges ein, was ich hätte sagen können. Mich rechtfertigen? Wofür? Dass ich Lust auf n Mädchen hatte? Ist das denn was Böses? Und was ist dann gut? Zu Hause sitzen, Hausaufgaben machen und sich einen runterholen?

      Am nächsten Tag ging ich zu Minde. Der zeigte mir zufrieden, dass er jetzt den Spagat hinkriegte. Nicht mehr lange und er würde es mit Van Damme aufnehmen. Mich brachten diese Spagate zum Schmunzeln: Du dehnst dich, hebst die Beine … Das mag ja ganz passabel aussehen, vielleicht kann man damit ja auch Eindruck schinden und irgendn Weichei macht sich in die Hose, aber wenn so n Clown einem Typen in die Hände gerät, der die Muckibude nicht nur von außen kennt, dann gibts gar nix mehr zu lachen.

      »Gratuliere!«, sagte ich. »Wäre geil, wenn das mit den Plakaten auch so flutschen würde.«

      »Was hat das denn mit den Plakaten zu tun?«

      »Das. Wir pumpen in der Muckibude, und die Kohle könnte das auch. Pump it up, pump it up, die Muckis und die Prozente wachsen und wachsen.«

      »Wo piepts bei dir?«

      »Jetzt mal halblang! Mach du ruhig deine Spagate, ich muss mal n wenig auf piano schalten, hab Stunk mit den Alten.«

      »Was war denn?«

      »Die haben mich zu Hause mit Edita erwischt. Sind früher heimgekommen, und die liegt splitterfasernackt da …«

      »Du vögelst also zu Hause Tussis und dann fickste mich, weil die Plakate nicht weggehen? Diese Woche hat die halbe Klasse von Tamošius in der fünfzehnten welche gekauft, wo wir vorher noch kein einziges losgeworden sind …«

      »Hast ja recht, aber irgendwie habe ich das dumpfe Gefühl, als wäre der Wurm drin …«

      »Wenn du mich fragst, ist bei dir der Wurm woanders drin. Aber scheiß drauf. Und was haben die Alten gesagt?«

      Wie mich das ankotzt – alle möglichen Langhaarweicheier glauben, sie müssten deiner Mutter im Belehren das Wasser reichen, und du steckst so tief in der Scheiße, dass du nicht weißt, waste ihnen antworten sollst.

      »Was haben sie gesagt, was haben sie gesagt – dass ich bald nen Haufen Kinder habe.«

      »Du hättest sie doch fragen können, ob sies dir nicht erklären können.«

      »Ja, ja, danebensitzen und zuschauen, ob ich alles richtig mache.«

      »Und jetzt?«

      »Was jetzt, was jetzt. Zusammengestaucht haben sie mich. Mit allem möglichen Scheiß gedroht. Gesagt, wenn ich zu viel Mist baue, dann ist der Arsch ab.«

      »Mach dir nicht in die Hose, du gehst einfach, was sollen die denn machen?«

      »Da haste auch wieder recht, aber ich muss es ja nicht auf die Spitze treiben. Ich kann den Alten doch nicht einfach sagen: Danke, war nett mit euch, machts gut. Ich liege ihnen ja noch auf der Tasche. Und lebe unter ihrem Dach. Also ist n bisschen Ruhe angesagt. Besser, sie denken, dass alles nur n Missverständnis war. Jupp, am besten, sie glauben, es ist ihre Idee gewesen.«

      »Okay, und was ist dann mit Riga?«

      »Was soll damit sein? Wir haben noch nicht genug Kohle, um hinzufahren. Wir müssen erst alle Plakate verhökern. Mit dem, was wir in der Tasche haben, können wir höchstens zu den Ukrainern.«

      »Scheiß auf die Ukrainer, was sollen wir mit denen?«, wehrte Minde ab.

      Aber schon am nächsten Tag drückten wir uns aufm Bahnhof rum und warteten aufn Zug von Lwow nach Riga. Kein Zug, sondern n Markt auf Rädern. Die Ukrainer, die nicht bis Riga fahren wollen, steigen hier aus und breiten ihre Waren direkt am Bahnhof aus – Margarine, Öl, Butter. Dazu brauchen sie keine Marktstände, sie legen alles auf die Kisten, in denen sie die Waren transportieren. Ihr Geschäft läuft gut, Strahlung hin oder her. Wenn sie es essen und nicht krepieren, dann können wir das auch. Die Bahnhofsklos haben die Preise hochgeschraubt, denn die waschen sich dort alle. Mit einem Wort – n Saustall.

      Wir hatten vor, wie immer vorzugehen: Die Ukrainer steigen aus, du gehst zu ihnen und sagst, ich nehme die ganze Tasche. Dann verschwindeste um die Ecke, rechnest nach, blätterst die vereinbarte Summe hin und machst dich mit der Ware ausm Staub. Nachdem hier vor kurzem n Typ nen anderen erschossen hat, waren jetzt alle ruhig, schrien nicht rum, man konnte sich in Ruhe unterhalten und den Preis aushandeln. Man will ja auch selbst was verdienen bei der Sache.

      Aber diesmal überfielen die Omas den Bahnhof in Horden. Wir dachten schon, sie würden den Ukrainern die Taschen aus der Hand reißen und abhauen. Als wären wir hier alle am Arsch und würden vor Hunger sterben. Die Rentner sind einfach abgefahren. Die Bullen versuchten noch Ordnung zu schaffen, blökten durch ihre Megafone auf Russisch, am Bahnhof ist der Handel verboten, aber als sie wieder damit anfingen, brüllten die Omas sie nieder und sagten, geht ihr doch die Gangster jagen, die uns erpressen, und lasst die armen Leute hier in Frieden. Die Polypen machen sichs einfach, belästigen die Älteren, die Jüngeren lassen sich ja von ihnen nix sagen. Bei denen arbeiten ja auch nur noch solche, die nur mit den Rentnern und Ukrainern fertig wurden.

      Wir nahmen ihnen diesmal die Würste ab. Die wurden sie nur mit Mühe los, weil alle vor der Trichinellose Angst hatten. Wir kauften sie billig und würden sie ohne Etiketten als litauische verscherbeln. Klar doch, bei der Ukraine dachte man sofort an Tschernobyl und die Trichinellose, am Kiosk aber – alles okay. Dort brachte man sie als lokales Produkt für nen ganz anderen Preis los. Außerdem nahmen wir noch n paar Flaschen Wodka – wir kannten einige besonders Durstige – und verkauften n paar Bucks. N Kinderspiel, aber wir durften die Form nicht verlieren, mussten den Puls der Zeit spüren. Und weiter? Im Hof rumlungern, nein danke, und überhaupt, noch so n Scheiß wie mit Edita konnte ich nicht brauchen. Die Disco – auch nicht das Gelbe vom Ei. Also lag ich jetzt abends im Bett und glotzte TV. Manchmal bis zwei oder drei. Mum steckte ihren Kopf durch die Tür und fragte:

      »Was schaust du da?«

      »Deutsches Fernsehen.«

      »Das ist

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