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sogenannte Achillesferse“, warf Sergeant Retcliff ein.

      „War Mr. Smith oft zu Hause?“, wollte Harry Rollins wissen.

      Der Nachtportier schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Also ich tippe darauf, dass Mr. Smith auch noch anderswo eine Wohnung oder ein Haus hatte. Manchmal war er eine ganze Woche lang nicht hier.“

      „Was für einen Beruf hatte er?“, fragte Rollins.

      „Keine Ahnung. Aber er war immer gut angezogen. Also muss er einen Job gehabt haben, der ihm was einbrachte.“

      „Wenn er hier war, hatte er dann oft Besuch?“, erkundigte sich Rollins.

      „Er brachte hin und wieder junge hübsche Mädchen mit“, erwiderte der Nachtportier. Er lächelte. „Mr. Smith hat die Girls immer vor mir versteckt.“

      „Warum glauben Sie, hat er das getan?“, fragte Harry.

      Marple zuckte die schmalen Achseln. „Vielleicht waren es verheiratete Frauen. Was weiß man.“ Marple legte beide Hände auf die Brust. „Ich wäre bestimmt der Letzte gewesen, der Mr. Smith deswegen Schwierigkeiten gemacht hätte.“

      „Vielleicht hatte Smith kein Vertrauen zu Ihnen, weil er das nicht wusste“, meinte Rollins.

      „Scheint so“, nickte Marple.

      „Wenn er nun diese Mädchen hierher in seine Liebeslaube brachte“, setzte Rollins die instruktive Einvernahme fort, „kam dann auch hin und wieder mal ein Mann mit?“

      Marple hob erstaunt den Kopf. „Noch ein Mann? Sir, Sie denken doch nicht etwa, dass die dann zu dritt ...“

      Rollins wies auf den riesigen Spiegel. „Wie würden Sie zu diesem Ding sagen, Mr. Marple?“

      Der Nachtportier blickte Harry an, als hätte dieser den Verstand verloren. „Das ist ein Spiegel, Sir.“

      „Sehen Sie, und diese Antwort ist nur bedingt richtig, Mr. Marple.“

      Der Nachtportier schaute Sergeant Retcliff an. „Ist es etwa kein Spiegel?“

      „Doch“, sagte Retcliff. „Es ist einer. Aber nur von dieser Seite. Von der anderen Seite kann man durch ihn hindurchschauen. Einwegspiegel nennt man das. Wir nehmen an, dass sich Mr. Smith hier auf diesem Bett mit dem Mädchen vergnügte, während hinter diesem Spiegel jemand stand, der sich an diesem Spielchen delektierte.“

      Marple schüttelte heftig den Kopf. „Also nein, meine Herren. Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“

      „Eines hat sich bei unserem Gespräch aber doch herauskristallisiert: Dieses Apartment diente Smith als Liebesnest“, fasste Rollins zusammen. „Smith brachte junge, hübsche Mädchen hierher. Das waren doch Ihre Worte, Mr. Marple, oder?“

      „Na ja ...“

      Harry ließ keine Einwände zu. Er fiel dem Nachtportier ins Wort: „Wie ist’s mit gestern, Mr. Marple?“

      „Mit gestern, Lieutenant?“

      „Wen brachte Smith gestern mit?“, fragte Harry Rollins.

      „Gestern? Niemanden. Gestern kam Mr. Smith allein hierher.“

      „Kam das öfter mal vor?“

      „Aber ja.“

      Harry erhob sich. „Vielen Dank, Mr. Marple. Nennen Sie dem Sergeant noch Ihre Adresse. Dann können Sie gehen.“

      Retcliff schrieb auf, was Marple ihm sagte. Der Nachtportier empfahl sich. Er lächelte unsicher. Rollins sah ihm an, dass er sich freute, die Einvernahme hinter sich zu haben.

      Er verließ das Apartment fast fluchtartig. Und um den toten Mr. Smith machte er den größtmöglichen Bogen.

      Rollins wies auf den Leichnam. „Was war er für ein Mensch, Cliff?“ Die Männer vom Leichenschauhaus kamen. Kräftige Kerle, denen der Anblick von Toten nichts ausmachte. Sie rochen nach Schnaps. Das Parfüm dieser Leute. Nicht immer sahen die Leichen, die sie abholten, so gut aus wie Andrew Smith. Manchmal kamen sie an einen Tatort, wo Dynamit oder ein paar Handgranaten ein makabres Puzzlespiel aus dem Opfer gemacht hatten. Wer dann keinen Schnaps braucht, der hat keine Seele in der Brust.

      „Man soll über Tote nicht schlecht reden“, sagte Retcliff. „Aber Smith war ein Weiberheld, wie man so schön sagt, Chef.“

      Rollins lächelte matt. „Ist das denn schlecht über ihn geredet? Vielleicht hätte er es als Kompliment aufgefasst. Weißt du, was mich an ihm stört, Cliff?“

      „Das Loch in seiner Stirn.“

      „Das auch“, sagte Rollins. „Und sein Name.“

      „Das Chicagoer Telefonbuch ist seitenweise voll von Smiths, Lieutenant.“

      „Eben. Und wie nennt sich jemand, der seinen wirklichen Namen nicht preisgeben will? Miller. Brown. Jones. Oder: Smith! Sieh zu, dass du seine Prints kriegst, bevor ihn die Leichenmänner fortschaffen. Kann sein, dass uns das eine kleine Überraschung bringt.“

      Retcliff nickte und wollte starten. Rollins hielt ihn am Arm zurück. Der Sergeant schaute ihn fragend an. „Sag mal, hast du herausgekriegt, wem dieses Apartment gehört, Cliff?“

      „Nicht nur dieses Apartment, das ganze Haus gehört einem einzigen Mann. Er nennt das Gebäude Bellevue-Apartments, weil man einen so herrlichen Blick auf den Michigansee hat.“

      „Wie ist sein Name?“, wollte Rollins wissen.

      „Quincy Danenberg“, antwortete Sergeant Retcliff. Dann ging er zu Smith, um sich dessen Prints zu holen.

      3

      Das Haus war eine teure Angelegenheit. Allein das Darumherum musste ein Vermögen gekostet haben. Tennisplatz, Swimmingpool, Reitparcours, 18-Loch-Golfplatz. Es war alles vorhanden, was Herr Neureich für sein tägliches Trimm-dich-Programm benötigte. Sogar einen automatischen Schießstand gab es. Elektronische Trefferanzeige. Automatische Tontaubenschleuder. Nur schießen musste man selbst. Das alles gehörte Quincy Danenberg. Fünfunddreißig Jahre alt. Junggeselle. Es war ein heißer Julitag. Über den Natursteinen der Terrasse flirrte die Hitze. Im Haus drinnen zauberte die Air-Condition-Anlage eine erträgliche Temperatur in sämtliche Räume.

      Jack O'Reilly schlürfte an seinem Highball. Ein permanentes Grinsen lag auf seinem Gesicht. Er trug Polaroid-Sonnenbrillen. Jetzt nahm er sie ab. Er legte sie vor sich auf den weißen Marmortisch. Die Platte kam aus Carrara. Für Quincy war eben nichts teuer genug.

      „Das halt ich im Kopf nicht aus!“, tönte der schwergewichtige O'Reilly. Er war ein blonder Hüne, zwei Meter groß, ein Ex-Boxchampion von unbändiger Kraft. Und Quincy Danenberg hatte von allem noch eine Spur mehr: Von der Größe, vom Muskelumfang, von der Kraft. „Ich kann’s nicht fassen“, sagte Jack kopfschüttelnd. „Mein guter alter Kumpel Quincy, ein Millionär! Sag mir, wie du das geschafft hast! Als wir beide in derselben Boxstaffel fighteten, da warst du doch noch so arm wie ’ne Kirchenmaus.“

      Danenberg lachte. „Ein Glück, dass das kein Dauerzustand blieb. Als du damals aus Glendale, Arizona, weggingst, machte ich einen Trip nach Los Angeles. Da schlug ich erst mal die

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