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hat sie nichts zu bestimmen, und es gehört ihr nichts. Wenn ich am Heiligen Mund eine Festung bauen will, kann sie mir dies nicht verbieten.«13 Er erinnerte die Griechen daran, dass die Christen schon mehrmals versucht hätten, den Osmanen das Übersetzen an der Meerenge zu verwehren, und schloss barsch: »Geht nach Hause und richtet Eurem Kaiser aus: ›Der Sultan, der nun regiert, ist anders als seine Vorgänger. Was diesen nicht gelang, vermag er mühelos und unverzüglich zu bewerkstelligen; was sie nicht tun wollten, wird er gewiss tun. Den nächsten Gesandten, die mit einer ähnlichen Botschaft hier erscheinen, wird bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen werden.‹«14 Deutlicher hätte die Antwort nicht ausfallen können.

      Mitte März verließ Mehmet Edirne und begann mit den Bauarbeiten. Zunächst begab er sich nach Gallipoli; von dort schickte er sechs Galeeren und einige kleinere Kriegsschiffe aus, »[gut ausgerüstet] für eine Seeschlacht, falls dies nötig sein sollte«,15 sowie sechzehn Lastbarkassen mit Ausrüstung und Material. Dann zog er mit dem Heer auf dem Landweg zu dem ausgewählten Platz. Das gesamte Unternehmen war typisch für Mehmets Vorgehensweise. Durch sein organisatorisches Talent wurde sichergestellt, dass Männer und Material rechtzeitig und in großer Zahl bewegt wurden, damit das Werk so schnell wie möglich vollendet werden konnte. Die Statthalter in den europäischen und asiatischen Provinzen zogen die zwangsrekrutierten Männer zusammen und brachen auf zum Bauplatz. Das riesige Heer von Arbeitern – »Steinmetze, Zimmerer, Schmiede und Kalkbrenner, und viele andere Arbeiter, die für das Vorhaben benötigt wurden, ohne jeden Mangel, mit Äxten, Schaufeln, Hacken, Pickeln und anderen Eisenwerkzeugen«16 – begann mit den Bauarbeiten. Baumaterial wurde in schwerfälligen Transportbarkassen über die Meerenge geschafft: Kalk und Brennöfen und Steine aus Anatolien, Holz aus den Wäldern am Schwarzen Meer und aus Izmit, während die Kriegsgaleeren vor der Meerenge patroullierten. Mehmet ritt über den Bauplatz und legte in Abstimmung mit seinen Architekten, die beide christliche Konvertiten waren, die Einzelheiten fest: »Als er die … Grundrisse und Abstände der Türme und Zwischenwälle, dazu noch die Vortürme, die Brustwehren, die Tore und alles Übrige genau und nach seinem Willen skizziert hatte, teilte er das Werk unter den führenden Männern auf…«16 Wahrscheinlich hatte er bereits während des Winters in Edirne Baupläne für die Festung entworfen. Er steckte den Platz ab und setzte den Grundstein. Widder wurden getötet, und ihr Blut vermischte man mit dem Kalk und dem Mörtel der ersten Steinschicht, weil dies Glück bringen sollte. Mehmet war zutiefst abergläubisch und deutete die Zukunft mithilfe der Astrologie; einige Beobachter behaupteten, die eigenartige Form der Festung sei kabbalistischen Einflüssen geschuldet; sie verkörpere die ineinander verschlungenen arabischen Initialen des Propheten – und Mehmets. Wahrscheinlich aber wurde der Grundriss eher von der schwierigen Bodenbeschaffenheit an der Küste des Bosporus bestimmt, die aus »gewundenen Biegungen und…Klippen [bestand], die häufig ins Fahrwasser vorspringen und dann wieder Biegungen und Krümmungen ins Land hinein machen«.18 Das Gelände steigt von der Küste bis zum höchsten Punkt der Anlage immerhin sechzig Meter an.

      Die Arbeiten begannen am 15. April und wurden nach einem Akkordsystem organisiert, das auf einer für Mehmet charakteristischen Mischung aus Drohungen und Anreizen beruhte und für alle Beschäftigten galt, für den höchsten Wesir ebenso wie für den einfachsten Lastträger. Die Anlage bestand aus vier Seiten, an drei Seiten wurden hohe Türme errichtet, die durch massive Mauern verbunden waren, und in der südwestlichen Ecke wurde ein kleinerer Turm gebaut. Die Verantwortung für den Bau der Außentürme – und deren Finanzierung – wurde vier Wesiren Mehmets übertragen, Halil, Zaganos, Schihabettin und Saruja. Sie wurden angehalten, in einen Wettstreit um die schnellste Fertigstellung ihrer Abschnitte einzutreten, was angesichts der erbitterten Machtkämpfe am Hof und der strengen Aufsicht durch den ungeduldigen Sultan, der nun »jeden Gedanken an Entspannung beiseite schob«,19 das Arbeitstempo nachhaltig beschleunigte. Mehmet selbst kümmerte sich um den Bau der Verbindungsmauern und der kleineren Türme. Die Belegschaft aus 6000 Arbeitern, darunter 2000 Steinmetze und 4000 Steinmetzgehilfen sowie viele andere Handwerker, wurde nach militärischen Prinzipien gegliedert. Jedem Steinmetz wurden zwei Helfer zugeteilt, die links und rechts von ihm arbeiteten, und er hatte die Aufgabe, pro Tag einen bestimmten Abschnitt der Mauer fertig zu stellen. Für die Aufrechterhaltung der Disziplin sorgten kadis (Richter), die aus allen Teilen des Reiches zusammengezogen worden waren und auch die Befugnis besaßen, die Todesstrafe zu verhängen; den militärischen Schutz gewährleistete eine große Abteilung der Armee. Zugleich setzte Mehmet »großartige Belohnungen aus für diejenigen, welche dies am besten und schnellsten vollbrächten«.20 In diesem Klima des Wettbewerbs und der Angst hielten es laut Doukas sogar die Adeligen bisweilen für angebracht, die Arbeiter anzuspornen, indem sie selbst Steine und Kalk zu den schwitzenden Steinmetzen schleppten. Die Szenerie wirkte wie eine Mischung aus einer kleinen provisorisch errichteten Stadt und einem großen Bauplatz. Tausende Zelte wurden aufgeschlagen in der Nähe der verfallenen griechischen Stadt Asomaton; Schiffe suchten sich ihren Weg durch die starken Strömungen der Meerenge; Rauch stieg aus den brodelnden Kalkgruben auf; Hämmer klirrten in der warmen Luft; es herrschte lautes Stimmengewirr. Gearbeitet wurde vom Morgengrauen bis spät in die Nacht; Fackeln erhellten die Dunkelheit. Die Mauern, die von einem hölzernen Gerüst umschlossen waren, wuchsen mit erstaunlicher Geschwindigkeit in die Höhe. Am Bosporus zog der Frühling ein; auf den dicht bewaldeten Hängen trieben Glyzinen und Judasbäume ihre Blüten aus; Kastanienkerzen blühten auf wie weiße Sterne; in den stillen Nächten, wenn das Mondlicht auf dem Wasser schimmerte, sangen Nachtigallen in den Kiefern.

      In der Stadt verfolgte man die Arbeiten mit wachsender Beunruhigung. Die Griechen hatten verblüfft das Auftauchen einer bislang unbekannten osmanischen Flotte in der Meerenge registriert. Vom Dach der Hagia Sophia und der Spitze der Sphendone, dem heute noch erhaltenen Halbrund am Südende des Hippodroms, konnten sie das Treiben acht Kilometer flussaufwärts beobachten. Konstantin und seine Minister waren unschlüssig, was sie tun sollten, aber Mehmet legte es darauf an, sie zu provozieren. Schon zu Beginn der Arbeiten holten sich die osmanischen Handwerker Baumaterial aus Klöstern und Kirchen in der Nähe der Festung. Die Menschen in den nahegelegenen griechischen Dörfern und in Konstantinopel betrachteten diese Gebäude nach wie vor als geheiligte Stätten. Zugleich begannen osmanische Soldaten und Bauarbeiter ihre Felder zu plündern. Als der Sommer voranschritt und die Ernte reifte, heizte sich die Stimmung immer mehr auf. Als Arbeiter in der Kirche des Erzengels Michael Säulen abbauten, versuchten einige Dorfbewohner sie daran zu hindern; sie wurden gefangengesetzt und hingerichtet. Doch wenn Mehmet gehofft hatte, Konstantin dadurch zu einem Angriff zu provozieren, hatte er sich getäuscht. Der Kaiser erwog zwar einen Ausfall, aber seine Berater brachten ihn davon ab. Stattdessen entschloss er sich, die Situation zu entschärfen, und bot den Osmanen an, den Bauarbeitern Nahrungsmittel zu schicken, um sie von weiteren Raubzügen auf die Felder abzuhalten. Mehmet erlaubte seinen Leuten daraufhin, ihre Tiere auf den Feldern unbeschränkt weiden zu lassen, und befahl den griechischen Bauern, sie nicht daran zu hindern. Schließlich jagten die verzweifelten Bauern, die nicht mehr mitansehen konnten, wie ihr Getreide zertrampelt wurde, die Tiere davon, worauf es zu einem Scharmützel kam, bei dem auf beiden Seiten Tote zu beklagen waren. Mehmet wies seinen Kommandeur Kara Bey an, die Einwohner des betreffenden Dorfes zu bestrafen. Am folgenden Tag fiel eine Kavallerieeinheit über die nichtsahnenden Bauern her, als sie auf den Feldern ihre Ernte einbrachten, und metzelte sie nieder.

      Als Konstantin von dem Massaker erfuhr, schloss er die Tore der Stadt und ließ alle Osmanen, die sich in der Stadt aufhielten, internieren. Darunter befanden sich auch einige junge Eunuchen Mehmets, die in der Stadt zu Besuch waren. Am dritten Tag ihrer Gefangenschaft baten sie Konstantin um ihre Freilassung und erklärten, ihr Herr würde zornig auf sie werden, wenn sie nicht zurückkehrten. Sie verlangten, man solle sie entweder sofort freilassen oder hinrichten, weil eine spätere Freilassung dazu führen würde, dass sie von der Hand des Sultans sterben würden. Konstantin gab nach und ließ die Männer gehen. Er schickte abermals einen Emissär zum Sultan mit einer Botschaft, aus der gleichermaßen Resignation und Trotz sprachen:

       Es ist klar, dass du den Krieg dem Frieden vorziehst; da ich dich weder durch Beteuerungen meiner Aufrichtigkeit noch durch meine Bereitschaft, dir Untertanentreue zu schwören, zufriedenstellen kann, so sei es, wie du es wünschst. Ich wende mich nun mehr nur zu Gott und

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