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leicht wieder in Umlauf gebracht werden konnten, wenn die Wells Fargo die verlangte Diskretion walten ließ.

      Lancaster stieg in seinen wartenden Einspänner. „Zurück zum Hotel, Napoleon!“

      „Jawohl, Sir.“ Der Diener und Kutscher knallte mit der Peitsche und fuhr die Straße hinauf.

      Lancaster lächelte zufrieden vor sich hin. Er rechnete schon deswegen damit, dass sein raffinierter Plan aufging, weil ein so einfallsloser und zugleich pflichtbesessener Beamter wie Caine den größten Wert darauf legen würde, die Sache möglichst zu vertuschen, um den Prestigeverlust, den er für sich selbst in dem Überfall erkannte, so gering wie möglich zu halten. Dies aber auch in dem Glauben, der Wells Fargo einen Dienst zu erweisen.

      Napoleon schaute über die Schulter.

      „Es läuft prächtig“, versicherte Lancaster.

      26

      „Carringo, wir warten noch!“, brüllte die Stimme des Banditen über die Straße.

      Nichts hatte sich verändert, ausgenommen, dass die Zeit verstrich. Aber die Annahme, die Banditen würden sich nach Marshal Jones’ Feuerüberfall nicht mehr an das erinnern, was sie vorher geplant hatten, erwies sich als Trugschluss.

      Am ersten Fenster meines Hauses wurde die Gardine heftig zur Seite geschoben. Ich sah Chaco, der mit ungefesselten Händen nach dem Fensterbrett griff. Und in seinem Nacken ließ sich der achtkantige Lauf eines Revolvers erkennen.

      „Wenn du dich nicht stellst, töten wir zuerst ihn!“, rief die Stimme.

      Ein Raunen der Empörung lief durch die hinter mir versammelte Menschenmenge.

      Ich öffnete die Schnalle des Patronengurtes und ließ sie los. Mein Revolver schlug in den Staub. Sand knirschte unter meinen Stiefeln. Erst dadurch wurde mir bewusst, dass ich mich in die Straße bewegte.

      Neben Chaco tauchte der Lauf eines Gewehrs auf. Es musste eine meiner eigenen Waffen sein, da die Banditen ihre Gewehre nach Auskunft des Mietstallbesitzers bei ihren Pferden zurückgelassen hatten.

      Es erschien mir wie Hohn, dass ich von einer Kugel aus meinem eigenen Gewehr getötet werden sollte. Von einer Kugel, die ich selbst gekauft hatte.

      Atemlose Stille beherrschte diesen Abend diese Stunde, zu der die Sonne bereits unterging, die Dämmerung aber noch nicht richtig anbrach, zu der das Blau nur langsam vom Himmel verdrängt wurde und die Hitze allmählich aus der Stadt verschwand.

      Es handelte sich um kuriose Dinge, über die ich nachdachte, die beinahe pfeilschnell in meinem Kopf auftauchten und wieder verschwanden. Das einzige, was ich wusste, war, dass ich eigentlich gar nicht mehr nachdenken wollte nicht über Sinn oder Unsinn meines Opfergangs noch über etwas anderes.

      Der Gewehrlauf bewegte sich höher. Sie wollten mich offenbar töten, bevor ich das Haus erreichte.

      Ich blieb stehen.

      „Was ist los?“, fragte die schroffe Stimme.

      „Bin ich nicht nahe genug?“, fragte ich zurück,

      „Los, leg ihn um!“, meldete sich eine andere Stimme.

      In diesem Moment warf sich Chaco zur Seite und drückte das Gewehr gegen den Fensterrahmen. Der Colt befand sich nicht mehr in seinem Nacken, als er sich entlud, und so entging er der Kugel. Chaco sprang mit einem raschen Satz über das Fensterbrett und lief mir entgegen.

      Das Gewehr krachte. Doch auch diese Kugel verfehlte Chaco. Er erreichte mich, warf sich mir entgegen und brachte mich mit der Wucht seines Ansturms zu Fall. Während wir beide auf die Straße stürzten, entluden sich in meinem Haus drei Waffen gleichzeitig.

      „Weg hier!“ Chaco sprang auf.

      Die jäh veränderte Situation ließ mich schnell handeln. Mit einem Sprung stand ich und folgte Chaco in die Deckung der Wells-Fargo-Station.

      Von der Ecke rannten in panischer Angst schreiend die Schaulustigen weg.

      Das Krachen der Schüsse dröhnte durch die Stadt. Unverletzt erreichten wir den Hausvorsprung und prallten gegen die noch warme Holzwand.

      „Himmel, war das knapp!“, stieß Chaco keuchend hervor.

      Das Knattern brach ab.

      „Carringo, wir legen deinen Sohn und die Mexikanerin um!“, brüllte die Stimme des Banditen.

      Ich wollte die Deckung verlassen, aber Chaco riss mich hart zurück.

      „Bist du verrückt?“

      „Denkst du, die bluffen nur?“

      „Ich weiß nicht, ob sie bluffen. Bei denen blickt man nicht durch. Sie sind so konfus, dass sie jede halbe Stunde was anderes planen. Aber eins weiß ich: Wenn du dich umlegen lässt, verändert es für Jellico und Manuela gar nichts.“

      „Wie geht es ihr?“

      Chaco verzog das Gesicht. „Wie es einem geht, der mehr als einen vollen Tag zwischen Bestien zubrachte.“

      „Und Jellico?“

      „Auch nicht besser. Aber sie leben beide und sind nicht verletzt. Bei Manuela …“

      Ich starrte den Freund an. „Was wolltest du gerade sagen?“

      „Na ja, ihr Zustand. Und die Kerle haben bestimmt keine Samthandschuhe an den Fingern.“

      Ich nickte und wusste, was Chaco damit andeuten wollte.

      „Wenn du nicht erscheinst, legen wir sie um!“, drohte die fast heulende Stimme des Banditen.

      Chaco hielt mich sofort wieder fest. „Wahrscheinlich bluffen sie nur, obwohl man bei denen Fehlreaktionen nicht ausschließen darf. Was wollen sie anfangen, wenn sie sich selbst ihrer Geiseln berauben? Was hätten sie dann noch in den Händen, was uns daran hinderte, das Haus zu stürmen?“

      „Denken die wirklich so weit?“, fragte ich zweifelnd.

      Chaco zuckte mit den Schultern.

      „Warum wollen sie mich töten?“, fragte ich.

      „Keine Ahnung.“

      „Kennst du sie?“

      Chaco schüttelte den Kopf. „Völlig unbekannte Gesichter.“

      „Was hast du überhaupt erfahren können?“

      „Nur, dass sie noch was anderes vorhaben und sich mit Kumpanen treffen wollen. Und dass sie deswegen ziemlich in Zeitnot geraten sind. Um rechtzeitig mit den anderen zusammentreffen zu können, hätten sie noch vor dem Mittag Prescott verlassen müssen.“

      Ein Fenster wurde geöffnet. „Chaco, ist alles in Ordnung?“, fragte Duncan.

      „Alles klar, Henry“, sagte Chaco.

      „Die wollten Sie erschießen, wenn Carringo noch gezögert hätte, nicht wahr?“

      „Ich denke schon. Aber damit hätten die Halunken ja auch nichts weiter verloren. Jellico und Manuela lassen sich leichter bewachen als ich und sind wertvollere Tauschobjekte.“

      „Sie glauben, die denken wirklich an Tausch?“

      „Irgendwie müssen sie zu Pferden und aus der Stadt gelangen. Und dafür müssen sie schon was anbieten. Deshalb glaube ich auch nicht, dass den beiden jetzt etwas passiert. So konfus sind die Halunken hoffentlich noch nicht, dass sie sich selbst die Basis zerstören.“

      „Ihr Wort in Gottes Ohr!“ Duncan seufzte vernehmlich.

      „Carringo, unsere Geduld ist am Ende!“, drohte die Banditenstimme.

      „Untersteh dich, auf die Straße zu treten!“, stieß Chaco hervor. „Die schießen diesmal sofort!“

      Ich

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