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suchen."

      Gunther legt eine Pause ein und fuhr dann fort: „Sie verargen mir nicht, dass ich so freimütig über Geld spreche. Ich werde dies in den nächsten Tagen in meiner Bank noch detaillierter tun müssen. Hier spreche ich darüber, um Sie von der Wahrhaftigkeit meiner Möglichkeiten zu überzeugen.

      Wenn sich mit der Familie Schütz ein Moratorium finden ließe, das von deren Seite das ‚Selbstersparte‘ und von meiner Seite die Wohnungsmiete, Strom und Heizung umfassen könnten, will ich gern die Weiterbeschäftigung zusagen. Ich denke für sechs Monate, bis die Überweisungen meines amerikanischen Verlegers auf meinem Konto sind, sollte das möglich sein. “

      Gräfin Grainau war sichtlich erleichtert. „Die Offenlegung ihrer Vermögenslage war ehrlich und in diesem Zusammenhang auch moralisch angebracht; ich bin Ihnen dankbar dafür. Ich denke in der Tat auch, dass ein solches Moratorium möglich ist", sagte sie und Gunther hatte das Gefühl, als wolle sie seine Hand nehmen. Das bewog ihn, ohne Überleitung, das Gespräch auf das weitere Schicksal der Gräfin selbst zu lenken.

      „Wenn sich die Zukunft der Familie Schütz so wie angedacht regeln lässt, wäre es töricht, wenn sie selbst sich eine Wohnung in Kranichfeld nehmen würden", sagte Gunther.

      „ Ich möchte Ihnen anbieten, als mein Gast hier im Schloss in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben, so wie es ja auch von ihrem Sohn gedacht war.“ Damit hatte Gunther das Maß ihrer Zurückhaltung überschritten und die Gräfin nahm seine Hand und war nahe daran, Tränen zu vergießen.

      „Ihre persönliche ‚Hilfe‘ hat so Tag und Nacht den kürzesten Weg zu ihnen und ich die Beruhigung, dass Sie gut betreut sind“, setze Gunther hinzu und übersah geflissentlich, wie tief sein Angebot die alte Frau bewegt hatte. „ Ich werde für meine Frau und mich den westlichen Wohnturm ausbauen lassen und die notwendigen Räume daneben. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen, aber die benötige ich auch, um mein Wohnhaus zu veräußern und das Mobiliar in Etappen hierher zu schaffen.

      Besonders für meine Bücher muss ich eine Bibliothek einrichten und Wandregale anfertigen lassen, denn meine Buchregale sind im Haus fest eingebaut.“

      Jetzt war für die Gräfin der Augenblick gekommen, ihrer Dankbarkeit ihrerseits in einer Geste der Zuneigung Ausdruck zu geben. „ Das müssen Sie nicht", antwortete sie. „Die Bibliothek meines Sohnes grenzt über ein weiteres Zimmer, das Küche und Frühstückszimmer für Sie sein könnte, - so wollte sich jedenfalls mein Sohn seine Wohnung dort einrichten - an den West-Turm. Die Bibliothek umfasst ca. 4000 Bände und hat Platz, noch einmal so viele Bücher aufzunehmen. Wenn ihnen das ausreicht, möchte ich die Bibliothek meines Sohnes Ihnen übereignen, als mein Willkommensgruß in unserer ‚Wohngemeinschaft‘.

      Jetzt lächelte sie das erste Mal und ihre Freude war sichtlich, auch ein Geschenk von Bedeutung machen zu können.

      „Das wäre ein tolles Geschenk! Danke vielmals“, sagte Gunther, „ich werde heute nur mal einen Blick hineinwerfen, um zu sehen, welchen Umfang an Büchern ich den Regalen noch zumuten kann. Denn, wenn ich das Zimmer betrete, komme ich vor Stunden nicht wieder heraus und die Familie Schütz wartet auf mich.

      Von dem Angebot der Gräfin war Gunther überwältigt. Normalerweise hätte er viel emotionaler darauf reagiert, aber die Fülle der ihm an diesem Tag zugewachsenen Kleinodien hatte ihn offenbar mental überfordert. Die eingerichtete Bibliothek mit ihren Regalen hatte er ja wohl mit dem Haus erworben, aber die 4000 Bände darin, das war ein Schatz, der ihm jetzt zugefallen war.

      Er stand auf, um sich zu verabschieden.

      Die Gräfin entschuldigte sich im Nachhinein, dass sie keinen Tee hatte servieren lassen und beteuerte aufrichtig, wie schön die Begegnung und das Gespräch für sie gewesen seien. Sie werde sich jetzt einen Sherry genehmigen, setzte sie lächelnd hinzu. Und Gunther verließ sie in dem erhebenden Gefühl, eine dankbare Freundin gewonnen zu haben.

      Wir aber, die wir stark sind, sollen der Schwachen Unvermögen tragen und nicht uns selbst zu Gefallen leben

      Römer 15,1

      Wer andrer Not löst, ist der Erlöste.

      Lao-Tse,

      Kap 7

      Frau Schütz und ihr Mann hatten Gunther schon erwartet. Der Mann wirkte auf Gunther genau so, wie ihn die Gräfin beschrieben hatte, solide, gepflegt - was man bei einem Mann so nennen kann -, nicht ‚unintelligent‘, mit vollem weißen Haar, obwohl er die 60 noch nicht erreicht hatte. Vertrauenswürdig und sympathisch. Gunther wusste, dass er mit ihm auskommen würde. „Wir haben mit dem Essen gewartet und würden uns freuen, wenn Sie mit uns essen würden. Die Frau Gräfin möchte heute keinen Lunch, wie sie es nennt, da sie noch zu aufgeregt von dem mit Ihnen geführten Gespräch sei.“ Gunther bedankte sich für die Einladung. Es war Viertel nach Eins, für ihn die übliche Essenszeit.

      Er nahm am Tisch in der Wohnküche Platz und berichtete von seinem Gespräch mit der alten Dame. Er ließ nichts aus, und obwohl das Moratorium einen Verzicht für die Familie Schütz beinhaltete, stimmten sie ohne zu zögern seinem Vorschlag zu, hier wohnen zu bleiben, und den, mit dem Sohn der Gräfin abgeschlossenen Arbeitsvertrag aber für ein halbes Jahr auszusetzen. Gunther gab ihnen genau die Erklärung, die er auch der Gräfin gegeben hatte und fand - wie bei ihr - auch bei beiden volles Verständnis und Zustimmung. Frau Schütz trug die Vor-Suppe auf und beide aßen, als sei es ein Festtag.

      Für Gunther war es in der Tat ein Festtag! Er war seit zwei Stunden ein Schlossherr. Nicht irgendeines Schlosses; er war Herr einer der größten und schönsten Wasserburgen zwischen der Etsch und dem Belt, zwischen der Maas und der Memel. Er würde noch lange Zeit brauchen, dies zu verinnerlichen und noch mehr Zeit, sich daran zu gewöhnen.

      Das Gespräch drehte sich jetzt um das Haus. Gunther fragte seinen neuen ‚Hausmeister‘, der Albrecht hieß und ihn auch bat, ihn so zu nennen und nicht Sie zu ihm zu sagen, welche Renovierungen und Erneuerung denn jetzt als nächstes noch vordringlich anstehen würden.

      „Keine“, sagte Albrecht, „die gesamte Elektroanlage, die Wasserleitungen und das Abwassersystem sind erneuert. Die Elektroanlage allein hat mehr gekostet als das ganze Schloss damals, als Graf Thilo es vor 10 Jahren gekauft hat“, setzte er bewertend hinzu. „Das gesamte Wasser- und Abwassersystem ist in Kupfer und druckfestem Kunststoff verlegt. Über fast 20 Kontrollpunkte ist jeder Schaden sofort zu lokalisieren. Ich habe sie alle mit dem Leitungsverlauf und dem verwendeten Material beschriftet. Kupfer-Eisen - und Kupfer-Zink Verbindungen gibt es nicht und Eisen-Zink Verbindungen nicht mehr. Für die nächsten 100 Jahre gibt es hier keinen Sanierungsbedarf!“

      Albrecht hatte sich richtig ins Zeug gelegt und Gunther war nun vollends überzeugt, dass er der richtige Hauswart war. „Ich habe noch keine Grundrisse und Pläne des Hauses“, sagte er, „ die Bank will mir ihre Unterlagen erst zuschicken. Aber ich hätte gern die Raumpläne rund um den West-Turm. Dort möchte ich selbst einziehen."

      „Ich habe alle Pläne in meiner Verwahrung und würde sie gern weiter in Verwahrung behalten. Bei Graf Thilo ist immer mal einer für ein halbes Jahr verschwunden und dann wieder aufgetaucht. Er war halt ein vielbeschäftigter Mann.

      Er wollte selbst auch dort oben seine Wohnung herrichten. Bisher hatte er in den Räumen auf der Westseite mit seiner Familie gewohnt und die Ausgaben für den Ausbau des Turmes immer den vielen anderen Ausgaben nachgeordnet. Dafür gibt es auch Pläne. Ich werde sie holen.“

      Er stand auf und kam nach wenigen Minuten mit einem Stapel Zeichnungen, Grundrissen und Einrichtungs- entwürfen zurück und legte sie vor Gunther auf den Tisch.

      Gunther verglich in Gedanken diese Zeit mit dem Aufwand, den es ihn gekostet haben würde, solche Unterlagen aus seinen eigenen Archiven herbeizuschaffen.

      Er schaute kurz in die Papiere und bat Albrecht ihm diese in eine Mappe zu sortieren, um sich zu Hause damit beschäftigen zu könne.

      Dann telefonierte er mit dem Sekretariat des Bürgermeisters von Kranichfeld und konnte für 16 Uhr ein spätes Treffen mit dem Bürgermeister vereinbaren.

      „Es

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