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Mann gehorchte.

      Im Expresswaggon explodierte die Dynamitstange und fetzte das Schloss auseinander. Die Zuhaltung fiel aus dem aufgerissenen Kasten nach innen und die Tür pendelte, nach außen.

      Merrill stand als erster drinnen in den Rauchschwaden und entnahm dem Tresor eine Kassette.

      „He, lass das Kleingeld nicht liegen!“, rief Grant, der hereinschaute. „So dick haben wir’s nicht, dass wir uns leisten können, es zu übersehen!“ Er sprang hinein, raffte alles im Panzerschrank herumliegende Geld zusammen und folgte dem Bandenführer, der bereits wieder draußen stand und mit der Kassette unter dem Arm zu den Pferden jenseits der Kakteen und Büsche lief.

      „Fertig, Leute!“ Burton winkte den anderen, bevor er hinter Merrill und Grant herrannte.

      „Alles liegenbleiben!“, befahl Older. „Keiner rührt sich von der Stelle!“

      Die drei letzten Banditen zogen sich rückwärtsgehend zurück, hielten dabei die Gewehre jedoch weiterhin auf die liegenden Leute vor dem Zug angeschlagen. Als ein Mann hustete, feuerten sie alle gleichzeitig. Die Kugeln pfiffen den verschreckten Passagieren über die Köpfe und wimmerten unter den Traversen der Waggons hindurch. Eine traf ein Rad, prallte ab und heulte als Querschläger über die Menschen weg.

      „Alles klar?“, fragte Older.

      Merrill saß bereits im Sattel und verstaute die Kassette unter seiner abgeschabten Jacke. „Bei richtiger Planung kann nichts schiefgehen. Haben wir schlecht geplant, Andy?“

      „Keineswegs!“ Grant grinste von einem Ohr zum anderen.

      „Na also. Sind wir soweit?“

      Sie sprangen alle in die Sättel.

      Merrill trieb sein großes Pferd an und sprengte vom Zug weg nach Westen. Die Bande schloss sich an.

      2

      Als erster hob der Zugführer den Kopf, rollte sich auf den Arm, fiel aber fluchend zurück, weil von der Streifwunde ein jäher Schmerz durch seinen Körper stach.

      Der Heizer hob nur ein paar Zoll den Kopf. „Sind sie alle weg?“

      „Sieh doch selbst nach, verdammt!“ Fluchend rollte sich der Lokführer auf die andere Seite und betastete vorsichtig die heftig schmerzende Wunde. Dabei schaute er zu den Kakteen. Die Banditen waren verschwunden.

      Der Eisenbahner rappelte sich auf und blickte auf die mehr als zwei Dutzend liegenden Menschen, die kaum zu atmen wagten und offenbar auch nicht hörten, wie sich der Hufschlag rasch nach Westen entfernte.

      „Ihr könnt aufstehen!“

      Der Heizer wagte sich als erster auf die Beine und rückte hilflos an seiner halb verbrannten Mütze herum.

      „Mein Gott, ich bin durch hundert Höllen gelaufen!“ Eine Frau bekreuzigte sich, kaum dass sie stand. „Aber der Heiland war bei uns und hielt die Hand schützend über uns!“

      „Amen!“ Eine andere Frau faltete die Hände und blickte in den dunstigen Himmel Arizonas.

      Der Zugführer ging an den Menschen vorbei, blickte in den offenstehenden Expresswaggon und sah die Leiche neben dem Tisch. Das Gesicht des Postschaffners lag auf der Seite. Leer und glasig schauten die Augen auf den Mann draußen in der glühenden Sonne.

      Der Blick des Mannes wanderte zu dem aufgesprengten Tresor. Ein paar Kupfermünzen lagen davor. Um das Schloss herum zeigte der Tresor graue Pulverdampfspuren.

      „Was haben die denn geklaut?“, rief der heranhastende Heizer. Keuchend blieb er neben seinem Kollegen stehen. „Ach, du lieber Gott, die haben Cohn ja erschossen.“

      Der Lokführer kletterte hinein, faltete dem Toten die Hände, legte sein Gesicht gerade und drückte ihm die Augen zu.

      „Aber die Moneten sind doch im großen Schrank?“ Der Heizer staunte. „Da drin befand sich doch nur Kleingeld. Was eigentlich noch, Burt?“

      „Keine Ahnung. Das ist nicht mein Problem.“ Der Lokführer schob den Toten unter den festmontierten Tisch, schaute sich noch einmal kurz um, sprang hinaus, rollte die Tür zu und hakte den Verschluss ein.

      Die heraneilenden Menschen erschienen zu spät, um die jetzt erwachte Neugier noch zu befriedigen.

      „Was ist denn da drin?“, fragte ein Mann.

      „Der Postschaffner wurde erschossen. Steigen Sie ein, wir fahren gleich weiter.“

      „Ich glaube, in dem kleinen Panzerschrank verwahrte der Postschaffner meistens Aktien, Wertpapiere und solchen Kram auf“, sagte der Heizer, während er dem Zugführer folgte.

      „Los, los, einsteigen!“, rief der Lokführer.

      „Und wer räumt die Steine weg?“, fragte der humpelnde Bremser neben dem Tender.

      „Du meine Güte, die hab ich glatt vergessen! He, alle Männer bleiben draußen und helfen!“

      Sie zogen vor die Lokomotive und begannen, das Lavageröll von der Schiene zu werfen.

      „Wir können froh sein, dass die Schurken vergessen haben, uns auszuplündern“, sagte ein reisender Händler. „Wenn ich meine Kollektion eingebüßt hätte, könnte ich mir eine Kugel in den Kopf schießen.“

      Niemand interessierte sich dafür. Nach ein paar Minuten lag die Schiene frei vor der Baldwin-Lok, und der Zugführer schob die paar Männer vor sich her zurück.

      „Einsteigen, Herrschaften!“ Er kletterte in den Fahrstand und öffnete das Überströmventil. Ein scharfer Pfiff heulte in das Buschland hinaus.

      Die Leute begannen plötzlich zu laufen, als seien sie in Sorge, der Zug könne ohne sie die Reise fortsetzen. Türen knallten zu.

      Als letzter stieg der humpelnde Bremser auf und schloss das Dienstabteil.

      Als der Pfiff verklang, war der Hufschlag der geflüchteten Banditen längst nicht mehr zu vernehmen.

      „Das sah exakt geplant aus“, murmelte der Heizer. „Als wenn die sich nur geholt hätten, auf was sie es sowieso abgesehen hatten. Findest du das auch?“

      „Wir haben nicht mehr genug Dampf“, maulte der Lokführer, während er die Klappe der Feuerung öffnete. „Du solltest dich lieber darum kümmern!“

      „Ist ja schon in Ordnung. Weißt doch selbst, dass ich ziemlich neugierig bin.“ Der Heizer warf Holz ins Feuer und stieß den Gluthaufen mit einer Eisenstange zusammen.

      Der Zug setzte sich ruckelnd und mit durchdrehenden Rädern der Lok in Bewegung.

      3

      Die sechs Banditen hielten zwischen den Kakteen und schauten zurück. Sehen konnten sie die kleine Wagenschlange nicht. Aber sie hörten die Fahrgeräusche und das Stampfen der Dampfmaschine, sahen den schwarzen Rauch und die aufstiebenden Funken.

      „Die sind heilfroh, noch am Leben zu sein.“ Der bullige Grant grinste den Bandenführer an und schaute auf dessen gewölbte Jacke mit der Kassette darunter.

      Merrill wandte sich Older zu. „Hast du den Stadtplan noch?“

      Der mittelgroße, athletische Schurke mit dem breitflächigen Gesicht, der eine Messernarbe am Kinn hatte und dessen streichholzkurzes, blondes Haar völlig unter dem schweißdurchtränkten Hut verschwand, tastete über die Jacke, hörte das Knistern von Papier und nickte. „Alles in Ordnung.“

      „Beeilt euch. Bei der nächsten Sache müssen wir wieder vollzählig sein.“

      „Wir legen ihn um und verschwinden sofort wieder aus Prescott“, versicherte Older.

      „Es darf nichts schiefgehen, Luck. Und seid vorsichtig. Dieser Carringo gilt als besonders gefährlich.“

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