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schmaler Assistent mit dicken Gläsern vor den wasserhellen Augen baute sich vor Rollins auf. „Sir ... Chef ... Lieutenant!“

      „Was gibt’s. Mortimer?“

      „Hm ... Wie soll ich’s sagen?“

      „Immer frei von der Leber weg“, sagte Rollins.

      „Hm ... Smith ist uns im Weg, Chef.“

      Rollins erwiderte mit schmalen Augen. „Möchten Sie, dass ich ihn mir auf den Rücken binde?“

      „Oh nein, Sir. Nein. Ich wollte nur den Vorschlag machen ... Ich meine, wenn Sie nichts dagegen haben ... Also wenn Sie die Leiche nicht mehr brauchen, könnten wir sie doch eigentlich aus dem Apartment schaffen.“

      „Wohin wollen Sie denn mit ihr?“, fragte Rollins lauernd.

      „Wir könnten den Toten auf den Korridor legen ...“

      „Damit sich die anderen Hausbewohner vor ihm gruseln?“

      „Aber nein, Sir ...“ Der Assistent hob unbeholfen die Schultern.

      Rollins sagte: „Der Wagen vom Leichenschauhaus trifft in spätestens zehn Minuten hier ein, Mortimer. Können Sie so lange noch warten?“

      „Klar, Lieutenant.“

      „Fein, Mortimer.“

      Der Assistent machte zackig auf den Hacken kehrt, wie er es auf der Polizeischule gelernt hatte, und begab sich wieder an die Arbeit. Rollins wusste, warum der Mann ihm diesen Vorschlag gemacht hatte. Tote Leute schlugen sich auf Mortimers Magen. Dabei hatte sich Mortimer freiwillig zur Mordkommission gemeldet. Was hatte er hier erwartet? Filmleichen? Ketchup statt Blut? Tote, die wieder quicklebendig wurden, wenn der Take „im Kasten“ war?

      Schön wär’s, dachte Rollins seufzend. Er machte den letzten Zug von seiner Zigarette. Die Kippe warf er - wie Retcliff zuvor das Streichholz - zum Fenster hinaus. Aber er passte auf, dass sie keiner Passantin ins Dekolleté fiel.

      Retcliff brachte den Nachtportier.

      Der Mann sah aus wie die sieben mageren Jahre. Sein Gesicht stammte aus der Plisseeanstalt - lauter Falten. Er litt an chronischem Asthma und pfiff mit der Luftröhre schrille Lieder. Oder waren es die Bronchien? Der Mann hieß Hank Marple. Und damit man ihm auf Anhieb ansah, dass er ein Portier war, trug er die Uniform eines solchen. Sein Blick drückte Besorgnis aus. Möglicherweise hatte er einen Tipp bekommen, dass die Welt nicht mehr lange existieren würde. Klar, dass ein solches Wissen belastet.

      Scheu schaute er nach dem Toten.

      „Stört er Sie?“, fragte Rollins. Marple musste zuerst mal schlucken, um eine klare Antwort geben zu können. „Ein bisschen“, sagte er dann.

      „Möchten Sie nach nebenan gehen?“, erkundigte sich Lieutenant Rollins.

      „Nach nebenan?“

      „Ins Schlafzimmer“, sagte Harry.

      „Wenn Sie meinen ...“

      „Es liegt bei Ihnen.“

      „Gut. Schlafzimmer“, nickte der magere Nachtportier.

      Retcliff kam mit.

      Marple nahm auf dem Wasserbett Platz. Scheu wie ein Reh. Und als das Ding zu schaukeln anfing, wollte der Mann erschrocken aufspringen. Rollins legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. „Kein Grund, sich aufzuregen, Mr. Marple. Versuchen Sie sich zu beruhigen.“

      Der Nachtportier starrte auf die geschlossene Schlafzimmertür. „Das ist leichter gesagt als getan, Lieutenant. Möchten Sie hören, was in mir vorgeht?“

      Rollins hob die Schultern. „Wenn Sie’s gern loswerden möchten.“

      „Ich muss immerzu daran denken, dass der Mord passiert ist, während ich Dienst hatte. Theoretisch müsste der Killer an mir vorbeigekommen sein.“

      „Theoretisch ja“, sagte Rollins. „Deshalb habe ich gebeten, dass Sie sich zu unserer Verfügung halten.“

      „Es kam aber kein Fremder an mir vorüber!“, sagte Hank Marple aufgeregt. Seine nervösen Finger verhedderten sich ineinander. Retcliff lehnte sich an die Schlafzimmertür. Im Vertrauen, niemand würde sie in den nächsten fünfzehn Minuten aufmachen, sonst machte er eine saubere Rolle rückwärts. Rollins angelte sich mit dem rechten Bein einen Nylonflauschhocker herbei und setzte sich darauf.

      „Es muss nicht unbedingt ein Fremder den Mord begangen haben“, sagte der Lieutenant.

      Marple riss erschrocken die Augen auf. „Sir ...“

      Harry Rollins winkte ab. „Wenn wir schon bei der Theorie bleiben wollen: Theoretisch könnte es auch einer der Hausbewohner gewesen sein.“

      Marples Asthma wurde sofort schlimmer. „Lieutenant, das ist doch nicht Ihr Ernst, was Sie da sagen.“ Er pfiff jetzt ganz laut.

      „Sie halten das für ausgeschlossen?“, fragte Rollins.

      „Für ganz und gar ausgeschlossen!“, rief Hank Marple heiser.

      „Ihrer Meinung nach wohnen in diesem Apartment ausschließlich saubere Leute.“

      „Das will ich meinen.“

      „Was halten Sie von Andrew Smith?“

      „Auch ein Ehrenmann, denke ich.“

      „Haben Sie eine Ahnung, warum man ihn umgebracht hat?“

      „Nein, Lieutenant. Mr. Smith war ein netter, freundlicher Mensch.“

      „Waren Sie schon mal in diesem Apartment?“, fragte Rollins weiter.

      „Nein, Sir.“

      „Haben Sie sich oft mit Mr. Smith unterhalten?“, wollte Harry wissen.

      „Nein, Sir.“

      „Aber Sie behaupten, Mr. Smith wäre ein netter, freundlicher Mensch gewesen.“

      „So etwas sieht man einem doch an, Lieutenant.“

      „Ihrer Meinung nach lag also kein Grund vor, Smith zu ermorden.“

      „Absolut kein Grund, Lieutenant.“

      „Und doch ist er tot.“

      „Ich stehe vor einem Rätsel.“

      Rollins presste die Kiefer zusammen. Er knurrte: „Sie stehen da nicht allein, Mr. Marple. Der Sergeant und ich leisten Ihnen dabei Gesellschaft. Angenommen, der Mörder ist keiner der Hausbewohner. Wir werden das natürlich noch überprüfen. Angenommen, der Killer kam auch nicht an Ihnen vorbei. Ich baue doch darauf, dass Sie in der vergangenen Nacht auf Ihrem Posten waren, Mr. Marple!“

      Der Nachtportier wurde um eine Nuance bleicher. „Lieutenant, was Sie mir da offenbar zu unterstellen versuchen ...“

      Rollins winkte ab. „Geschenkt, Mr. Marple. Sie müssen mich verstehen. Ich kenne Sie nicht. Ich kenne Ihre Dienstauffassung nicht. Und ich muss mir eine Basis schaffen, von der aus ich operieren kann. Also Sie waren die ganze Nacht in Ihrer Portiersloge.“

      „Ja.“ Das kam knapp, aber bestimmt. Marple legte größten Wert darauf, dass der Lieutenant ihm das glaubte.

      „Gut“, sagte Harry. „Der Killer kam also nicht an Ihnen vorbei. Dass er aber im Haus war, können wir nicht wegleugnen. Also: Wie kam er hier rein, ohne von Ihnen gesehen zu werden?“

      „Feuertreppe“, sagte Hank Marple sofort. „Er kann nur über die Feuertreppe gekommen sein.“

      „Ist die frei zugänglich?“, erkundigte sich Rollins.

      „Natürlich nicht. Sämtliche Türen sind abgeschlossen, Aber, im Vertrauen gesagt, die Schlösser bringt jeder Ganove im Handumdrehen auf.“

      Rollins

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