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sich vehement für die flächendeckende Zulassung selbstfahrender Autos in Österreich eingesetzt. Und jetzt starb er in einem.

      Das Argument für eine derart schnelle gesetzliche Regelung lautete, dass man damit die österreichische Wirtschaft weiter ankurbeln könne. »Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut«, war ein Leitspruch der Regierungspartei. Im Falle der selbstfahrenden Autos spielte Österreich aber tatsächlich eine wichtige Rolle am internationalen Markt. Sowohl der österreichische Leiterplatten-Hersteller AT&S, Infineon, als auch das österreichische Technologie-Unternnehmen TTTech mit Sitz in Wien lieferten nämlich wertvolle Bauteile für die selbstfahrenden Autos. Die Akzeptanz der autonomen Autos bei der Bevölkerung war daher von Anfang an sehr gut und die Technologie wurde als positiv und alternativlos wahrgenommen. All dies fasste Stefanie in einem Hintergrund-Beitrag, für den in der Printzeitung stolze zwei Seiten vorgesehen waren, zusammen. Sie musste nur wenige Fakten noch einmal überprüfen, das meiste davon hatte die Journalistin noch im Kopf, weil sie oft genug darüber berichtet hatte. Sie galt als Expertin auf diesem Gebiet.

      Natürlich hatte es auch in Österreich die ethischen Diskussionen rund um die Rolle des Menschen am Steuer gegeben. Stefanie konnte sich noch zu gut an die Frage aller Fragen erinnern: »Ist der Mensch überhaupt in der Lage, sich im Verkehrsgeschehen zurechtzufinden, wenn er davor gerade etwas ganz anderes gemacht hatte wie telefonieren oder Videos ansehen?« Systeme zur Fahrerbeobachtung ergaben, dass die durchschnittliche Reaktionszeit in so einem Fall bei 15 Sekunden lag – zu lang, um Unfälle zu verhindern. Und damit wäre eine derartige Regelung, dass der Fahrer am Ende immer die Verantwortung habe, eigentlich fahrlässig gewesen. Gott sei Dank hat man sich hier dank den Vorgaben der EU noch anders entschieden, dachte die Journalistin. Stefanie hatte das oft genug kritisiert, doch die Wirtschaftslobby mit ihrem »Österreich muss Vorreiter sein« war stärker als eine einzelne Journalistin. Die anderen Medien hatten diesen Aspekt in ihrer Berichterstattung großteils vernachlässigt, weil von Seiten des Wirtschaftsministeriums regelmäßig Gelder aus Inseraten flossen. Und das war in diesen für Medienhäuser seit Jahren wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer wichtiger.

      Zahlreiche internationale Wissenschaftler hatten in der Debatte argumentiert, dass man regelkonforme Verkehrsteilnehmer immer bevorzugen müsse. Andere hatten dafür plädiert, dass jegliche Gewichtung von Menschenleben strengstens verboten gehört – außer es betraf den Insassen. Stefanie dachte an die 13-jährige Radfahrerin und das Auto. War dieses ausgewichen, obwohl die Sensoren eigentlich anzeigen hätten müssen, dass es glatt und die Fahrbahn nass war? Hätte der Flexus Alpha nicht wissen müssen, dass er damit die Sicherheit seines Insassen gefährdete? Oder hatte das Auto lediglich den Radius falsch bemessen und beim Ausweichen einen Fehler gemacht? Das alles würde darauf hindeuten, dass sie selbst am Ende absolut gar nichts mit dem Tod Steinrigls zu tun gehabt hätte. So ein Algorithmus ließe sich sicherlich auch nicht ändern, wenn man in das Steuersystem eingedrungen war. Oder? Stefanie beschäftigte noch immer sehr, dass sie nur wenige Tage vor dem Tod des Ministers dessen Flexus Alpha aus der Ferne hätte steuern können.

      Zehn Minuten vor dem Print-Redaktionsschluss war sie mit ihrer Analyse fertig: »Autonomes Auto: Rad wichtiger als Insasse?« Sie lehnte sich in ihrem Bürosessel zurück, ließ die Arme fallen und atmete tief durch. Dann schrieb sie Paul eine verschlüsselte Nachricht: »Ich glaube, ich weiß, warum Steinrigls Auto verunglückt ist.«

      Paul antwortete zügig: »*Gespannt bin*.«

      Stefanie hatte aber jetzt keine Energie mehr, um ihm noch einmal zu antworten. Sie war fertig für heute. Heim und ab in die Badewanne. Gerade wenn es draußen kalt und nebelig war, half ihr am ehesten ein Entspannungsbad beim Abschalten und Loslassen vom Alltagsstress. Ausgepackt hatte sie ihren Koffer aus Barcelona auch noch nicht. Aber das würde sie auf morgen verschieben. Jetzt hatte sie sich ihren Feierabend verdient!

      Kapitel 5

      »Ich hab’s dir ja gesagt, Miro. Das mit der Zulassung in Österreich, das war ein Fehler. Wir hätten warten müssen. Das Land ist zu klein und die Absätze bei weitem zu niedrig, als dass wir uns jetzt deswegen unser Geschäft ruinieren lassen«, sagte Josef Brand am Telefon zum österreichischen Noofle-Geschäftsführer. Bei dem Autokonzern liefen die Telefone heiß, seit die ersten Medien – allen voran das Blatt »24 Stunden« – mit den Spekulationen begonnen hatten, dass die Sicherheit des Fahrzeuginsassen in dem Fall weniger wichtig gewesen sei als die einer 13-jährigen Radfahrerin. Der Todesfall des österreichischen Finanzministers hatte es auch weit über die Grenzen Österreichs hinaus in die Medien geschafft. Es wurde praktisch weltweit darüber berichtet. Und überall wurde die Marke Noofle genannt. Klar – schlechte Presse war gleichzeitig auch gute Presse –, und in Brasilien zum Beispiel, da konnte der Konzern sogar aufgrund des Vorfalls bereits leicht steigende Absatzzahlen des Flexus Alpha verzeichnen. Dort mochte man nämlich keine Finanzminister. Und in den Köpfen der Menschen dort blieb vor allem der Markenname »Noofle« hängen.

      Aber in Österreich und im restlichen Europa, da versuchten nun viele Kunden, ihre Vorbestellungen zu stornieren. Gott sei Dank hatte man bei Noofle die Verträge allerdings so gestaltet, dass ein Rücktritt nur schwer möglich war. Das allerdings verärgerte die Kunden jetzt erst recht. Die drohten nun wiederum damit, an die Presse zu gehen. Irgendwie musste Brand also den Super-GAU verhindern.

      »Weiß man schon Näheres? Habt ihr den Hergang des Vorfalls schon fertig analysiert?«, fragte Brand von der Unternehmenskommunikation.

      »Noch nicht ganz. Wir warten da noch auf Informationen aus Kalifornien. Die Zeitverschiebung, du weißt. Aber es wird einige Überraschungen geben«, sagte Miro Slavic. »Es sieht so aus, als hätte es gar nichts mit dem Rad zu tun. Aber wir müssen noch abwarten.«

      Abwarten. Hmm. Das war gar nicht das, was Brand hören wollte. »Warum hat das Auto eigentlich nicht von selbst den Notruf gewählt? Das hätte es doch beim Aufprall auf den Baum sofort tun müssen!«, forschte Brand.

      »Ja, das ist ja das Merkwürdige. Ab 16.55 Uhr reagierte der Flexus Alpha scheinbar nicht mehr so, wie er es eigentlich hätte tun sollen. Um 17.10 Uhr kam es dann zum Crash. Das Mädchen am Rad, das war nur zufällig da auf der Straße vor unserem Wagen«, erklärte Slavic. Er erzählte damit eigentlich bereits mehr, als er offiziell sollte. Es galt in der Causa noch eine strikte Geheimhaltungspflicht, auferlegt von der Konzernzentrale in Kalifornien. Nichts durfte nach außen dringen. Und die Aufgabe eines Kommunikationschefs war es schließlich, zu kommunizieren. Slavic bereute daher sogleich auch wieder, was er ausgeplaudert hatte.

      »Weiß die Polizei das schon?«, fragte Brand.

      »Nein, weiß sie nicht. Wir haben ihr bisher nur den Zeitpunkt des Crashs übermittelt. Und das soll auch momentan so bleiben. Also erzähle auf keinen Fall etwas weiter!«

      »Lass uns morgen wieder telefonieren, da haben wir hoffentlich schon mehr Informationen.«

      Brand seufzte tief. Für ihn war dieser Wissensstand, also sowohl der offizielle als auch der inoffizielle, äußerst unbefriedigend. Er merkte aber, dass es aussichtslos war, weiter nachzufragen. Wenn da nicht diese Medien wären, die immer alles so drehten, wie es ihnen gerade passte. Von wegen das Auto war dem Mädchen ausgewichen und opferte das Leben des Insassen! Das war eine bodenlose Frechheit, so etwas ungeprüft zu behaupten. Absolute »Fake News« und pure Spekulation.

      Zum Verkaufsstart des Flexus Alpha in Österreich war noch ein Jubelbericht nach dem anderen zu lesen gewesen über die große, goldene Zukunft des autonomen Fahrens. Jahrelang waren die Roboter-Autos als glorreicher Ausweg aus der Mobilitätskrise abgefeiert worden. Die Roboter-Autos, die die Welt retten.

      Wenn die Sensoren der Fahrzeuge miteinander kommunizierten und man damit den Verkehrsfluss so optimieren könnte, dass es nie wieder zu Staus käme: Das wäre der Traum aller Autofahrer! Und wenn es keine Unfälle mehr gäbe, die von rücksichtslosen Fahrern verursacht wurden. Oder wenn die Roboter-Autos einen bequem auf Bestellung von Ort A nach Ort B brächten, ohne dass sie einem selbst gehörten. So viele Menschen hatten gejubelt, als Noofle – sowie auch die Konkurrenz – ihnen erzählt hatten, dass das in Österreich bald alles Realität werden würde.

      Auch über die tolle Funktion, die vorsah, dass

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