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dass der Scabbard am Sattel des reiterlosen Wells Fargo Pferdes leer gewesen war.

      »Schieß nicht, Mister, ich bin keine Rothaut!«, rief er gedämpft. Keine Antwort. Vorsichtig schob er sich weiter. Nasse Blätter streiften sein Gesicht.

      Unvermittelt starrte er in das schwarze Todesauge einer Gewehrmündung. Der Besitzer der Waffe lehnte zusammengesunken an einem Felsen. Clay schaute in ein nasses, schmerzverzerrtes, dunkelhäutiges Gesicht. Zwei Schritte neben dem Felsen lag ein Indianer. Ein Messer steckte in seiner Brust. Das Gewehr sank plötzlich herab.

      »Sie schickt der Himmel, Mister!«, kam es ächzend über die blutig gebissenen Lippen des Schwarzen. »Sagen Sie mir eins - wie weit ist es noch bis Julesburg?«

      »Zu weit, dass du die Stadt noch jemals zu Gesicht bekommen wirst, mein Junge«, lag es Clay auf der Zunge, nachdem er die hässlich klaffende Wunde in der Brust des Mannes entdeckt hatte. Aber er schwieg. Der Schwarze atmete stoßweise. Sein Blick war an Clays Miene festgebrannt.

      »Sieht nicht gut aus, Mister, wie?« Clay hob den Kopf. Der Schwarze versuchte ein Lächeln. Es wurde nur eine Grimasse daraus. »Bin trotzdem froh, dass Sie mich gefunden haben, Mister. Mein Name ist Sam Talbot. Rutland, mein Boss, hat mich losgeschickt, damit ich Hilfe für die Liberty Station am Lodgepole Creek hole.«

      »Arbeitest du dort?«

      Talbot schüttelte den Kopf.

      »Rutland besaß früher mal eine Plantage in Georgia. Dann hat er als Major in der Südstaaten Armee gedient. Ich mit ihm. Denn ich war sein Sklave. Später dann ... Ich war ihm Geld schuldig. Er hat sich auch sonst um mich gekümmert. Nun waren wir mit der Overland Mail nach Julesburg unterwegs. Da kamen die Cheyennes dazwischen ... Hören Sie, Mister, die Station ist umzingelt! Die Leute dort sind verloren, wenn ...«

      Clay konnte ihn gerade noch festhalten. Der Kopf des Sterbenden lag an seiner Schulter.

      »Julesburg!«, keuchte der Mann. »Hilfe ...«

      »Schon gut, Amigo, schon gut!« Vorsichtig legte Clay den Schwerverletzten auf den Boden. Es gab nichts mehr, was er für ihn tun konnte. Er dachte an die Cheyennes, die vielleicht jetzt schon Julesburg ebenso umzingelt hatten wie die Relaisstation am Lodgepole Creek. Aber er sagte nichts davon.

      »Lassen Sie sie nicht im Stich, Mister!«, bat Talbot mit verlöschender Stimme. »Es ist eine Frau dort. Sie wollte nicht zulassen, dass ich ritt. Sorgen Sie dafür, dass sie nicht den Cheyennes in die Hände fällt. Versprechen Sie's!«

      Dieser Blick! Clay konnte nicht anders.

      »Ich verspreche es!«, murmelte er rau.

      Talbot entspannte sich seufzend.

      »Ich hatte wohl vom ersten Augenblick an keine Chance«, sagte er leise. »Ich hab’s gewusst - und Rutland sicherlich auch. Der Himmel mög’ es mir verzeihen, aber ich hasse ihn dafür!«

      Es waren seine letzten Worte. Clay hielt noch seine Hand, als sein Atem erlosch. Der Regen perlte wie Tränen über Sam Talbots braunes Gesicht. Nach einer Weile stand Clay auf. Er hatte weder die Zeit, noch die Werkzeuge, diesem Mann ein Grab zu schaufeln, wie er’s verdient hätte.

      Namen und Bilderfetzen flogen ihm durch den Kopf. Julesburg, Liberty Station, Rutland, Bancroft ... Und immer wieder Rhett! Rhett, der sein Freund gewesen war. Rhett, der mit dem Revolver in der Faust auf ihn zugesprungen war, als der Kampf am heißesten um sie herum getobt hatte.

      Müde, mit einem wie um Jahre gealterten Gesicht, machte Clay Lorman sich auf den Rückweg zu seinem Pferd.

      5

      Clinton fluchte erbittert, als er sich nach dem berstenden Knall und dem Ruck, der ihn fast vom Bock geschleudert hätte, die Bescherung sah. Das rechte Hinterrad der Concord-Kutsche bestand nur mehr aus Trümmern. In voller Fahrt war es gegen einen im Gras am Wegrand verborgenen Stein geprallt. Der Tag ging zur Neige, und die mit dem Regen vermischte Dunkelheit schob sich wie eine drohende Mauer von allen Seiten heran.

      Wie ein leckgeschlagenes Schiff stand das Fahrzeug acht Meilen östlich der Liberty Station auf der Büffelgrasebene. Müde ließen die Pferde die Köpfe hängen. Eine jähe Bö zerrte an ihren Mähnen und Schweifen. Bancrofts Mantel flatterte. Der hagere Bankier hielt wieder seinen schmalen, schwarzen Holzkoffer unterm Arm.

      »Um Himmels willen, was machen wir nun?« Clinton antwortete nicht. Er ging nach vorn und begann die Gäule auszuschirren. Bancroft keuchte hinterher. Er beachtete es nicht, dass der nächste Windstoß seinen Zylinderhut davonriss. Eine spiegelblanke Glatze kam zum Vorschein. »Können wir denn nicht das Reserverad aufziehen?«

      Clinton starrte ihn finster an.

      »Sie würden sich nur unnötig die Finger dreckig machen. Zu zweit schaffen wir's ja doch nicht.« Er streifte Bancrofts klapprige Gestalt mit einem verächtlichen Blick. Dann kehrte er ihm wieder den Rücken zu.

      »Clinton, Sie wissen doch, dass ich nicht reiten kann!«, jammerte der Bankbesitzer.

      »Lernen Sie’s oder lassen Sie’s auch bleiben, ganz wie Sie wollen!«, knurrte Clinton, ohne in seiner Arbeit einzuhalten.

      Stephen Bancrofts Augen weiteten sich. Er dachte an die Männer, die Clintons Freunde gewesen waren. Und doch hatte Clinton sie ohne mit der Wimper zu zucken in den Hügeln zurückgelassen.

      »Clinton, wenn Ihnen die tausend Dollar nicht genügen, könnten wir ja einen neuen Preis aushandeln.«

      Der hochgewachsene Spieler und Revolvermann drehte sich langsam um. Sein glattes Gesicht war angespannt. »Ach ja?«

      Bancroft nickte eifrig.

      »Hundert oder zweihundert Dollar mehr, daran soll's nicht liegen.«

      »Haben Sie denn so viel Geld bei sich, Bancroft?«

      »Gewiss! Ich ...« Bancroft stockte, als er bemerkte, wie Clinton plötzlich auf den Holzkoffer starrte. Langsam ging er rückwärts.

      »Zwölfhundert Dollar, Clinton!«, rief er. »Das sollte den Versuch lohnen, das Rad auszuwechseln.« Er war erschrocken über die plötzliche Gier und Wildheit in den Augen des Revolvermannes.

      Clinton bewegte sich katzenhaft auf ihn zu. Bancroft prallte gegen die Kutsche, als er ausweichen wollte. Inbrünstig presste er den Koffer an sich. Clinton streckte eine Hand aus. Da kam plötzlich Wolfsgeheul aus dem Regen und der Dunkelheit.

      Clinton schnellte herum. Im selben Moment hielt er auch schon seinen Colt in der Hand. Der Wind peitschte ihm den Regen ins Gesicht. Bancroft zitterte. Als er etwas sagen wollte, winkte Clinton heftig ab. Der Wolf heulte wieder, näher als zuvor. Vergeblich versuchte Clinton herauszufinden, ob dieses Heulen tatsächlich aus der Kehle eines Tiers kam. Die Pferde schnaubten. Witternd hoben sie die Köpfe gegen den Wind. Ihre Ohren zuckten.

      Clinton duckte sich. Ein großer, verwischter Schatten kam durch den Regen auf sie zu. Clinton streckte die Hand mit der Waffe aus und zielte. Da erkannte er, dass es ein Pferd war, gesattelt, aber ohne Reiter. Es schien vor dem Wolfsgeheul zu fliehen, das nun aus verschiedenen Richtungen kam. Die vom Regen aufgeweichte Erde schmatzte unter seinen Hufen.

      Ein Reitpferd mit einer Winchester im Scabbard, prallen Satteltaschen und einer Deckenrolle, das war genau das, wofür Rhett Clinton jetzt jeden Preis bezahlt hätte. Er lief auf das Tier zu.

      »Nein!«, krächzte Bancroft. Er machte eine verzweifelte Geste. Der Holzkoffer klatschte vor seine Füße.

      Der Braune stand friedlich da. Clintons Hand umschloss das Sattelhorn. Bevor er sich hinaufschwingen konnte, sagte eine kalte Stimme neben der Stagecoach: »Das wäre Pferdediebstahl, Rhett. Du weißt doch, dass darauf der Strick steht.«

      Die Stimme traf Clinton und Bancroft wie ein Faustschlag. Lautlos wie ein Schatten schob sich Clay Lorman an der Kutsche vorbei. Der große, hagere Mann schien den Wind und Regen nicht zu spüren. Der 44er Army Colt lag wie festgeschmolzen

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