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hinter mir aus der Station.

      „Wir sollten diesen Wahnsinn verhindern!“, rief Duncan. „Sagt ihm, dass sein Opfertod sinnlos ist!“

      Ich hörte, dass viele auf einmal redeten, verstand jedoch keinen. Schon stieg ich die beiden Stufen zur Fahrbahn hinunter, wandte mich der Hausecke zu und stand am Anfang der Phoenix Street. Dort lag mein Haus. Meine Hände griffen zur Schnalle des Patronengurtes, weil die Kerle wohl erwarteten, dass ich ohne den Revolver erschien, und weil ich wusste, dass es mir nichts nutzte, ihn mitzunehmen.

      „He, jetzt hab ich den Marshal aufgespürt, Boss!“, rief eine erregte Stimme vor der Station. „Der ist noch aktiv und hat ein paar Leute bei sich. Die sind …“

      Das jähe Knattern von Schüssen unterbrach den Mann und ließ auch meine Hände innehalten. In der Nische meinem Haus gegenüber ließen sich Gewehrläufe erkennen. Pulverdampfwolken breiteten sich aus. Kugeln trafen prasselnd die Wände meines Hauses und fetzten Glasreste aus den Fensterrahmen.

      Duncan und seine Leute zogen mich wieder zurück.

      „Das ist Marshal Jones mit seinen Schießern!“, rief der junge Kutscher, der so lange unterwegs gewesen war, um den Gesetzeshüter aufzuspüren.

      „Im Namen des Gesetzes!“, brüllte Jones und wagte sich aus der Hauslücke.

      „Der muss von allen guten Geistern verlassen sein“, murmelte Duncan geschockt.

      Seine Leute ließen mich los.

      Ich stürmte in die Straße. Jones und die beiden anderen, die Sterne an den Westen trugen, zogen sich in die Nische zurück, als von gegenüber Schüsse fielen. Wieso ich unverletzt zu ihnen gelangte, wusste ich später auch nicht zu sagen.

      „Sie Narr, Jones!“, brüllte ich, ging auf den Marshal los und schlug ihn mit ein paar harten Hieben zusammen.

      Kugeln pfiffen in die Nische und kratzten an den Holzwänden der Schuppen entlang.

      Ich packte Jones, zerrte ihn hinter das Gebäude, zog ihn wieder auf die Füße und schlug ihn in blinder Wut abermals zusammen.

      Duncan, der Arzt und viele andere Leute eilten von Osten in den Hof des Anwesens.

      Jones krümmte sich stöhnend am Boden. Jedoch traf nicht einmal der Arzt Anstalten, ihm irgendwie behilflich zu sein. Rundum feindliche Blicke verrieten dem Marshal, dass er mit keinerlei Unterstützung für seine fragwürdige Tat zu rechnen hatte.

      „War wohl nicht ganz klug, uns als Hilfsmarshals anheuern zu lassen“, murmelte der eine Helfer. „Aber ich wollte eben auch gern mal einen Stern tragen.“

      „Und wenn es das letzte im Leben ist, was, Bakman?“ Duncans Mundwinkel bogen sich verächtlich nach unten. „Du solltest gelegentlich deinen Verstand untersuchen lassen.“

      „Aber nicht bei mir“, sagte Doc Walter sofort.

      Jones rappelte sich schimpfend auf. Sein Gewehr hatte er verloren. Dafür hielt er auf einmal den Colt in der Hand, richtete ihn auf mich und spannte den Hammer.

      Niemand hatte mit dieser Reaktion gerechnet, nicht einmal ich, der ich bei diesem Neurotiker auf nahezu alles gefasst war.

      „Sie sind verhaftet!“, schnarrte der Marshal. „Los, Hände hoch und vor mir her!“

      Ich war noch so perplex, dass ich gehorchte.

      „Jetzt hakt’s bei Ihnen völlig aus, Jones“, sagte Duncan.

      „Widerstand gegen die Staatsgewalt!“, brüllte Jones und wackelte in Duncans Richtung mit der Waffe. „Platz da! Weg frei!“

      Die Menschenmauer vor mir und dem seltsamen Marshal rührte sich nicht.

      „Seid ihr schwerhörig?“

      Ich drehte mich etwas um und sah, wie die Hand mit dem schweren Revolver von rechts nach links einen Halbkreis beschrieb, wie sie zitterte und die Erregung des Marshals verriet.

      „Soll ich den Weg freischießen?“ Jones’ Stimme drohte sich zu überschlagen.

      Ich knallte ihm die Handkante aufs Handgelenk und wirbelte herum.

      Die Menge schob sich hinter mir dichter zusammen.

      Ich versetzte Jones’ herumliegendem Revolver einen Tritt. Er flog bis zu den links von mir stehenden Männern. Einer hob ihn auf und versenkte ihn in der noch halbvollen Regentonne an der Ecke des Schuppens.

      „Wenn Sie jetzt nicht augenblicklich das Feld räumen, lasse ich Sie im höheren Interesse der Wells Fargo in Gewahrsam nehmen!“, drohte Henry Duncan.

      Jones klappte der Unterkiefer herunter.

      Die Männer der Agentur zeigten Anstalten, die Drohung Henry Duncans in die Tat umzusetzen.

      Da stürzte Jones an der Regentonne vorbei, flankte über den Zaun zum nächsten Anwesen und verschwand.

      Ich schaute dem Mann nach, wandte mich um und wollte zur Gasse zwischen den Gebäuden.

      Duncan und seine Männer vertraten mir den Weg.

      „Wir wollen noch einmal gemeinsam nachdenken, ob es nicht einen anderen Weg gibt“, sagte Duncan. „Das Ultimatum ist verstrichen. Die Banditen haben es nicht mehr erneuert. Lassen Sie uns nachdenken.“

      „Gut“, sagte ich. „Aber lasst mich das Haus sehen.“

      Der Ring öffnete sich. Ich erreichte die Schuppenecke und spähte hinüber. Es blieb unheimlich still in meinem Haus. Völlig offen blieb für uns, wie die Banditen auf den Feuerüberfall des Marshals reagieren würden, oder was im Haus indessen geschehen war.

      „Es muss noch eine andere Lösung als Ihren Opfertod geben“, sagte Duncan eindringlich dicht hinter mir. „Es sind doch nur drei Banditen, Carringo! Mit denen müssten wir auch anders fertig werden.“

      25

      Titus Lancaster saß zurückgelehnt im Einspänner, beide Hände auf einen Stock mit Silberknauf zwischen seinen Beinen gestützt.

      Napoleon lenkte den leichten Kutschenwagen zur Bahnstation und hielt auf dem Platz davor. „Soll ich Sie anmelden, Sir?“

      „Das werde ich selbst erledigen.“ Lancaster stieg aus. „Warte auf mich.“

      „Ja, Sir.“

      Lancaster schwang seinen wertvollen Stock, schob das Fenster in der Nebentür damit nach oben, und schlug kräftig auf den kleinen Sims darunter.

      Ein Beamter mit schwarzen Stulpen über weißgrauen Hemdsärmeln und einer runden Nickelbrille vor den Augen wandte sich drinnen am Stehpult um.

      „Ist Preben Caine anwesend?“, schnarrte Lancaster scharf und befehlsgewohnt.

      „Ja, Sir.“ Der Beamte dienerte und legte den Federhalter neben das Tintenfass.

      „Öffnen Sie!“ Lancaster stieß den Stock ungeduldig gegen die Tür.

      „Sofort, Sir!“ Der Beamte suchte nach einem Schlüssel, fand ihn schließlich, eilte zur Nebentür, schloss sie auf und verneigte sich wie ein Untergebener.

      Lancaster schritt würdevoll, dabei aber hart auftretend vorbei und stieß den Stock mehrfach pochend auf den Boden. „Wo finde ich Preben Caine?“

      „Ich führe Sie zu ihm, Sir.“

      „Gut.“ Lancaster ließ den Mann an sich vorbei und folgte ihm.

      Der Gesuchte befand sich in seinem Dienstzimmer in den Wells-Fargo-Räumen des Bahnhofes. Er verwaltete die Postkutschenstation und zugleich das Expresswesen der Railroad. Caine war ein mittelgroßer, korpulenter Mann von fünfundvierzig, dessen Haar sich so stark lichtete, dass er schon selbst damit rechnete, im nächsten Jahr mit einer Glatze herumzulaufen. Er galt in Phoenix als außerordentlich

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