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du ihn gleich abknallen, wenn er auftaucht?“

      Older wandte sich um und schaute zu dem Komplicen am Tisch, von dem er nur noch das Gesicht wie einen hellen Fleck erkannte. „Ja.“

      „Ohne Anruf? Ohne dass er weiß, woher und warum?“

      „Ja. Einfach so. Vielleicht hört er den Knall noch. Vielleicht auch nicht.“

      Die hartgesottenen Banditen grinsten sich durch das Dunkel in der Küche an, obwohl es einer vom anderen nicht sah.

      Dann wurde Regan ernst. „Manchmal denke ich darüber nach, wie ich ins Jenseits gerate. Geht dir das auch so, Luck?“

      „Nein. Aber wenn du vor mir ins Gras beißt, und ich habe Gelegenheit dazu, werde ich Blumen auf dein Grab legen. Das verspreche ich dir.“

      „Das sollte eigentlich kein Witz sein“, sagte Regan verdrossen.

      „Ich weiß. Es ist ja auch keiner.“

      „Ich hatte letzte Nacht einen seltsamen Traum.“

      Older kehrte an den Tisch zurück und starrte den Kumpan an. Wie die meisten Banditen war auch er nicht frei von Aberglauben. „Was hast du geträumt?“

      „Ich wollte fliehen, brachte die Beine nicht vom Fleck und wurde erschossen.“

      „Wo war das?“

      „In einem Haus.“ Regan schaute sich um.

      Auch Older blickte durch die Küche, dann jedoch wieder zu dem Kumpan. „Sicher nicht ernst zu nehmen, Gerry. Solchen Blödsinn träumt man öfter mal und dann passiert gar nichts.“ Older ging um den Tisch zu seinem anderen Kumpan hinüber, um auf andere Gedanken zu kommen.

      „Es könnte hier gewesen sein“, murmelte Regan in der Küche. „Ja, vielleicht in dieser Küche.“

      „He, Gerry, los, iss was!“, rief Older.

      „Was hat er denn?“, fragte Chap.

      „Nichts weiter. Hast du ihr wieder die Hände gefesselt?“

      „Noch nicht.“

      „Verdammt, keine Schlampereien! Los, binde sie ihr zusammen.“

      „Ja doch.“ Curtis ging vor Manuela in die Hocke.

      „Wenn sie will, kann sie sich auch aufs Sofa legen“, knurrte Older in einer Anwandlung von Menschlichkeit, der er sich nur halb bewusst wurde.

      „Hast du gehört, Schatz?“

      „Ich bleibe bei Jellico!“, stieß die Frau hervor.

      „Wie du willst. Pfoten her!“ Curtis fesselte die Mexikanerin und richtete sich auf.

      9

      Wir hatten während der Nacht nur drei Stunden in der Wildnis gerastet und brachen im ersten Grau des heraufdämmernden Tages wieder auf. Eine seltsame Unruhe trieb mich nach Prescott zurück. Ich wollte Jellico und Manuela sehen und hoffte, alles so vorzufinden, wie wir es vor Wochen verlassen hatten.

      Als die Sonne im Osten emporstieg, konnten wir die Stadt bereits sehen. Ich dachte daran, dass Stumpy vor uns zurückgekehrt war und Henry Duncan, dem Leiter der Wells-Fargo-Station, längst berichtet haben musste, was in Mexiko alles passiert war. Für mich blieb nachzutragen, dass Chaco und ich in eine Pockenepidemie hineingeritten waren und sie mit viel Glück lebend wieder überstanden hatten.

      Ich litt noch an der gerade erst hinter mich gebrachten leichten Pockenerkrankung, obwohl ich mir das am liebsten nicht eingestand. Das schien wohl auch der Grund zu sein, dass Chaco an meiner Seite seinen Morgan-Hengst nicht in Galopp fallen ließ und darauf setzte, ich würde Fox ebenfalls zu einer schnelleren Gangart antreiben.

      „Reitest du gleich nach Hause?“, fragte ich.

      „Du willst zu Duncan?“

      „Ja.“

      „Hat das nicht bis später Zeit?“

      „Ich halte mich sicher nur wenige Minuten bei ihm auf“, versprach ich.

      „Na gut.“

      Die Sonne stieg höher, die Stadt rückte näher, und die Hitze nahm rasch zu.

      Am Stadtrand trat ein Fahrer der Wells Fargo aus einer Hütte. „Hallo, da seid ihr ja!“

      „Ist Mister Duncan im Büro?“, fragte ich zurück, ohne den Hengst zu zügeln.

      „Der kramt sicher bereits in seinen Akten herum, Carringo. Ich hoffe, wir trinken bald wieder mal einen zusammen!“

      „Klarer Fall.“

      An der nächsten Straßenecke trennten wir uns. Chaco schlug die Richtung zu meinem Haus ein, ich ritt die Hauptstraße weiter zur Stadtmitte und sah Henry Duncan schon vor der Agentur auftauchen und mir entgegenschauen.

      Ein paar Fahrer und Transportbegleiter traten aus dem Hof der Station, und vor seinem Office sah ich den Marshal, der bei meinem Anblick das Gesicht verzog, als habe er in etwas Saures gebissen.

      Ein Kutscher hielt Fox am Zügel fest, als ich die Agentur erreichte.

      „Na endlich“, sagte Duncan erfreut. „Wir haben Sie schon letzte Woche erwartet, Carringo.“

      „Es kam mal wieder etwas dazwischen.“ Ich stieg ab und band das Pferd an die Holmstange.

      „Sollen wir es versorgen?“, fragte der Kutscher neben mir.

      „Nein, ich nehme es mit nach Hause. Danke.“ Ich bewegte mich schwerfälliger als sonst und spürte es auch.

      Duncan schaute mich erstaunt an. „Stimmt etwas nicht?“

      „Bin ein bisschen krank gewesen.“ Ich verharmloste die jüngste Vergangenheit, weil mir nicht daran lag, dass die Geschichte in der ganzen Stadt breitgetreten wurde.

      Duncan ließ mich in die Agentur, folgte mir und schloss die Tür, so dass sonst niemand eintreten konnte.

      Ich atmete auf.

      Der Agenturleiter ging in seinen kleinen Waschraum, ließ jedoch die Tür offenstehen. „Berichten Sie, Carringo. Und entschuldigen Sie, dass ich mich dabei wasche. Bin eben erst aufgestanden!“

      10

      „Das ist der andere, das Halbblut!“ Luck Older lehnte neben dem Fenster an der Wand und beobachtete Chaco, der vor dem Haus abstieg und sein Pferd in den Hof führte.

      „Zum Teufel, wieso kreuzt der allein auf?“, fragte Curtis. „Da stimmt doch was nicht!“

      Regan blickte von einem der Kumpane zum anderen.

      „Keine Panik“, sagte Older, durchquerte das Haus und schaute hinten hinaus.

      Chaco erreichte den Stall und führte sein Pferd hinein. Die Tür stand offen.

      „Seht mal nach den beiden!“, befahl Older. „Los, los, beeilt euch ein bisschen. Der wird gleich das Haus betreten!“

      Noch tauchte Chaco nicht wieder auf, aber Older konnte ihn im Stall hantieren hören.

      „Erledigt“, meldete Curtis. „Die sind noch bestens verschnürt. Wo bleibt das Halbblut?“

      „Sei nicht so nervös!“

      „Macht es dich nicht konfus, dass Carringo fehlt?“, fragte Curtis.

      „Still, verdammt. Wenn er eintritt, kriegt er eine über den Schädel, Stricke an Hände und Füße und vor allem die Waffen abgenommen. Dann werden wir schon erfahren, wo der andere steckt.“

      Chaco tauchte immer noch nicht auf. Im Stall schnaubte das Pferd. Stroh raschelte.

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