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sein Unterhalt wurde aus den Steuermitteln bestritten, die der Sultan im Sommer der Stadt bewilligt hatte. Die Byzantiner schickten Abgesandte zu Halil in Bursa mit einer dringenden Bitte:

       Der Kaiser von Rom kann sich nicht einverstanden erklären mit der jährlichen Zuwendung von dreihunderttausend Aspern. Denn Orhan, der Eurem Herrscher gleichgestellt ist, ist nunmehr volljährig geworden. Jeden Tag scharen sich viele Menschen um ihn. Sie nennen ihn ihren Herrn und ihren Führer. Er selbst verfügt nicht über die Mittel, um sich großzügig zu erweisen gegenüber seinen Gefolgsleuten, daher wendet er sich an den Kaiser, doch dieser kann solchen Bitten nicht entsprechen, da es ihm an Geld mangelt. Daher ersuchen wir Euch: Entweder Ihr verdoppelt die Zuwendung, oder wir müssen Orhan freilassen.6

      Das war eine unverhohlene Drohung: Wenn der Sultan nicht mehr bezahlte, würde ein neuer Thronrivale auftauchen und das Reich in einen Bürgerkrieg stürzen.

      Es war ein klassisches Manöver. Die Ausnutzung von Rivalitäten in den Herrscherhäusern angrenzender Staaten war seit jeher ein Grundzug der byzantinischen Diplomatie gewesen. Dadurch hatte Byzanz Phasen militärischer Schwäche überspielt und sich den Ruf erworben, ein unübertrefflicher Meister der Ranküne zu sein. Die Osmanen hatte diese Taktik bereits unter Konstantins Vater Manuel II. kennengelernt, als die Dynastie beinahe zusammengebrochen wäre durch einen Bürgerkrieg, den der Kaiser geschickt geschürt hatte, eine Schlappe, an die sich Mehmet noch sehr gut erinnerte. Für Konstantin war Orhan offensichtlich ein Ass im Ärmel, vielleicht die einzige Karte, die er noch hatte, und er entschloss sich, sie auszuspielen. Unter den gegebenen Umständen war dies ein schwerer Fehler – und geradezu unerklärlich in Anbetracht der Tatsache, dass erfahrene Diplomaten wie Sphrantzes mit der Politik am osmanischen Hof wohl vertraut waren. Wahrscheinlich wurde dieser Schritt eher wegen der desolaten Staatsfinanzen unternommen, denn die Hoffnung, einen Aufstand anzetteln zu können, war wenig realistisch. Die Kriegspartei am osmanischen Hof sah darin jedoch eine Bestätigung ihrer Argumente, warum Konstantinopel erobert werden müsse. Fast schien es, als ziele der Vorstoß darauf, Halils Friedensbemühungen zu untergraben und die Position des Wesirs zu schwächen. Der alte Wesir erwiderte erzürnt:

       Ihr törichten Griechen, ich habe genug von euren finsteren Machenschaften. Der verstorbene Sultan hat euch wie ein nachsichtiger und pflichtbewusster Freund behandelt. Der jetzige Sultan ist anders gesinnt. Wenn sich Konstantin seinem kühnen und machtvollen Griff entwinden kann, dann nur deswegen, weil Gott über eure hinterhältigen und verschlagenen Ränke hinwegzusehen bereit ist. Ihr seid Narren, wenn ihr glaubt, ihr könntet uns erschrecken mit euren Hirngespinsten, und dies zu einem Zeitpunkt, da die Tinte unter unseren jüngsten Verträgen kaum trocken ist. Wir sind keine Kinder, die keine Kraft und keinen Verstand haben. Wenn ihr glaubt, ihr könntet Zwietracht säen, dann tut es. Wenn ihr Orhan in Thrakien zum Sultan ausrufen wollt, dann tut es. Wenn ihr die Ungarn über die Donau holen wollt, dann lasst sie kommen. Wenn ihr die Gebiete zurückerobern wollt, die ihr vor langer Zeit verloren habt, dann versucht es. Aber eines sollt ihr wissen: Ihr werdet mit keinem dieser Vorhaben weit kommen. Ihr werdet nichts erreichen, außer dass ihr das wenige auch noch verliert, das ihr noch besitzt.7

      Mehmet nahm die Nachricht ungerührt entgegen. Er verabschiedete die Gesandten »mit kühlen Worten« und versprach ihnen, dass er sich um die Angelegenheit kümmern werde, wenn er wieder in Edirne sei. Konstantin hatte ihm einen unschätzbaren Vorwand geliefert, sein gegebenes Wort zu brechen, wenn ihm die Zeit dafür günstig erschien.

      Auf dem Rückweg nach Edirne stellte Mehmet fest, dass er nicht wie gewünscht nach Gallipoli übersetzen konnte. Die Dardanellen waren durch italienische Schiffe blockiert. Daher zog er am Bosporus entlang zur osmanischen Festung Anadolu Hisari (»die anatolische Burg«), die sein Großvater Bajezit 1395 während seiner Belagerung der Stadt hatte erbauen lassen. An dieser Stelle verengt sich die Meerenge, die Asien von Europa trennt, auf 650 Meter. Hier ist der beste Ort, um das schnell fließende und tückische Gewässer zu überqueren, was schon der persische König Darios wusste, der hier vor 2000 Jahren mit einem Heer von 700.000 Mann auf einer Pontonbrücke aus Booten übersetzte. Während Mehmets kleine Flotte hin und her pendelte, um die Männer ans andere Ufer zu bringen, dachte der Sultan über den Bosporus nach und kam anscheinend zu einer Reihe von Schlussfolgerungen. Die Meerenge bildete eine Schwachstelle für die Osmanen: Man konnte nicht zum unangefochtenen Herrscher zweier Kontinente aufsteigen, wenn nicht gewährleistet war, dass man jederzeit von einer Seite zur anderen übersetzen konnte. Wenn er andererseits eine Möglichkeit finden konnte, den Bosporus unter seine Kontrolle zu bringen, würde er in der Lage sein, die Getreide- und Hilfslieferungen an Konstantinopel aus den griechischen Kolonien am Schwarzen Meer zu unterbinden und der Stadt die Zolleinnahmen zu entziehen, die sie aus dem Schiffsverkehr erhielt. So kam Mehmet auf die Idee, auf der europäischen Seite eine zweite Festung zu bauen, auf byzantinischem Gebiet, um die Meerenge beherrschen und »den Schiffen der Ungläubigen den Weg versperren«8 zu können. Zugleich wurde ihm wahrscheinlich auch klar, dass er eine größere Flotte brauchte, um den Christen auch zur See die Stirn bieten zu können.

      Nach seiner Rückkehr nach Edirne reagierte Mehmet unverzüglich auf das byzantinische Ultimatum, beschlagnahmte sämtliche Steuereinnahmen aus den Städten der Struma, die für Orhans Unterhalt verwendet werden sollten, und verfügte die Ausweisung der griechischen Bewohner. Vielleicht spürte Konstantin bereits, dass der Druck auf die Stadt wuchs; er hatte im Sommer 1451 einen Abgesandten nach Italien geschickt, der sich zuerst nach Venedig begab, um dort die Erlaubnis zu erwirken, Bogenschützen aus der venezianischen Kolonie auf Kreta für Konstantinopel zu rekrutieren, und anschließend nach Rom reiste mit einer Botschaft für den Papst. Konstantin hoffte anscheinend noch immer, dass man gegen den neuen Sultan erfolgreich vorgehen könne: In den Botschaften an die italienischen Stadtstaaten deutet nichts darauf hin, dass er sich in einer Notlage wähnte.

      Zu Beginn des Winters 1451 hielt sich Mehmet in Edirne auf und arbeitete rastlos an seinen Plänen. Hier umgab er sich mit einer Gruppe westlicher Berater, vorwiegend Italiener, mit denen er über die großen Helden der Antike sprach, über Alexander und Cäsar, seinen Vorbildern für seine künftige Rolle. Nach den Unruhen unter den Janitscharen in Bursa im Herbst führte er weitere Reformen im Militär und in der Verwaltung durch. In einigen Provinzen wurden neue Statthalter ernannt, die Bezahlung der Palastregimenter wurde verbessert, außerdem begann er Waffen- und Vorratslager anzulegen. Wahrscheinlich befasste er sich auch mit einem Flottenbauprogramm. Zugleich nahm die Idee einer neuen Festung Gestalt an. In allen Provinzen ließ er den Befehl ergehen, Tausend Steinmetze und ebenso viele ungelernte Bauarbeiter anzuwerben, die sich im kommenden Frühjahr bereithalten sollten. Zudem wurden Vorkehrungen getroffen, um Baumaterial zu beschaffen und zu transportieren: »Steine, Holz, Eisen und was sonst noch… gebraucht wurde«9…»zum Bau einer Festung am Heiligen Mund oberhalb der Stadt«10 nahe der verfallenen Kirche des Heiligen Michael.

      Die Nachricht über dieses Dekret gelangte schnell nach Konstantinopel und zu den griechischen Kolonien am Schwarzen Meer und auf die Inseln der Ägäis. Bei den Menschen machte sich Niedergeschlagenheit breit; viele erinnerten sich an alte Prophezeiungen, in denen das Ende der Welt angekündigt wurde: »Nun könnt ihr die Vorzeichen der bevorstehenden Vernichtung unseres Landes erkennen. Die Zeit des Antichristen ist gekommen. Was wird mit uns geschehen? Was sollen wir tun?«11 In den Kirchen der Stadt wurden Stoßgebete um Errettung gen Himmel geschickt. Ende 1451 entsandte Konstantin einen weiteren Boten nach Venedig mit überaus beunruhigenden Nachrichten: Der Sultan bereite einen großen Angriff auf die Stadt vor, und wenn keine Hilfe komme, werde sie gewiss fallen. Der Senat von Venedig beriet über das Ersuchen und antwortete am 14. Februar 1452. Die Reaktion fiel wie üblich sehr vorsichtig aus; die Venezianer mussten Rücksicht nehmen auf ihre Handelsinteressen im Osmanischen Reich. Sie empfahlen den Byzantinern, sich um die Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu bemühen, anstatt sich allein auf Venedig zu stützen, doch sie erklärten sich bereit, Konstantins Bitte um die Lieferung von Schießpulver und Brustplatten zu entsprechen. Konstantin blieb unterdessen nichts anderes übrig, als mit Mehmet in direkte Verhandlungen einzutreten. Seine Abgesandten reisten abermals über die thrakischen Berge und baten um eine Audienz. Sie wiesen Mehmet darauf hin, dass er eine Vertragsverletzung begehe, wenn er seine neue Festung ohne Rücksprache mit Byzanz erbauen lasse, denn als sein Urgroßvater die Festung bei Anadolu Hisari errichten ließ, habe er sein Anliegen dem

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