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Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
Читать онлайн.Название Ein Buch für Keinen
Год выпуска 0
isbn 9783347043282
Автор произведения Stefan Gruber
Жанр Афоризмы и цитаты
Издательство Readbox publishing GmbH
Kapitalistische Produkte
… Siege über Krebs, Syphilis und Tuberkulose werden ebenso kapitalistische Großtaten sein, wie es Autos, Erdölleitungen und Bessemer Stahl waren.
Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie
Weil der Staat am Ende eines großen kapitalistischen Zyklus mehr und mehr die Rolle des Nachschuldners übernimmt (Inflation) und so eine Zeit lang den einbrechenden Konsum und die stagnierenden Löhne kaschiert (Deflation), verlagern sich die Investitionen der Mittel- und Oberschicht, aber auch der Unternehmen und Geschäftsbanken, mehr und mehr in die Finanzwirtschaft, die allein noch Rendite verspricht und sich deshalb sukzessive von der Realwirtschaft entkoppelt. Kredite dienen zunehmend der Spekulation, was das Wirtschaftswachstum weiter abwürgt. Diese Spekulationen führen zuerst zu steigenden Aktienindizes, dann steigenden Immobilienpreisen und leiten am Ende eine Rohstoff-Hausse ein. Letztere schlägt dann wiederum auf die Konsumgüter durch und wird beim Endverbraucher in der Geldbörse gespürt, weshalb ein Steigen der Rohstoffpreise auch den logischen Schlusspunkt des letzten debitistischen Durchlaufs markiert, der in einer jahrzehnte- bis jahrhundertelangen Krise mündet.
Bis es aber dazu kommt, hat der Kapitalismus riesigen Anteil an der geistigen, psychischen und sozialen Entwicklung seiner Träger. Um das zu verstehen, halten wir vorerst fest: Jeder kapitalistische Boom ist inflationär, weil die große Menge an aufgenommenen Krediten durch die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zuerst einen inflationären Impuls setzt, bevor dieser durch Wirtschaftsleistung zur Bedienung der Kredite wieder abgebaut wird. Ignoriert man die Staatsverschuldung, die das Preisniveau dauerhaft hebt, so ist Inflation immer ein Kind des Termins. Je höher die Nettoneukreditaufnahme in einem bestimmten Zeitraum, desto höher der inflationäre Impuls. Werden die Kredite durch Leistung beglichen, sinkt das Preisniveau wieder. Werden mehr Kredite beglichen als neue aufgenommen, was nach einem inflationären Boom die Regel ist, kommt es zum rezessiven Bust, im schlimmsten Fall zur Deflation.
Wenn Sie sich also bisher immer gefragt haben, was es mit diesem Dogma in Politik und Medien vom ewigen Wirtschaftswachstum1 (ergo ewige positive Nettoneuverschuldung mit anschließender Leistung) auf sich hat oder warum eine Notenbank 2% Inflation als geldwertstabil und erstrebenswert ansieht, dann wissen Sie es jetzt. Sie sind damit gleichzeitig klüger als alle Politiker und die überwiegende Mehrheit aller Ökonomen, die diesen Mechanismus noch nicht durchschaut haben und stattdessen bloß merken, dass ein Stagnieren (oder gar Kontrahieren) der Wirtschaftsleistung immer mit Wohlstandsverlust, Arbeitslosigkeit und sozialen Spannungen einhergeht.
Inflation, Deflation und der Einfluss der Notenbanken
Für interessierte und ökonomisch versierte Leser will ich an dieser Stelle einige irrige Annahmen des Mainstreams zum Thema Inflation und Deflation klarstellen. Die modernen Vertreter der ökonomischen Kaste hängen noch immer der falschen, von der österreichischen Schule der Nationalökonomie beeinflussten, Ansicht an, dass ein Anwachsen der Geldaggregate, d.h. des Bargeldes, Buchgeldes und aller davon abgeleiteten Derivate (M0, M1, M2, M3), irgendwann als starke Inflation durchbricht. Sie sprechen dann gern von »Geldmengen«. Je größer diese »Geldmenge« sei, desto stärker die Inflation in der Zukunft (!), wenn sich dieses Geld, so die Meinung, durch die Wirtschaft gefressen habe. Diese Ansicht ist vollkommen falsch. Existierendes Geld, wie Bargeld oder Buchgeld, hat bereits gekauft, d.h. es war bereits nachfragewirksam. Wenn ein Unternehmer einen Kredit aufnimmt, d.h. im Sinne der »Austrians« die Geldmenge erhöht und damit ein Produkt A kauft, dann entsteht damit eine Nachfrage nach diesem Produkt und sein Preis erhöht sich. Das bedeutet, dass der Kredit bereits inflationär wirksam war – und zwar zum Zeitpunkt des Kaufes und nicht irgendwann in der Zukunft. Gleichzeitig aber muss der Kreditnehmer etwas leisten, d.h. er muss Waren produzieren oder eine Dienstleistung anbieten, um Geld zur Rückzahlung seines Kredites zu erwirtschaften. Wo er also auf der einen Seite eine inflationär wirkende Nachfrage nach einem Produkt oder einer Dienstleistung in die Welt setzt und so den Preis erhöht, muss er auf der anderen Seite ein Angebot (!) an Waren oder Dienstleistungen in die Welt setzen, das den durchschnittlichen Preis von Waren oder Dienstleistungen senkt, d.h. deflationär wirksam ist. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, wer diesen Kredit aufnimmt. Auch der Arbeitnehmer, der damit seine Wohnung finanziert und so die Wohnungspreise treibt, hilft in der Firma, in der er angestellt ist, Produkte zu schaffen, d.h. das Preisniveau dieser Produkte durch Angebote zu senken. Die gesamte Wirtschaft besteht nach Paul C. Martin aus lauter solchen Mini-Inflationen und Mini-Deflationen, sodass das Preisniveau insgesamt stabil bleiben sollte. Das tut es aber nicht, da, wie wir schon erläutert haben, in einer Boom-Phase zuerst die Kreditmenge steigt (Inflation), bevor das Bruttoinlandsprodukt nachziehen kann (Deflation). Man kann Inflation auch definieren als »noch nicht erbrachte Leistung«. Inflation hängt also eng mit dem debitistischen Termin- und Zeitphänomen zusammen. Es gibt nur einen Akteur, der das Inflationsniveau dauerhaft hebt: Der Staat, weil er auf Schuldenbasis konsumiert, ohne zu leisten. Ein Kreditnehmer, der nicht leistet (Privatkonkurs) hebt zwar ebenfalls das Inflationsniveau. Die Bilanzlücke muss aber die Geschäftsbank mit ihren Gewinnen schließen, was wiederum deflationär ist. Das heißt: Die sogenannte »Geldmenge« hat überhaupt keinen Einfluss auf die Inflationsrate in der Zukunft, denn sie hatte bereits Einfluss – mit diesen Krediten wurden Waren, Dienstleistungen, Aktien, Immobilien, Rohstoffe etc. gekauft. Alles, was diese bereits existierenden Kreditmengen (die immer anderswo Guthaben sind) tun können: Sie können verschiedenste Marktsegmente nachfragen, was dort die Preise erhöht, während auf der anderen Seite Kredite fällig werden, was Geld vernichtet und die Nachfrage im gesamtwirtschaftlichen Maßstab wieder einbrechen lässt. Weder eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit noch eine Inflationserwartung des Publikums (»Wir müssen unser Geld schnell in Sachwerte umtauschen, weil es bald nichts mehr wert ist«) können Geld entwerten, solange die Nettoneuverschuldung nicht weiterläuft. Niemals (!) können existierende Geldmengen eine starke Inflation oder gar eine Hyperinflation auslösen.
Wann entstehen Hyperinflationen? Diese können nur in zwei Phasen eines kapitalistischen Zyklus entstehen – nämlich in der Mitte, weil plötzlich ein allgemeiner Boom entfacht wird und die Masse Kredite aufnimmt ohne Ende, während gleichzeitig die Löhne steigen – es entsteht eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale, die sich immer nur dann in Gang setzen kann, wenn die Neuverschuldung exzessiv weiterläuft, während das BIP nur mehr hinterherhinkt. Ohne Nettoneuverschuldung startet keine Lohn-Preis-Spirale und damit auch keine Hyperinflation. Das heißt, im Falle einer stockenden Kreditvergabe, wie gegen Ende eines kapitalistischen Zyklus, können die Rohstoffpreise noch so hoch steigen – daraus entsteht niemals eine Hyperinflation, weil hier nur Geld von einem Marktsegment ins andere verschoben wird, dagegen aber die gesamtinflationär wirkende Neuverschuldung ausbleibt. Das exakte Gegenteil wird am Ende eines kapitalistischen Zyklus eintreten: Steigende Rohstoffe würgen den Konsum ab und die deflationären Kräfte erhalten Einzug. Wann kommt es dann im kapitalistischen Winter, wo keine Neuverschuldung mehr generiert wird, zu einer Hyperinflation? Gerät die Neuverschuldung ins Stocken, wickelt sich das System, wie bereits geschrieben, in die Gegenrichtung ab. Es kommt zu einer Kreditimplosion und einer drohenden deflationären Spirale. Wie weit diese auch immer reicht – hier beginnt dann der Staat zuerst Unmengen an leistungslosem Geld ins System zu pumpen, bzw. am Ende die Druckerpresse anzuwerfen und Nettogeld zu emittieren. Diese Maßnahme ist ein Verzweiflungsakt des Staates, weil sie das Zerstörungspotential langfristig sogar noch erhöht. Sie wird darum auch erst im großen Stil angewendet, wenn die Wirtschaft bereits darniederliegt, der Staat vor dem Bankrott steht und die Folgen der Nettogeldflutung als ein kleineres Übel angesehen werden als die völlige Zerstörung der staatlichen Hierarchie und Kontrolle. Was passiert bei einer solchen staatlichen Geld-Flutung? Die Menschen benutzen das geschenkte, ungedeckte und damit de facto wertlose Geld und tilgen damit entweder ihre Kredite oder verkonsumieren es. Beides ist verheerend. Kredittilgung mit Nettogeld bedeutet, dass der Schuldendruck völlig aus dem System entweicht, denn nur wer schuldet, der muss leisten. Wer Nettogeld vom Staat empfängt und damit Kredite tilgt, leistet nicht und erwirtschaftet damit keinen BIP-Output. Wenn die Leute das Geld verkonsumieren, dann erzeugen