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genug Verrückte da draußen auf der Overland Road nach Cheyenne unterwegs. Glauben Sie mir, ich weiß, was ich sage, Scobey: Von denen sehen Sie keinen lebend wieder!«

      4

      Bancroft streckte seinen Kopf aus dem scheibenlosen Fenster, als die Kutsche plötzlich hielt. Der von Kugeln und Pfeilen lädierte Aufbau schwankte noch in den Lederschlaufen. Clinton und der bullige Schießer, der mit ihm auf dem Bock gesessen hatte, gingen an den Pferden vorbei nach vorn.

      »Was ist denn?«, wollte Bancroft beunruhigt wissen. Doch ihre Aufmerksamkeit galt irgendetwas, das vor der Kutsche auf dem Weg lag. Die Overland Road war hier nichts weiter als eine von Rädern und Hufen getrampelte Präriepiste. Sie schlängelte sich durch ein Gewirr niedriger, buschbestandener Hügel. Da und dort ragten Felskegel aus dem Büffelgras. Es nieselte. Die Konturen verschwammen in bleiernem Grau. Das Fell der Pferde glänzte.

      Mit grämlicher Miene kletterte Bancroft aus dem Fahrzeug. Die beiden übrigen Revolvermänner folgten ihm. Die seit Wochen ausgetrocknete Erde saugte die Feuchtigkeit auf wie ein Schwamm. Bancroft stellte den Mantelkragen hoch und hielt seinen Zylinder fest, obwohl kein Lüftchen sich bewegte. In dem schwarzen, bis zu den Knöcheln reichenden Mantel sah er wie eine Vogelscheuche aus. Bancrofts Blick flackerte nervös über die Büsche und Felsen an den Hängen. Plötzlich blieb er ruckartig stehen. Gebannt starrte er auf den gebleichten Büffelschädel, der vor Clinton und dem Bulligen auf dem Trail lag. Der leichte Regen hatte die aufgemalten Zeichen noch nicht abgewaschen. Ein rot befiederter Pfeil ragte aus dem linken Augenloch.

      »Was zur Hölle hat das denn zu bedeuten?«

      Rhett Clinton lächelte.

      »Die Cheyennes sind höfliche Burschen, auch wenn sie in den Städten und Forts als blutrünstige Wilde verschrien sind. Sie warnen ihre Feinde, bevor sie kommen, um ihnen die Kehle durchzuschneiden.«

      Bancroft schluckte und blinzelte, als wüsste er nicht, ob Clinton ihn nicht bloß auf den Arm nehmen wollte. Die finster verkniffenen Mienen der anderen verrieten ihm jedoch genug. Auch Clintons Lächeln war plötzlich fort.

      »Ich bin ja kein großer Indianerspezialist«, sagte er hart, »aber soviel ist klar: Die Cheyennes bewachen den Trail! Der verdammte Büffelschädel da bedeutet nichts anderes, als dass die Knochen jedes Weißen, der diesen Weg benutzt, genauso im Regen vermodern ...« Er lauschte. Seine Rechte glitt zum Sechsschüsser. Dann hörte es auch Bancroft. Der allmählich zunehmende Regen dämpfte das ohnehin verschwommene Geräusch. Hufschlag! Irgendwo hinter den Hügeln nördlich der Overland Road waren Reiter unterwegs. Bancrofts Begleiter schwärmten lautlos aus. Jeder hielt die Waffe in der Faust.

      »Rothäute?«, krächzte der Bankier.

      Der Bullige spuckte aus.

      »Ihre Stammtischbrüder aus Omaha sind es jedenfalls bestimmt nicht!«

      Das Hufgetrappel kam näher. Plötzlich setzte es aus. Die Männer warteten gespannt. Nichts. Eine Minute verstrich. Der Nieselregen hüllte die Prärie in trüben Dunst. Der Tag war über das Stadium der Dämmerung nicht hinausgekommen.

      »Es heißt, diese Bastarde können ’nen Feind auf eine halbe Meile gegen den Wind wittern«, murmelte der Bullige gepresst. »Rhett, wenn's nach mir geht, steigen wir wieder in die verdammte Kutsche und sehen zu, dass wir schnellstens nach Julesburg zurückkommen.«

      Bancroft zuckte zusammen. »Das ist gegen unsere Abmachung!«

      »Glauben Sie bloß nicht, Sie kommen auch mit den Cheyennes ins Geschäft! Wissen Sie, wie diese Bastarde bei den anderen Stämmen genannt werden?« Er grinste verkniffen, als der Bankbesitzer ihn bleich und entsetzt anstarrte. »Das Armabschneidervolk! Raten Sie mal, wieso ...«

      »Ruhe, verdammt!«, zischte Clinton.

      Das Pochen der Hufe war plötzlich wieder zu hören, nur mehr durch eine Hügelreihe von der mitten auf der Piste wartenden Stagecoach entfernt. Der Regen hüllte alles in dichte, graue Schleier.

      »Da!« Einer von Clintons Gefährten wirbelte herum und stieß die Waffe hoch.

      Gleichzeitig ertönte ein kehliger Schrei. Ein Schwirren folgte. Der Pfeil verfehlte den Revolvermann um Handbreite, streifte Bancrofts Mantel und blieb im Zuggeschirr des linken vorderen Gespannpferdes stecken.

      Im nächsten Moment versank alles im Krachen der Colts. Zwanzig Yards vor der Kutsche stob eine schattenhafte Reitergestalt über die Postkutschenstraße. Die Dämmerung der Hügel verschluckte sie. Nichts rührte sich mehr.

      Unbewusst rückten Bancrofts Leibwächter dichter zusammen. Ihre Blicke versuchten, den Regen und das Zwielicht zu durchdringen. Clinton halfterte schließlich seinen Colt. Zögernd folgten die anderen diesem Beispiel.

      »Sie sind da!«, flüsterte der Bullige. »Vielleicht sind’s bis jetzt nur ein paar Späher. Aber du kannst Gift darauf nehmen, Rhett, dass wir sie nicht mehr loswerden, bis ...«

      Clinton ging an ihm vorbei, zog den Pfeil aus dem Lederstrang und betrachtete ihn gleichmütig. Der Bullige trat zu ihm.

      »Menschenskind, Rhett, was nützt es uns, wenn Bancroft uns das Blaue vom Himmel verspricht und wir dafür unter den Skalpmessern dieser roten Teufel landen. Wir müssen nach Julesburg zurück, Rhett! Die zwanzig Meilen schaffen wir vielleicht noch. Es ist unsere einzige Chance!«

      Clinton zerbrach den Pfeil und ließ die Teile achtlos fallen. Auf dem Gesicht des Bulligen vermischten sich Schweiß und Regenwasser. Clinton sah ihn an.

      »Du hast gewusst, dass es nicht leicht sein würde, Joe. Wenn du so schnell die Hosen voll hast, hättest du in Haskells Saloon bleiben sollen. Wir fahren weiter!«

      »Ich weiß nicht, Rhett, vielleicht hat Joe doch recht.« Eine Messernarbe ,zierte‘ die Wange des Sprechers. »Wenn wir bereits zwanzig Meilen hinter Julesburg mit den Cheyennes zusammenrumpeln, wie sieht’s dann erst weiter im Westen aus? Der Satan weiß, ob da überhaupt noch eine von den Stationen steht, auf denen wir frische Gäule bekommen wollen.«

      »Du willst also auch zurück, Mac?«

      »Nicht nur Mac«, brummte der dritte Mann.

      Clinton trat einen Schritt zurück. Seine Augen funkelten, seine Schultern spannten sich.

      »Hey, das sieht ja ganz nach einer netten kleinen Meuterei aus!«

      Bancroft krächzte: »Clinton, Sie sind dafür verantwortlich, dass diese Männer ihre Pflicht tun. Sie haben versprochen ...«

      »Halten Sie den Mund!«, sagte Clinton barsch. Er ließ die anderen nicht aus den Augen.

      Joe, der Bullige, hob beschwörend eine Hand.

      »Sei doch vernünftig, Rhett! In Julesburg hat alles eben noch ganz anders ausgesehen. Hier draußen aber ...« Er brach ab, zog die Schultern hoch und lauschte wieder. Ein Flackern war in seinen Augen. »Nein, Rhett, ich pfeif auf Bancrofts Geld! Jede Minute, die wir hier verlieren, kann uns die Skalps kosten. Los, Jungs, verschwinden wir!«

      Er drehte sich zur Kutsche um. Die anderen schlossen sich an. Da zog Clinton den Colt.

      »Nicht nach Julesburg, Freunde!«

      »Aber ...« Joe verstummte, als er die Waffe in Clintons Hand sah. Der mit der Messernarbe schüttelte den Kopf.

      »Mach keinen Quatsch, Rhett! Du kannst auch mit dem Schießeisen nichts dran ändern, dass du überstimmt bist.«

      »Von einer Abstimmung war nicht die Rede«, lächelte Clinton gefährlich.

      Die Männer duckten sich.

      »Du kannst nicht den ganzen langen Weg nach Cheyenne mit der Waffe auf uns aufpassen!«, zischte Mac.

      »Habe ich auch nicht vor«, erwiderte Clinton kalt. »Abschnallen!«

      Vielleicht hatten sie eben noch an einen Bluff geglaubt. Die Schärfe seines Tons

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