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eingeben sollte, werde ich nur glücklich sein. Ich spreche dich von all deinen Eiden und mit mir geschlossenen Verträgen frei. Ich schließe die Tore meiner Hauptstadt und werde mein Volk bis zum letzten Tropfen meines Blutes verteidigen. Herrsche glücklich, bis uns beide der Allgerechte, der Höchste Richter, vor seinen Richterstuhl ruft.21

      Konstantin wollte damit seine Entschlossenheit und Unbeugsamkeit unterstreichen. Mehmet ließ die Gesandten hinrichten und schickte eine knappe Antwort: »Entweder du übergibst die Stadt oder du stellst dich zum Kampf.« Ein Trupp osmanischer Soldaten wurde ausgeschickt, um das Gebiet vor den Stadtmauern zu verwüsten, Schafe zu stehlen und Menschen zu entführen, aber Konstantin hatte die Bevölkerung der nahe gelegenen Dörfer mitsamt der Ernte schon größtenteils in die Stadt geholt. Die osmanischen Chronisten berichten, er habe Halil zu bestechen versucht, um seinem Wunsch nach Frieden Nachdruck zu verleihen, doch dies war wohl eher Propaganda der Feinde des Wesirs. Ab der Sommersonnenwende blieben die Tore der Stadt geschlossen, und die Kontrahenten befanden sich faktisch im Krieg.

      Am Donnerstag, dem 31. August 1451, war Mehmets neues Bollwerk fertig, knapp viereinhalb Monate nach der Grundsteinlegung. Es war ein gewaltiges Fort, »das in jeder Hinsicht stärkste und sicherste, das berühmteste von allen, die jemals erbaut worden sind«, wie Kritobulos schrieb.22 Die Anlage beherrschte die Meerenge. Die Osmanen nannten sie Bogaz Kesen, den Durchschneider der Meeresstraße oder das »Messer an der Kehle«, doch bald wurde sie als Europäische Festung bekannt, als Rumeli Hisari. Die dreieckige Anlage mit ihren vier großen und dreizehn kleinen Türmen, ihren 6,70 Meter dicken und 15 Meter hohen Umfassungsmauern und ihren mit Blei gedeckten Türmen war für die damalige Zeit eine erstaunliche bauliche Leistung. Dass Mehmet imstande war, außergewöhnliche Projekte zu konzipieren und mit atemberaubender Geschwindigkeit zu verwirklichen, sollte seine Gegner in den kommenden Monaten stets aufs Neue verblüffen.

      Am 28. August zog Mehmet mit seinem Heer um die Spitze des Goldenen Horns und schlug vor den Mauern der Stadt, die nun gut gesichert waren, sein Lager auf. Drei Tage lang überprüfte er mit größter Sorgfalt die Befestigungsanlagen und das Terrain, machte sich Notizen und Zeichnungen und analysierte mögliche Schwachstellen der Bollwerke. Am 1. September, allmählich zog der Herbst ins Land, kehrte er nach Edirne zurück, hochzufrieden mit seiner Sommerarbeit, und die Flotte kehrte zu ihrem Stützpunkt in Gallipoli zurück. Im »Messer an der Kehle« wurden 400 Mann stationiert unter ihrem Befehlshaber Firuz Bey, der den Auftrag erhielt, sämtliche Schiffe, die durch die Meerenge fuhren, so lange festzuhalten, bis sie einen Wegezoll entrichtet hatten. Um dieser Drohung Nachdruck zu verleihen, waren mehrere Geschütze gegossen und in die Festung gebracht worden. Auf den Zinnen wurde leichte Artillerie postiert, doch am Ufer unterhalb der Festungsmauern wurden schwere Geschütze aufgestellt »wie Drachen mit furchterregenden Schlünden«.23 Diese Geschütze, die in verschiedene Richtungen zielten und ein weites Schussfeld bestreichen konnten, verschossen knapp 250 Kilogramm schwere Steinkugeln. Die Geschosse flogen knapp über der Wasseroberfläche wie Steine, die über einen Teich hüpfen, und trafen so die Rümpfe vorüberfahrender Schiffe. Auf der anderen Seite der Festung standen ähnliche Geschütze, sodass »nicht einmal ein Vogel vom Mittelmeer ins Schwarze Meer fliegen konnte«.24 Somit konnte tags wie nachts kein Schiff mehr ins Schwarze Meer oder von dort heraus gelangen, ohne entdeckt und überprüft zu werden. »Auf diese Weise«, berichtete der osmanische Chronist Sa’d-ud-din, »blockierte der Padischah, die Zuflucht der Welt, diese Meeresstraße, versperrte den Schiffen der Feinde den Weg und tötete die Leber des hartherzigen Kaisers ab.«25

      In der Stadt rüstete sich Konstantin für die Belagerung, die nun unmittelbar bevorstand, und schickte Gesandte mit immer dringlicheren Hilfsersuchen in den Westen. Er unterrichtete seine Brüder in Morea, Thomas und Demetrios, und bat sie, sofort in die Stadt zu kommen. Jedem, der zur Hilfe bereit war, bot er großzügig Land an: Dem ungarischen Herrscher Hunyadi wollte er wahlweise Selymbria oder Mesembria am Schwarzen Meer überlassen, Alfonso von Aragon und Neapel bot er die Insel Lemnos an. Er wandte sich an die Genuesen auf Chios, an Dubrovnik, Venedig und abermals an den Papst. Die Hilfe blieb zwar weitgehend aus, aber den Mächten des christlichen Europas wurde allmählich klar, dass Konstantinopel in sehr bedrohter Lage war. Es kam zu einem regen Austausch diplomatischer Noten. Auf Drängen von Papst Nikolaus stellte Friedrich III., der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, im März dem Sultan ein ernstes, aber leeres Ultimatum. Alfonso von Neapel schickte eine kleine Flotte mit zehn Schiffen in die Ägäis, zog sie aber bald wieder zurück. Die Genuesen waren besorgt wegen der Gefährdung ihrer Kolonien in Galata und am Schwarzen Meer, doch auch sie waren nicht bereit, praktische Hilfe zu leisten; stattdessen wiesen sie den Podestà (den Bürgermeister) von Galata an, sich mit Mehmet in irgendeiner Form zu verständigen, falls die Stadt fallen sollte. Der Senat von Venedig sandte ähnlich mehrdeutige Befehle an seine Kommandeure im östlichen Mittelmeer: Sie sollten die Christen schützen, aber auch die Türken nicht reizen. Sie wussten, dass Mehmet ihren Handel im Schwarzen Meer bereits vor der Fertigstellung des Messers an der Kehle bedroht hatte; alsbald schickten ihre Spione detaillierte Zeichnungen der formidablen Festung und ihrer Geschütze nach Hause. Die Gefahr rückte näher: Im August wurde ein Antrag im Senat, der sich dafür aussprach, Konstantinopel seinem Schicksal zu überlassen, mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, aber eine entschlossene Hilfsaktion blieb aus.

      Mehmet hatte entweder erwartet oder davon erfahren, dass Konstantin seine Brüder in Morea um Hilfe gebeten hatte, und ergriff rasch Maßnahmen, um dies zu vereiteln. Am 1. Oktober 1452 befahl er seinem altgedienten General Turahan Bey, in die Peloponnes einzumarschieren und Demetrios und Thomas anzugreifen. Turahan verwüstete das Land, stieß weit nach Süden vor und verhinderte dadurch, dass Hilfstruppen nach Konstantinopel geschickt werden konnten. Unterdessen kamen die Weizenlieferungen aus dem Schwarzmeergebiet zum Erliegen. Im Herbst wurde ein weiterer Emissär nach Venedig entsandt. Die Antwort des Senats vom 16. November war ebenso vage wie die vorherige, doch die Venezianer sollten sich bald stärker mit Ereignissen beschäftigen, die sich weiter im Osten abspielten.

      Ab November standen die Führer der italienischen Schiffe, die zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer verkehrten, vor der Entscheidung, ob sie Mehmets Wegezoll beim »Messer an der Kehle« entrichten oder diese Forderung ignorieren und mögliche Konsequenzen riskieren sollten. Aufgrund der starken Strömung hatten Schiffe, die stromabwärts unterwegs waren, eine gewisse Chance, die Kontrollstelle zu passieren, bevor sie unter Beschuss genommen werden konnten. Am 26. November lief ein italienischer Kapitän namens Antonio Rizzo mit einer Ladung von Nahrungsmitteln für Konstantinopel aus dem Schwarzen Meer in den Bosporus ein. Als sich das Schiff der Festung näherte, entschloss er sich, das Risiko einzugehen. Er ignorierte Warnrufe vom Ufer, die Segel einzuholen, und fuhr weiter. Darauf wurde eine Salve über das Wasser abgefeuert, und ein großer Stein durchschlug die leichte Hülle seiner Galeere. Der Kapitän und dreißig Überlebende konnten sich in einem kleinen Boot ans Ufer retten, wo sie gefangengenommen, in Ketten gelegt und in die Stadt Didimotkon in der Nähe von Edirne gebracht wurden, wo sie dem Sultan vorgeführt werden sollten. Während sie im Gefängnis saßen, reiste der venezianische Botschafter in Konstantinopel an den Hof des Herrschers und bat um das Leben der Seeleute. Er kam zu spät. Mehmet hatte beschlossen, an diesen Venezianern ein Exempel zu statuieren. Die meisten Männer wurden enthauptet; Rizzo wurde gepfählt »durch einen Pfahl, der ihm in den Anus getrieben wurde«.26 Die Leichen ließ man vor den Mauern der Stadt verwesen als Ermahnung, welche Folgen Unbotmäßigkeit haben konnte. »Ich sah sie einige Tage später, als ich dorthin reiste«, berichtete der griechische Chronist Doukas. Einige Seeleute wurden nach Konstantinopel zurückgeschickt, um sicherzustellen, dass man in der Stadt von dem Ereignis erfuhr. Es gab noch einen weiteren Überlebenden: Mehmet begnadigte den Sohn von Rizzos Schreiber und steckte den Jungen in den Harem.

      Diese grausame Machtdemonstration erzielte die gewünschte Wirkung. Die Einwohner Konstantinopels wurden von Angst ergriffen. Unterdessen gab es trotz der dringlichen Botschaften Konstantins noch immer kein Zeichen, dass der Westen der bedrängten Stadt zu Hilfe kommen würde. Nur der Papst stand über den konkurrierenden Handelsinteressen, den Fehden zwischen den Herrscherhäusern und den Kriegen und konnte im Namen der Christenheit zur Hilfe aufrufen, doch das Papsttum befand sich in einem langwierigen und unlösbaren Konflikt mit der orthodoxen Kirche, der alle diesbezüglichen Anstrengungen überschattete. Dies sollte alle Chancen Konstantins zunichte machen, wirksame Hilfe zu bekommen.

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