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„Tut mir leid, Rex. Ich habe keinen bei mir.“

      Jetzt war es soweit. „Schwester“, sagte ich, „ich sehe, Sie haben etwas zum Schreiben bei sich. Dürfte ich mal bitte ...‟

      „Aber ich habe doch gar keinen …“ Sie dachte offenbar nicht an den Schreiber in ihrer Kitteltasche.

      Lachend griff ich danach und sagte: „Nehmen wir den solange. Danke!“

      „Nein! Sie können doch nicht …‟, wollte sie protestieren, aber ich hatte ihn schon.

      „Sie bekommen ihn ja gleich wieder“, tröstete ich sie lächelnd. Dann sah ich ihn mir an und meinte bewundernd: „Ein schönes Stück. Massiv Gold und mit ’nem Edelstein. Sieht man nicht alle Tage.“

      „Es ist ein Erbstück!“ Sie blickte mich wütend an.

      Ich kritzelte irgend etwas in mein Notizbuch. Dann sah ich zu Stellcass hinüber, der noch immer schlief, und steckte den wertvollen Kugelschreiber ein, als geschähe das aus reiner Vergesslichkeit und ohne Absicht.

      „Moment mal, das ist mein Schreiber‟, sagte sie heftig.

      Ich sah ihr in die Augen, blaue Augen übrigens, und sagte freundlich: „Gehört er wirklich Ihnen?“

      „Natürlich“, behauptete sie. „Und außerdem habe ich nicht viel Zeit. Ich muss jetzt auf meine Station.“ Sie wirkte nervös.

      Larry sah mich halb fragend, halb vorwurfsvoll an. Aber er konnte ja nicht wissen, dass ich diesen Kugelschreiber kannte.

      „Woher haben Sie ihn?“, fragte ich.

      „Ich sagte doch, dass ich ihn geerbt habe“, behauptete sie aufs neue.

      „Nein!“ Ich trat einen Schritt auf sie zu. „Sie haben ihn entweder gestohlen oder geschenkt bekommen. Von jemandem, der noch lebt. Dieser Kugelschreiber ist zu selten und zu originell, um überall erhältlich zu sein, zumal mit den Initialen!“ Ich zeigte ihr auf der Kappe das verschlungene B im C.

      Sie senkte den Kopf. „Ich bekam ihn geschenkt.‟

      „Von wem?“

      Sie zögerte dann sagte sie leise: „Von einem Freund …“ Und als ich nur knurrte, fuhr sie leise fort: „Von Mr. Higgins. Er liegt auf meiner Station.“

      „Danke, Schwester. Das hätten Sie auch gleich sagen können.“ Sie wollte gehen, aber ich vertrat ihr den Weg. „Bleiben Sie bitte! Wir brauchen Sie nachher noch.“

      Ich sah Larry an, und er verstand. Indessen war Stellcass munter geworden.

      Ich setzte mich zu ihm ans Bett und sah ihn an. Alt und krank sah er aus, die Augen tief in den Höhlen, Ringe darunter, die Backen eingefallen, die Lippen bleich wie aus Wachs.

      Er schien mich erkannt zu haben. Um seinen Mund lief ein Zucken, aber er sagte nichts. Dann jedoch blickte er auf die hübsche Schwester und runzelte die Brauen.

      „Haben Sie Mr. Stellcass schon gepflegt, Schwester?“, fragte ich.

      „Nein, er gehört nicht zu meiner Station“, erwiderte sie.

      „Larry, geh mit ihr hinaus und sag dem Cop Bescheid, dass er auf sie achtet. Und du kommst wieder!“

      „Aye, aye!“, sagte Larry und wandte sich an das Mädchen: „Kommen Sie Schwester, wenn mein Häuptling amtlich wird, meint er es meist auch so.“

      Als Larry zurückgekommen war, fragte ich Stellcass: „Kennen Sie die Schwester, Stellcass?“

      Er nickte kaum merklich und erwiderte mit krächzender Stimme: „Sie spioniert immerzu herum. Schon zweimal ist sie diese Nacht hier gewesen. Sie hat gedacht, ich schliefe, aber ich war wach. In meinen Sachen hat sie etwas gesucht.“

      „Okay. Und Sie haben sie vorher nicht gesehen, bevor Sie hierher gekommen sind?“

      „Nein“, entgegnete er und schloss die Augen. Ich musste mich beeilen, er war doch sehr geschwächt.

      „Larry, geh zu Tom Higgins, aber nimm die Schwester nicht mit. Frag sie nur, wo er liegt. Und verrate nicht, dass wir bei Stellcass sind.“

      „Okay, Rex!“

      Er ging, und ich hörte, wie er draußen mit dem Cop und der Schwester sprach.

      „Stellcass, packen Sie jetzt am besten Ihre Kiste aus! Ich will Ihnen dazu Fragen stellen. Und noch etwas, Stellcass: Sie sind in einem bösen Verdacht. Ich will von Ihnen die Wahrheit wissen, damit ich Ihnen helfen kann.“

      Mit geschlossenen Augen erzählte er dann, bevor ich noch Fragen stellen konnte.

      „Mich haben alle für einen Verbrecher gehalten. Alle. Aber ich bin nur ein Pechvogel. Vor zehn Jahren ging es mir schlecht. Keine Arbeit, kein Geld. Niemand wollte einen Mann von über fünfzig. Junge Männer, ja, die wollte jeder. Aber so einen alten Mann wie mich ... Ich war Farbätzer, in meinem Beruf nicht schlecht. Aber ich fand keinen Job. Dahn wurde ich krank. Eine Magengeschichte. Ich musste operiert werden, dann wieder dasselbe. Kein Geld, hohe Schulden und keine Arbeit.“

      Er seufzte, öffnete die Augen und blickte mich herausfordernd an. „Wissen Sie, wie das ist?“

      Dann sah er auf die verhängte Nachttischlampe und fuhr fort: „In der größten Not lernte ich einen alten Kollegen kennen, auch ein Farbätzer. Der hatte einen Job in der Staatsdruckerei von New York. Er stand sich gut und versprach mir, einmal nachzuhören, ob nicht für mich auch ein Job zu haben sei. Gut. Ich hatte ihn fast schon vergessen, da kam er ...“

      „Wer war dieser Mann?“

      „Er hieß Ernest Marek.“

      „Wie alt?“

      „Mitte sechzig damals. Er lebt nicht mehr.“

      Die Tür ging auf, und Larry kam schnell herein. „Rex! Ich muss dir etwas Wichtiges sagen!“

      Ich stand auf und trat ihm entgegen. Er beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: „Higgins ist weg! Der Mann, der mit ihm im Zimmer schläft, weiß von nichts. Vor einer Stunde, sagte er, sei Higgins noch da gewesen.“

      „Steht die Schwester noch draußen?“

      „Der Cop sitzt mit ihr im Stationszimmer ...“

      „Sieh nach ihr und bring sie sofort zum Hauptquartier. Vernehmung!“

      „Aber ...“

      „Kein Aber, sofort weg mit ihr! Sofort!“

      „Und Higgins?“

      „Darüber sprichst du am besten mit dem Personal, auch mit dem Portier.“

      Larry ging, und ich setzte mich wieder an den Bettrand. „Sprechen Sie weiter, Stellcass! Für mich ist es sehr wichtig.“ Und er erzählte weiter: „Dieser Marek kam also wieder, und er sagte, er hätte einen prima Job in der Staatsdruckerei. Als Ätzer. Ich ging sofort mit ihm zur Gewerkschaft, die gaben mir den blauen Zettel, und dann zum Personalbüro, alles war vorbereitet. Ich konnte sofort anfangen. Ein halbes Jahr lang lief alles normal. Dann kam ich in eine andere Abteilung, und hier war auch Marek. Es war der Spezialistenclub. Wir beschäftigten uns mit schwierigen Gravuren und Ätzungen. Ich war Marek sehr dankbar, und wir freundeten uns an. Auch privat hielten wir Kontakt, und ich lernte seine Frau und seine Kinder kennen ...“

      „Ist die Frau dunkelhaarig? Gefärbt schwarz?“

      „Nein, sie war blond, aber auch gefärbt.“

      „Er hatte zwei Söhne und zwei Töchter?“

      Stellcass schüttelte den Kopf. „Nein, drei Söhne und eine Tochter.“ Er machte eine betrübte Geste und sagte: „Hätte ich die nie gesehen, es wäre besser gewesen.“

      Wieder unterbrach uns Larry. „Rex, komm bitte sofort!“

      Ich

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