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hielt die Automatic in der Hand und näherte mich dem Gebäude. Plötzlich begann ein Hund zu bellen, dem Ton nach kein kleiner Pinscher. Es klang mir eher nach einer Dogge oder etwas ähnlichem.

      Die Hüttentür wurde geöffnet, und heraus trat ein geradezu romantisch gekleideter Mann. Er trug einen moosfarbenen Stetson, einen Poncho wie ein Vaquero, und grobe Lederhosen, denen man ansah, dass sie „hausgemacht“ waren.

      Er trug einen Bart, dieser merkwürdige Mann, und so wirkte er wie ein Greis, aber sicher war er das nicht. Ich sah auch das Gewehr, das er hinter dem Rücken verbarg. Der Kolben ragte seitlich ein wenig hervor, das genügte für mich.

      Dann tauchte der Hund auf, ein Neufundländer. Ein Kalb von Hund. Er schob nur den Kopf zwischen seinen Herrn und den Türpfosten, aber er bellte nicht. Er knurrte und bleckte die Zähne. Dieser vierbeinige Fleischwolf wirkte recht imposant. Aber so gefährlich er sein mochte, ich nahm ihn scheinbar gar nicht zur Kenntnis.

      „Kommen Sie mal heraus! Polizei!“, rief ich dem Manne zu. „Und lassen Sie besser das Gewehr fallen.“

      „Scheren Sie sich weg, ich habe nichts verbrochen!“, krächzte er, und nun glaubte ich doch, einen alten Mann vor mir zu haben.

      „FBI! Nun kommen Sie schon, sonst muss ich nachhelfen!“, sagte ich scharf.

      Wider Erwarten kam er, stellte das Gewehr sorgsam an die äußere Wand, und befahl dem Hund, sitzenzubleiben. Der Neufundländer gehorchte, sah mich aber noch immer an, als warte er nur darauf, mich zum Nachtisch zu verzehren.

      Das Gewehr war übrigens eine Springfield-Army-Büchse. Es ist nicht frei zu kaufen und wird nur für die US-Truppen geliefert. Die Tatsache, dass er es besaß, würde mir einen weiteren Grund zum Fragen geben.

      Als er etwa drei Schritt vor mir stehenblieb, fiel mir die Blässe seines Gesichts auf, obgleich dieser Mann doch in der frischesten Luft lebte, die man haben konnte. Auch die Augen verrieten, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er musste krank sein. Ich bemerkte, dass seine Finger zitterten. Er versuchte, das zu vertuschen, als er sah wie ich seine Hände beobachtete.

      „Sind Sie krank?“, fragte ich.

      Das Zittern wurde stärker, aber er antwortete: „Es geht Sie einen Dreck an, ob ich krank bin oder nicht. Ich ...“ Er schwankte etwas, und der Hund an der Tür stand auf und knurrte gefährlich.

      „Sie brauchen einen Arzt, Mann! Wer sind Sie überhaupt? Was machen Sie hier?“

      Er drehte sich plötzlich um und wankte zu seiner Hütte. Vor diesem primitiven Anwesen stand so etwas, das man mit Phantasie als Bank bezeichnen konnte. Hier ließ er sich niedersinken. Dann zog er etwas aus der Tasche seiner schmuddeligen Lederhose und hielt es mir entgegen.

      Ich trat näher, nahm den zerknickten und beschmutzten Wisch ab und las. Es war ein Entlassungsschein aus dem Gefängnis von Sing Sing, drei Jahre alt, ausgestellt auf den Namen Michael Stellcass. Als Wohnort war nichts angegeben. Statt dessen fand ich nur einen Tintenstrich.

      Ich trat einen Schritt zurück und nahm das Handbuch aus der Jackentasche, das außer mir einige tausend andere G-men und Polizisten mit sich herumschleppen. Ich schlug die Fahndungsliste auf. Dann hatte ich den Namen.

      Stellcass, Michael, 62 Jahre, Geldfälscher, flüchtig seit 12. Januar aus dem Arbeitslager Duffenbrook, Gefängnis Hackensack. Verletzt durch Gewehrschuss am Rücken.

      „Sie sind also seit sieben Monaten ausgebrochen. Haben Sie noch unter der Verletzung zu leiden?“, fragte ich, und das schien ihn so zu verblüffen, dass er mich konsterniert ansah und zunächst keinen Ton herausbrachte. Wer weiß, welche Fragen er von mir erwartet hatte.

      „Ich ... ich ... es sind furchtbare Schmerzen … aber ich will nicht wieder hinein. Ich will nicht!“ Die letzten Worte kreischte er fast.

      Der Hund saß ganz still und hielt den Kopf schief, als ahne er, dass ich nicht unbedingt ein Menschenfresser war.

      „Ich bringe Sie zu einem Arzt, Stellcass. Über das andere sprechen wir später.“

      Er wollte aufstehen, doch da taumelte er, strauchelte über einen Stein, und fiel der Länge lang zu Boden.

      Sofort schoss der Hund auf ihn zu, jaulte und begann ihn im Gesicht abzulecken. Der Alte war ohnmächtig.

      Ich wollte ihn aufheben, aber der Fleischwolf fauchte mich so böse an, dass ich es bleiben ließ. Das Tier hing so rührend an seinem Herrn, dass Gewaltanwendung ein Verbrechen gewesen wäre.

      Ich trabte zur Tür, hob das Gewehr auf und nahm es mit. Schnell lief ich zurück zu meinem Wagen, um über Funk einen Arzt und auch zwei Polizisten anzufordern, die sich nachher um den Hund kümmern konnten.

      Als ich meinen Wagen erreichte, dachte ich nur an den Anruf und an den Alten. Erst als ich die Wagentür öffnete, erkannte ich die Falle. Und ich saß mittendrin.

      14

      Einer stand plötzlich auf der anderen Wagenseite. Sein Gesicht tauchte hinter dem Seitenfenster auf wie ein Mond. Es ähnelte sogar einem Mond. Breit, glatt, ausdruckslos.

      Der zweite saß hinten im Wagen. Ich sah nicht allzu viel von ihm, denn der Wagen stand im Schatten eines Baumes, und im Wagen herrschte Zwielicht. Nur dass er schlank war und einen dunklen Anzug trug, das konnte ich erkennen.

      Der dritte war eine Überraschung. Es war eine Frau. Sie stand ein Stück weiter neben einem Baumstamm, hinter dem sie sich bei meinem Kommen wohl verborgen hatte. Eine Frau mit schwarzem Haar, dazu dunkel war, um natura zu sein. Ihr Gesicht verriet trotz Puder und Schminke das wahre Alter. Die Fünfzig lagen bereits hinter ihr, obgleich sie sonst die Figur eines jungen Mädchens hatte.

      Sie war es, die zuerst sprach. Mit einer rauchigen, dunklen Stimme sagte sie: „Legen Sie die Hände aufs Wagendach, McAllister!“

      Die Trümpfe, die die drei in Händen hatten, waren nicht zu übersehen. Es hätte schon eine Portion Irrsinn dazugehört, das zu ignorieren. Und meine Automatic steckte im Schulterhalfter.

      Es war eine lächerliche Situation, aber die Männer waren bewaffnet, und die beiden mochten aussehen, wie sie wollten, von übergroßen Skrupeln wurden sie bestimmt nicht geplagt.

      Als der im Wagen mit seinem S & W „Masterspiece“ ein Stück näher rückte, zog ich es vor, die Hände aufs Wagendach zu legen. Prompt kam der Mondkopf um den Wagen herum, und nun hatte ich auch Gelegenheit, ihn genauer anzusehen.

      Er hatte eine Glatze, und er sah nicht aus wie ein Trottel. Er wirkte durchtrainiert, und sein Blick verriet Wachsamkeit. Dumm schien er nicht zu sein. Wäre ich ihm unter andern Umständen begegnet, würde ich ihn für einen solventen Kaufmann halten, oder für einen seriösen Schalterbeamten bei einer guten Bank. Wie ein Ganove sah er auf alle Fälle am wenigsten aus. Jedenfalls nicht so, wie sich man die vorstellen, dass Gangster aussehen müssten. Und dennoch, bei genauem Hinsehen erkannte man mit etwas Erfahrung die Brutalität, die Gefühlskälte, das Verschlagene. All das, was den Gangster ausmachte.

      Der Glatzkopf tastete mich von hinten nach Waffen ab, während mich der andere im Wagen in Schach hielt. Natürlich fand er die Automatic, zog sie heraus und entleerte das Magazin. Dann stopfte er sie zu meiner Überraschung wieder ins Schulterhalfter.

      „Die Patronen werden Ihnen ersetzt, McAllister“, erklärte der Glatzkopf. „Wir stehlen nichts. Aber im Augenblick können wir Ihnen diese Dinger nicht belassen. Vielleicht brauchen Sie aber weder die Pistole noch die Munition, falls Sie …‟

      „Halten Sie Ihren Mund, Ken!“, rief die Frau. „Sie schwatzen wie ein Weib!“

      Der Glatzkopf sagte nichts mehr.

      „Drehen Sie sich um, McAllister!“, befahl die Frau.

      Ich gehorchte und sah sie abschätzend an. Etwas an ihr erinnerte an verlebte Bühnenschönheiten, deren Fluidum nur noch im grellen Scheinwerferlicht wirkt, wo die dicke Schminke

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