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um die Sache!“ Er war aufgestanden, mit genervtem Blick erwartete er ganz offen, dass ich wieder ging.

      Ich fiel aus allen Wolken, Franz und ich kannten uns ja auch nicht erst seit gestern, daher blieb ich hartnäckig: „Und wenn der Ausfall unserer Kommunikation mit Finsterwalde zusammengehängt?“

      Franz lachte mich aus, kichernd jaulte er laut: „Eine Invasion? Und ein Dutzend Stützpunkte eingenommen, halb Sachsen? Einfach nur lächerlich! Gehen Sie, gehen sie, guter Devaux. Wir wissen um Ihre Verdienste, aber jetzt gehen sie zu weit!“ Mir egal, es reichte mir nicht, ich fragte: „Kann ich wenigstens die beiden Einheiten des OTS und WSE bei ihrem Einsatz vor Ort begleiten? Mir selbst ein Bild machen?“ Oberst Franz winkte ab: „Das ist unmöglich, sie wissen das, wir können derzeit nicht auf sie verzichten! Daher befehle ich ihnen, hier zu bleiben! Ist das klar?“ Ich wurde richtig laut, ich glaubte es das erste Mal ihm gegenüber: „Was, wenn ich Recht habe, hä? Was, wenn da draußen Scheiße läuft? Haben Sie eigentlich eine Ahnung was alles in Finsterwalde deponiert ist? Wozu gibt es meine Abteilung, wenn wir nicht eingesetzt werden? Und wenn ich unabkömmlich bin, dann sind sie ja wohl auf mich angewiesen!“. Ich schnaufte, atmete tief durch. Dann, nach kurzem Überlegen, sagte ich ruhig: „Ich melde mich morgen Mittag telefonisch bei ihnen!“ und knallte die Tür hinter mir zu, während ich bereits davonstürmte. Von ihm kam kein Wort.

      Ich stürzte zum Telefon, versuchte vergebens meine beste Agentin zu erreichen. Wir hatten uns länger nicht gehört, sie konnte sonst wo sein. Weder die offiziellen Angaben in der Personalakte waren da hilfreich, weil sie sie oft selbst fälschte, noch die aktuellen Einsatzberichte, weil sie keine ablieferte. Daher rief ich geschwind jemand anderen an. Nach kurzem Freizeichen hörte ich: „Müller am Apparat, Hallo“. Es war der Mann von Susanne Albrecht. Müller war seit der Hochzeit ihr neuer Familienname. Ich fragte, ob Ingrid da sei, nannte eine bestimmte Firma, von der ich sei. Doch er verneinte, Ingrid sei auf einer Firmentagung, für eine Woche. Frustriert verabschiedete ich mich, dann legte ich auf. Schnell versuchte ich es noch bei Silke Maier-Witt und Henning Behr, die ich auch nicht erreichte, auch auf Tagung.

      Da schwante mir, dass nicht nur Inge Viett fehlte, sondern auch möglicherweise die ganze Gruppe der Zehn,

      Inges eigene kleine Privatarmee.

      Damit war eigentlich schon klar, dass es sich hier nicht nur Kommunikationsprobleme zwischen Stützpunkten handelte, sondern um viel, viel mehr. Ich saß wohl im Tal der Ahnungslosen,…

      und mir waren die Hände gebunden!

      Also rief ich ohne weiteres Zögern den Wichtigsten an, denjenigen, der mir unbedingt helfen musste, aber das würde mich was kosten!

      Denn dazu musste ich über Vermittlungsstelle für internationale Verbindungen gehen, dort gab man an, wenn man erreichen wollte, erst dann wurde das Telefonat hergestellt. Als ich dort anrief war die Telefonistin hörbar verstimmt als ich kund tat, wen ich erreichen wollte.

      Sie fragte drei Mal nach, ob sie mich richtig verstanden habe! Nochmal so oft musste ich meinen Namen und meinen Rang angeben. Der Ton in ihrer Stimme hatte etwas von: „Na dann, auf Nimmer-Wiedersehen!“.

      Das konnte mich meinen verdammten Kopf kosten!

      Sie verband mich, nach einer Weile dann das Freizeichen. Es dauerte einen unglaublich langen Moment, dann wurde abgehoben. Ich ließ mich erneut verbinden, dann hörte ich auf der anderen Seite: „Guten Tag, Uwe Dee, Leiter des Bundesgrenzschutzes, Gruppe 9, am Telefon.“

      Dann sprach ich, so gut und deutlich es ging und erzählte, soweit möglich, nur das Wichtigste, immerhin war es eine der am meisten abgehörten Leitungen der Welt.

      Kapitel 15

      4.Oktober 1989 / 07: 41 Uhr / HQ KHH, Bautzen, DDR

      Erinnerungen von Uwe Behrendt, KHH Feindaufklärung

      Erneut bauten wir ein Hauptquartier auf, jetzt zum letzten Mal und größer denn je. Pfahler vom technischen Dienst, Kexel vom Führungsstab und ich verteilten die ankommenden Trupps auf das Gelände, versuchten unser Bestes, Ordnung reinzubringen. Man musste die Leute wenigstens nach Waffengattungen trennen. Vor allem wollte ich nicht, dass meine Leute von den Spezialkommandos mit dem Rest rumhingen. Hoffmann war noch nicht da. Der Schwung der Aktion war unglaublich, während Panzer, Truppentransporter und Jeeps auf das Gelände fuhren, kamen auch laufend Freiwillige daher, die sich anschließen wollten. Das machte die Lage unüberschaubar und wir wussten nicht, ob wir nicht schon aufgedeckt waren, ob sich unter den neuen Leuten nicht bereits verdeckte Schnüffler der Gegenseite befanden.

      Seit vergangener Nacht fehlte Bergmann. Es konnte sich nur um eine Entführung handeln, vielleicht sogar aus dem Lager heraus. Das machte mir generell Sorgen, tat mir aber vor allem ganz persönlich leid. Wir hatten in der Vergangenheit gemeinsam viel erlebt, in den widerlichsten Nestern unser Werk verrichtet. Aber bis auf diesen Schmerz verlief alles andere wie geschmiert, die Stimmung war entsprechend verdammt gut, wenn nicht schon zu gut. Ich sah viele, die ganz offensichtlich nicht nüchtern waren. Solch unprofessionelles Verhalten kannte und mochte ich nicht.

      Ursprünglich kam ich ja auch aus der DDR, erst nach meiner Flucht in den Westen und jahrelangem Dienst für Hoffmanns Wehrsportgruppe war ich an Weihnachten 1980 mit Hoffmanns Hilfe in die DDR zurück geflüchtet. Denn nach dem verpatzten Oktoberfest Attentat und nachdem ich unseren Erzfeind Shlomo Lewin und seine Frau in Nürnberg ermordet hatte, musste ich schnell weg. Nach weiteren Aufträgen in der DDR hatte man 1981 meinen Tod arrangiert, weil durch den Mossad, für die Erfassung meiner Person, tot oder lebendig, eine exorbitant hohe Summe ausgelobt worden war.

      In Wahrheit arbeitete ich im Schutz der SED weiter, unter allerhöchster Sicherheitsstufe. Denn auch in der DDR wurde ich gesucht, von meinen persönlichen Feinden, wie Inge Viett. Die blöde Schlampe wollte weder sterben noch aufgeben. Deswegen war ich hier dabei. Erstens würde sie garantiert auftauchen und wir konnten das ein für alle Mal regeln, zweitens würde ich nach dem hier genug Geld haben, um für immer im Sumpf eines diktatorischen Staates auf fünf Sterne Niveau den Rest meines Lebens zu verbringen. Das hier würde aus der DDR sowieso etwas machen, wo keiner mehr leben wollte. Schon jetzt war es ekelhaft, nebulös und hinterfotzig. Nur das keiner drüber sprach. Mal abgesehen davon hatte ich die Schnauze voll, in Intershops Unsummen für Westartikel zu berappen.

      Mit meinen Listen stand ich an der großen Einfahrt zum Gelände. Wir fühlten uns wie fulminante Feldherren, Pfahler neben mir schrie, er habe selbst bei der Bundeswehr nicht so viel Material gesehen.

      Gut so und wir hatten viel Platz hier.

      Die Basis in Bautzen war ein aufwendiger und großer Flughafen, ein spätes Kind des kalten Krieges, erbaut zwischen 1986 und 1988, also gerade erst fertig geworden, unter totaler Geheimhaltung. Man verbaute die 45 Millionen Ostmark sehr kompliziert, mit dutzenden kleinen Unternehmern, damit niemand jemals alle Pläne sah, noch wusste, was genau gebaut wurde. Es war die erste Anlage dieser Komplexität in den Händen der NVA, nicht GSSD. Die Anlage beinhaltete eine über zwei Kilometer lange Startbahn, auf dem alles starten und landen konnte, was flog. Es gab acht große gepanzerte Hangars für je zwei Tupolew Tu160, sowjetische Langstreckenbomber, am Ende der Startbahn. Neben den Hauptgebäuden standen Hangars für eine Staffel Aero L-39 Albatros L39ZO, Jäger tschechischer Bauart. Der größte Teil des Objektes war allerdings unter der Oberfläche verbaut: Lager, Schlafstätten, Aufenthaltsräume, Bunker, SS-27-Raketen mod. 2 (Jars / RS-24), das waren silogestützte Atomraketen, auf deutschem Boden. Genutzt wurde die Anlage offiziell von der Offiziershochschule der LSK/LV für Militärflieger "Otto Lilienthal" und dem Fliegerausbildungsgeschwader 25 "Leander Ratz", welche beide aktuell geschlossen waren. Wie immer waren nur die Maschinen da. Die L39ZO war wohl nicht effektvoll genug für die Feierlichkeiten in Berlin. Die Techniker und Ingenieure des Fliegertechnischen Bataillons und der Waffenwerkstatt waren nach Hause gegangen oder hatten sich uns angeschlossen, die Soldaten der NFB 25 Radarstellung und das gesamte Kommando unter Oberst Kerlchen hatten wir inhaftiert. An die unterirdische Raketenleitstelle war nicht ranzukommen, wie auch an das meiste was sich unterirdisch befand, aber das war nicht wichtig, sie würden nicht hochkommen. Auch konnten sie auf baldige Befreiung nicht hoffen, da man uns hier keinesfalls aus der Luft beschießen würde.

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