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Sein Lee Enfield Karabiner hämmerte.

      Im Süden und Westen brandete die Woge der Angreifer zurück. Viel zu schnell sanken die Flammen tiefer. Der Lichtkreis schmolz. Auf einmal wurde weiter von der Station entfernt heftig geschossen. Dann glaubten die Verteidiger nicht richtig zu hören. Peitschengeknall und Rädergeratter durchdrang den Lärm. Nach Sekunden atemlosen Lauschens gab es keinen Zweifel mehr. Eine Kutsche raste da in voller Fahrt über die Prärie heran. Nun tauchten auch die Krieger, die Slaughters und Rutland bedrängten, schemengleich in die Finsternis zurück.

      »Talbot hat’s geschafft!«, brüllte Mclntosh begeistert. »Hurra, sie kommen, sie hauen uns heraus!«

      Als er zum Tor wollte, wirbelte Rutland herum. Sein Schuss hieb knapp vor dem Büffeljäger in den Boden. Schlamm spritzte hoch.

      »Das ist doch nur ein Trick!«, rief der ehemalige Südstaatenmajor wütend. »Auch wenn Sam tatsächlich durchgekommen ist, können die Männer aus Julesburg unmöglich schon hier sein.«

      Mclntosh starrte ihn betroffen an. Das Wirbeln der Hufe und Räder fegte im Höllentempo durch den Regen und die Dunkelheit heran. Wenn es für die Durchbrechenden eine Chance gab, dann war es die Tatsache, dass die Cheyennes ausnahmsweise nicht auf ihren wendigen, schnellen Mustangs saßen.

      »Aufmachen! Lasst uns rein!«, gellte eine undeutliche Stimme.

      Aber Rutland schrie: »Es sind Rothäute! Weiß der Henker, wo sie die Kutsche erbeutet haben! Bleibt ja stehen! Ich schieße jeden nieder, der das Tor öffnen will!«

      Joana verharrte sekundenlang, als wäre sie von einer Geisterhand angerührt worden. Der Ruf zuvor ... Clays Stimme ... Auch wenn anstatt zwei, zwanzig Jahre seit damals vergangen wären, hätte sie sie überall sofort wiedererkannt. Rutlands Karabiner war ihr plötzlich egal. Sie lief zum Tor. Keuchend zerrte sie an dem klobigen Balkenriegel.

      »Holt sie da weg!«, schrie Rutland.

      Draußen tauchte das wild schlingernde Fahrzeug aus der Dunkelheit auf. Ein Reiter jagte neben dem Gespann. Mündungsfeuer glühten.

      »Das sind Weiße!«, brüllte Mclntosh. Da hatte Joana schon das Tor aufgezerrt. Es dauerte nur mehr Sekunden, bis die Pferde an ihr vorbeirannten.

      Hinter der Kutsche schnellten die Cheyennekrieger wie Raubkatzen aus den Regenschwaden. Mclntoshs Colt krachte. Der Reiter neben der Stagecoach schwenkte sofort herum und schoss ebenfalls.

      »Tor zu!«, kommandierte Rutland überflüssigerweise.

      Da waren sie schon da. Vier, fünf bronzehäutige, nässetriefende Gestalten. Sie schwangen Messer, Tomahawks und Schädelbrecher. Mit wütendem Gebrüll stürzte ihnen Mclntosh entgegen. Donnernd verließ die letzte Kugel seinen Colt. Dann schlug er dem vordersten Angreifer den Stahllauf quer übers Gesicht, entriss dem Zusammenbrechenden das Kriegsbeil und erwischte damit den nächsten Gegner. Im selben Moment war schon der Mann auf dem schlammbespritzten Pferd neben ihm. Seine Winchester spie Feuerlanzen. Die restlichen Angreifer wurden wie von einer Explosion durcheinandergewirbelt. Mclntosh blutete aus einer Messerwunde am Arm. Er spürte es nicht. Schnaufend drückte er das Tor zu. Die Bohlen erzitterten unter dem Anprall von Gewehrkolben und Tomahawks. Der Hüne stemmte sich mit aller Kraft dagegen, bis Joana wieder den Riegel vorgelegt hatte.

      Zehn Schritte rechts vom Tor tauchten bemalte Gesichter über den zugespitzten Pfählen auf. Der erste Cheyenne, der sich herüberschwingen wollte, bekam Rutlands Kugel mitten ins Gesicht. Da versuchten sie es auch auf Slaughters Seite.

      Der städtisch gekleidete Mann auf dem Kutschbock war aufgesprungen. Den Colt in beiden ausgestreckten Händen, feuerte er so kaltblütig und konzentriert wie auf dem Schießstand. Seine Kugeln schleuderten zwei, drei Indianer von den Palisaden. Einer der Angreifer jedoch warf sich mit zum Stoß erhobener Messerfaust auf Slaughter, riss ihn um und wälzte sich mit ihm in verbissenem Kampf am Boden.

      Rutland eilte dem Stationer zu Hilfe. Da rollte sich Slaughter bereits unter der jäh erschlafften Gestalt seines Gegners hervor. Die anderen Indianer waren plötzlich wie von der Nacht verschluckt. Der Kampflärm war verstummt. Ein paar Flammen züngelten noch aus der Petroleumtonne.

      Eine dumpfe Benommenheit hatte die Menschen in der Station erfasst. Ihr Atem flog. Sie brauchten eine Weile, bis sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnten und begriffen, wie knapp sie eben dem Tod entronnen waren. Sogar der abgebrühte Mclntosh schauderte. Er war fast froh, dass die blutende, aber ungefährliche Messerwunde an seinem linken Arm ihm einen Grund zum Fluchen lieferte.

      Müde glitt Clay Lorman aus dem Sattel. Als Erstes lud er sofort wieder seinen Colt und seine Winchester nach. Dann steckte er die Waffen weg und wischte sich mit dem Ärmel den Regen und Schlamm vom Gesicht. Mitten in der Bewegung stockte er. Drei Schritte vor ihm stand Joana.

      7

      Sie hatte den Hut verloren. Das im Nacken verknotete Haar war aufgegangen. Der Regen klebte es an ihren Kopf. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen. Dieses Gesicht, mit den meergrünen Augen und dem sinnlichen, zugleich herben Mund, faszinierte Clay noch ebenso wie damals, als er sie kennengelernt hatte. Er ließ die Hand sinken, trat einen Schritt auf sie zu und blieb sofort stehen, als er das Erschrecken in ihrem Blick sah. Einen Moment schien es, als wollte sie sich herumwerfen und vor ihm fliehen. Er spürte einen kurzen, heftigen Stich. Dann hatte sie sich gefangen. Ihre Miene wurde ausdruckslos.

      »Es kann kein Zufall sein, dass du hier bist, Clay«, sagte sie leise. Der Klang ihrer Stimme ließ sein Herz hämmern. Alles, was um ihn vorging, war wie ausgelöscht. Er sah nicht, wie Clinton sich vom Bock schwang und Bancroft und Scobey aus der Kutsche kletterten.

      »Ich habe dich und Rhett gesucht.«

      Ein bitteres Lächeln huschte um ihren Mund.

      »Nichts ist mehr ungeschehen zu machen, Clay. Es wäre besser gewesen, wir wären uns nie mehr begegnet.«

      »Ich weiß, dass du mit Rhett damals aus Illinois fortgezogen bist, weil du mich für tot gehalten hast.«

      »Was ändert das?« Ihre Stimme klang müde. »Nein, Clay, ich hab’ nicht vor, mich vor dir zu rechtfertigen. Sicher, Rhett ist damals mit der Nachricht aus dem Krieg zurückgekehrt, dass du tot bist. Aber seitdem ist zu viel geschehen, als dass wir beide wieder da anfangen könnten, wo der Krieg damals einen Trennstrich zog.«

      Er hatte Clinton vergessen. Die Kugel, die ihn damals mitten im Kampfgetümmel niedergestreckt hatte, war nicht mehr wichtig. Alles, was zählte, war diese Frau. Er liebte sie noch genauso verzehrend wie damals. Es war verrückt gewesen, sich in dieses Kaff in New Mexico zurückzuziehen und sie vergessen zu wollen. Er hatte es nicht geschafft und würde es nie schaffen.

      »Was zur Hölle, wollen Sie von Joana?« Slaughter stand plötzlich neben der Frau. Sein unrasiertes, von der Anstrengung und Gefahr gezeichnetes Gesicht drückte Misstrauen und Feindseligkeit aus.

      »Schon gut, Dave«, sagte Joana. »Er ist ein alter Bekannter von mir, der ...«

      »Hören Sie, Mister, lassen Sie Joana in Ruhe, wenn Sie keinen Ärger mit mir kriegen wollen!« Besitzergreifend legte der Stationer einen Arm um sie.

      Clay entging nicht, wie Joanas Schultern sich unmerklich verkrampften. Seine Kehle wurde trocken.

      »Bist du seine Frau?«

      »Was geht Sie das an?«, schnappte Slaughter eifersüchtig. Seine Rechte senkte sich auf den Revolver. »Spielen Sie sich bloß nicht auf, Mister! Hier bin ich der Boss!«

      »Gratuliere!«, erwiderte Clay trocken.

      »Clay!« rief die Frau, als er sich abwenden wollte. »Es spielt keine Rolle, ob ich mit Dave verheiratet bin oder nicht. Es kommt nur darauf an, dass Dave für mich da war und eine Menge Geduld mit mir hatte, als ich das Leben in den Saloons und Spielhöllen nicht mehr ertrug. Ich stehe tief in seiner Schuld, Clay. Und niemand, auch du nicht, wird mich davon abhalten, diese Schuld zu begleichen.«

      Ein

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