Скачать книгу

einer der feindlichen Kämpfer unmittelbar vor einem auftauchen konnte. Wir hatten Glück, erreichten die letzten 200 Meter zum Wald, dort aber offenes Gelände, mit weniger Nebel. Wir wurden deswegen immer schneller, notgedrungen, ich sah Dutzende von uns entweder vor oder neben uns herlaufen.

      Dann sprinteten wir, ohne Deckung, den Tod im Genick. Schon erwischte es die Ersten, es waren helle, lange Pfeiftöne, mit einem krassen Knall nach dem Einschlag. Die Getroffenen flogen meterweit durch die Luft. Sie hatten ihren Angriff jetzt mit Scharfschützen ergänzt, wohlwissend, dass wir jetzt kein schweres Gerät mehr hatten und nur noch rannten. In Panik liefen wir noch schneller, zum Teil im Zick-Zack wie bockiges Rotwild. Ich hatte jetzt wirklich Angst. Aus der Ferne hörte ich zudem das erste Mal Helikopter, wenn die da waren, war es endgültig vorbei. Es ging viel zu schnell!

      Wir rannten wie die Weltmeister.

      Die Kugeln prasselten nur so an uns vorbei, es war Irrsinn, der Helikopter musste jeden Moment in Schussreichweite sein. Noch verbargen sie sich wie Geister hinter der Nebelbank. Es waren vielleicht noch fünfzig Meter. Maus rannte einen Meter vor mir, der Waldrand kam jetzt voll in Blick, schon hatten wir den geteerten Bereich verlassen. Mein Hirn rief nur noch: „Ja, ja, ja!“ Sonst nix. Schon spürte ich den teuflisch heißen Wind der Rotoren. Panik!

      Plötzlich drehte Maus sich um, stoppte leicht, ließ mich auflaufen, packte mich und riss mich zu Boden, während vor uns, viel zu früh, die geplante Hölle losbrach. Unsere Waldlinie feuerte, alles was sie hatte, auch Flugabwehrraketen. Für einen Moment veranstalteten sie ein gigantisches Feuerwerk, das den russischen Angriff jäh beendete.

      Die Hubschrauber mussten schwer getroffen sein, denn sie drehten ab, einer ging sogar nicht unweit von uns zu Boden. Wir krochen hinter eine kleine Erhebung, um vor unseren eigenen Männern in Deckung zu gehen. Kleine Steine sprangen um mich herum, weil unsere Leute auch meinen kleinen Hügel, keine zwanzig Meter vor ihnen, trafen. Unglaublich. Mit zugekniffenen Augen und Splittern im Gesicht starrte ich die Landebahn hinab. Es surrte, krachte und pfiff in einer Tour. Die russischen Panzer hatten noch nicht nachgesetzt, die toten Fallschirmspringer lagen zu Dutzenden auf dem Flugfeld. Einer gar nicht unweit, sein Alpha-Wimpel auf dem Oberarm war von hier erkennbar. Spezialtruppen des russischen Geheimdienstes. So war das also. Erledigt von ein paar betrunkenen Neonazis.

      Es würde sicher nicht lange dauern bis die russische Feuerleitstelle die Haubitzen neu ausgerichtet hatte und auch die Schützenpanzer nachrückten. Sie waren sicher stinksauer! Wir krochen also schnell weiter, während Maus endlich über Funk den Befehl gab, das Feuer einzustellen. Erst nach einer weiteren Minute, die sich wie ewig anfühlte, dann kein Schießen mehr.

      Wir erhoben uns und sammelten uns zwischen den Bäumen.

      Die Stimmung dort war glänzend, weil man es dem Gegner voll besorgt hatte, während ich einfach viel zu wenige Männer aus den vorderen Verteidigungslinien erblickte, die es geschafft hatten. Maus meldete: „Kommandant, die Einheiten aus Brandenburg sind an unserer rechten Flanke vorbeigezogen und bauen bereits die Verteidigungspositionen östlich von Bautzen auf. Wir sind bislang die Einzigen, die angegriffen werden! Wir sollen die Stellung so lange wie möglich halten, um die Russen zu beschäftigen. Urbach ist auf DDR-Staatsgebiet und derzeit in Plauen. Er wird von den Einheiten dort nach Dresden gebracht. Alles nach Plan. Nur Bergmann wird vermisst!“

      Ich forderte: „Wenn sie die schon dran haben, fragen sie, wann wir mit dem atomaren Schutzschirm rechnen können! Erklären Sie, dass die hier nicht lange fackeln, selbst bei höchster Gefahr!“ Maus glotzte mich etwas hilflos an und ich dachte mir, was sollte er schon sagen und klar, dass Hoffmann noch niemand öffentlich informiert hatte. Er wartete bis zur letzten Sekunde, außerdem war Urbach mit den Codes noch nicht da, er hatte es verkackt und war zu spät, wie von mir erwartet. Scheiße. Die Bomben waren ohne Codes ein einziger Bluff, das waren sie ehrlich gesagt auch schon mit Ihnen.

      Es lag nur an der Höhe des Einsatzes, dass es funktionieren konnte.

      Aber was wenn unser Bluff schon aufgeflogen war?

      Und was war das mit Bergmann? Ich kannte Kay-Uwe, wir hatten jahrelang Seite an Seite gekämpft, wurden gemeinsam vom französischen Geheimdienst Falange gefoltert, er würde nie davonlaufen, dafür würde ich meinen rechten Arm hergeben.

      Es musste etwas geschehen sein.

      So wie es lief, sah ich meinen Plan ernsthaft in Gefahr.

      Kapitel 17

      04.10.1989 / 09: 30 Uhr / GSG9-Zentrale, St. Augustin, BRD

      Erinnerungen von Uwe Dee, Kommandeur der GSG9

      Ich lenkte meinen Audi Sport Quattro in die Einfahrt unserer Zentrale. Nach der Überprüfung durch den Wachhabenden an der Schranke fuhr ich zu einem der Parkplätze direkt neben dem Haupteingang. Es war ein gewöhnlicher Tag für mich und die Grenzschutzgruppe 9, wie üblich würden wir trainieren, reparieren und warten. Unsere Spezialeinheit galt ja als Trainingsweltmeister. Das lag zum einen daran, dass wir nur bei Spezialeinsätzen zum Zuge kamen, die nicht alltäglich waren, aber auch deswegen, weil unsere Missionen stets geheim gehalten wurden. Ich leitete als Führungsoffizier und Kommandeur diese Männer, seit unser legendärer Anführer, die unsterbliche Ikone Ulrich Wegener, in den wohlverdienten Ruhestand gegangen war. In allem was ich tat versuchte ich so gut zu wirken wie er, aber es gelang mir nur mit viel Mühe. Seine Führungsqualitäten waren einmalig gewesen. Er war der renommierte, international bekannte Held von Mogadischu, der Befreier von über hundert deutschen Geiseln aus einer Lufthansa Maschine, aus den Fängen von Terroristen, ohne Verluste auf Seiten der Geiseln und des GSG9. Ich war damals selbst bei dem grandiosen Einsatz dabei gewesen.

      In den Folgejahren hatten wir spektakuläre Verhaftungen von deutschen Terroristen vorgenommen und erfolgreich international Personenschutz garantiert. Heute koordinierten wir ein vielfältiges Spektrum an Aufgaben: Überwachungsflüge, Transport wichtiger Politiker, Rettungseinsätze, Evakuierungen oder die Suche nach Personen. Die Männer der GSG9 waren harte Jungs, Spezialisten in jeder Hinsicht, klug, aber nie arrogant. Mit einem soliden Privatleben und einer ausgeglichenen Natur. Es waren Polizisten, keine Soldaten. Im Einsatz konnte sich jeder Einzelne blind auf dem anderen Verlassen. Wegen dieses herausragenden Korpsgeistes liebte ich diesen Haufen so abgöttisch.

      Wie immer wirkte die Zentrale der GSG9 in St. Augustin eher leer und unbewohnt, von außen machte sie nicht viel her. Wenn es Trouble gab, dann immer hinter verschlossenen Türen und wenn viele Einsatzkräfte für Trainings oder Briefings anwesend waren, merkte man es draußen nicht. Mit seinen roten Ziegeln und den kleinen Fenstern wirkte das Gebäude, selbst bei seiner Größe, wie ein Vorstadthäuschen, inmitten eines stark bewaldeten Gebietes. Im Anschluss daran fand allerdings etwas ganz anderes statt.

      Dort war die GS Fliegerstaffel Nord stationiert, unmittelbar an der Zentrale, im Anschluss an den zivilen Flughafen von St. Augustin. In den Hallen standen knapp hundert Maschinen, SA 330 J Puma, alte Bells, SA318 C Alouette II und die ersten super Pumas, echte Power Maschinen, zu fliegen bei fast bei jedem Wetter. Der technische Dienst des Bundesgrenzschutzes galt als der Beste der Welt, unsere Maschinen sahen auch nach über zwanzig Jahren noch wie neu aus. Wir stellten die Größte polizeiliche Flugstaffel in Europa.

      Im Keller des Hauptgebäudes befand sich eine Waffenkammer mit über 2.000 Handfeuerwaffen, das modernste, was zu bekommen war. Dazu Schießstände, Werkstätten und Munitionsdepots. Depots für Zusatzausrüstungen, für Verpflegung, für medizinische Artikel. Alles Unterirdisch, auf höchstem Level. Darüber Trainingshallen, Unterkünfte und Gemeinschaftsräume.

      Ich ging die paar Stufen zum Haupteingang hinauf und erkannte dabei schon einige Teilnehmer der anstehenden Sitzung des Aufstellungsstabes. Angehörige der Führungsriege, der Verbandsleitung und des Beirates standen in der Halle mit den Dienstgruppenleitern zusammen und warteten bei einem Kaffee auf den Beginn der Sitzung. Eine verwaltungstechnische Angelegenheit stand an, es ging wie immer ums Geld. Als ich eintrat war es wie ein großes Erwachen, man stand auf, drehte sich zu mir, allseits Erleichterung, dass es jetzt losgehen konnte. Ich begrüßte kurz die Wichtigsten, auch Fox und Weygold waren da. Wir ließen uns alle am großen Tisch im Besprechungsraum nieder, dann beackerten wir Kostenpunkt für Kostenpunkt. Eine zermürbende Angelegenheit.

Скачать книгу