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dem Verhör von Fuchsbauer selbst war dann relativ rasch klar, dass er nichts mit dem Mord an Wolfgang Steinrigl zu tun haben konnte. Er stotterte, zitterte und brach in Tränen aus, als man ihn mit den Verdächtigungen konfrontierte. Diese Palette an Emotionen konnte keiner mit der Intelligenz eines Franz Fuchsbauers spielen. Seine Computerfähigkeiten beliefen sich zudem nicht einmal auf ECDL-Niveau. Es bestand keine Chance, dass er sich in ein selbstfahrendes Auto gehackt haben könnte, und so wurde er ziemlich rasch von der Liste der Verdächtigen gestrichen.

      Bei Manuel Erlach dauerte die Überprüfung etwas länger. Der 22-Jährige war ins Visier des »Precrime«-Computers geraten, weil die Kombination aus seinem Browser-Verlauf, seinem Online-Shopping-Verhalten sowie seiner Social-Media-Aktivitäten auf Facebook ihn verdächtig gemacht hatten. Die Ausgangslage war hier etwas verzwickter. Erlach hatte im Internet regelmäßig nach neuen »Hacks« gesucht. Auch »Auto« war bei den Suchergebnissen häufig vorgekommen und der Flexus Alpha tauchte ebenso in seiner Liste der gesuchten Objekte auf wie die Begriffe »Computer«, »Hacker« und »Cyber«. Dazu kam, dass Erlach in einem Online-Shop vor kurzem einen neuen, leistungsstarken Rechner gekauft hatte. Ein Exemplar, mit dem Cyberangriffe auf Autos wie den Flexus Alpha tatsächlich durchgeführt werden könnten. Über Social-Media-Kanäle wie Facebook oder Twitter teilte Erlach seit Jahren zudem häufig Artikel, in denen der Finanzminister kritisiert worden war. Auch hier fiel den Ermittlern besonders der Zeitpunkt, als die Steuererhöhung beschlossen worden war, auf. Damals veröffentlichte Erlach Dinge, die als »systemkritische Hassreden« klassifiziert werden konnten. Um es kurz zu machen: Erlach war kein Freund der Konservativen Familienpartei (KFP). »Die Bevölkerung ist zum Staatsfeind geworden. Der Finanzminister übt sich in bösartiger Niedertracht, um das Volk kleinzuhalten. Nieder mit dem herrschenden System! Nieder mit der KFP!« Dazu war im Posting ein Bild mit dem »Anarchie«-Zeichen zu finden.

      Erlach wurde auch konkreter: »Steinrigl ist emotional bestenfalls mittleres Management. Und das gehört abgesetzt. Sofort.« Doch Erlach hatte nicht nur seine eigene Meinung recht aggressiv auf Facebook verkündet, sondern auch Artikel von Stefanie Laudon geteilt. Der Kommissar dachte sich kurz: Vielleicht steckt diese Journalistin mit Manuel Erlach unter einer Decke?

      All diese Indizien reichten auf jeden Fall dafür aus, bei Erlach eine Hausdurchsuchung anzuordnen. »Den Herren schauen wir uns genauer an«, sagte der Kriminalkommissar zu seinem Einsatzteam. »Ich bin gespannt, was wir finden werden.«

      Kapitel 12

      Noch am selben Tag stand die Kriminalpolizei vor der Haustür des 22-jährigen Verdächtigen. Das mit dem Durchsuchungsbefehl war schnell gegangen. Das lag einerseits daran, dass es sich beim Toten um den Finanzminister handelte, andererseits an der Tatsache, dass die Beweiskraft relativ stark war. Neben dem CSCC-Cyber-Leiter Erwin Hufnagl kamen insgesamt drei weitere Personen aus seinem Team sowie die klassische Spurensicherung mit. Schließlich ging es dabei vor allem um die Sicherstellung der Computer und des entsprechenden Zubehörs des Verdächtigen und das gehörte nicht zum Job des Kriminalkommissars.

      Manuel Erlach wohnte in einem Gemeindebau im 15. Wiener Gemeindebezirk in der Nähe der Johnstraße und der Verkehrsader Hütteldorfer Straße. Die Autos brausten vorbei, es stank nach Abgasen, alles war trist, grau in grau. So sah Wien im Dezember einfach aus, aber es passte gut zur Situation. Es dämmerte bereits. Der Johann-Hartmann-Hof lag in einer ruhigen Seitengasse und wirkte auf den ersten Blick eigentlich ganz gemütlich. Doch wegen der Gemütlichkeit war niemand hier. Die Beamten klingelten bei Erlach. Keine Reaktion. Da die Haustür offen stand, offenbar war der Türsummer kaputt, traten die Beamten ein und wagten sich gemeinsam bis vor die Haustür im 2. Stock vor. Einer der Mitarbeiter Leyrhofers lauschte an der Tür, während die anderen ihre Waffen bereithielten. Wenn Erlach der Täter war, könnte er schließlich auf den Besuch vorbereitet sein. Aus dem Inneren des Raums war laute Musik zu hören. Irgend so ein Techno-Kram, dachte sich Hufnagl. Es wummerte ganz schön durch die Wände und der Rhythmus ertönte gleichmäßig im Vier-Viertel-Takt. Nicht mein Geschmack, dachte Hufnagl. Aber das bedeutete vor allem eines: Der Tatverdächtige war also zu Hause.

      Die Beamten klingelten erneut, dieses Mal direkt an der Tür. Dann klopften sie. Dann hämmerten sie. Und warteten. Und nichts geschah. Dem Einsatzleiter riss der Geduldsfaden. »Tür auftreten!« Bei der alten, ungesicherten Tür war das sogar ziemlich einfach. Es brauchte nur einen einzigen schwachen Stoß mit dem Fuß und schon stand das siebenköpfige Squat-Team in der 43-Quadratmeter-Wohnung des arbeitslosen 22-Jährigen.

      Manuel Erlach hatte Kopfhörer auf, als die sieben Beamten, von ihm unbemerkt und ungebeten, in seine Wohnung stürmten. Er war mit dem Rücken zur Tür gedreht und spielte an so einem Ding herum, was später als DJ-Controller identifiziert werden konnte. Das war ein Gerät, mit der Erlach die Musik steuerte und zusammenmischte, die in einer ziemlichen Lautstärke aus den beiden Lautsprechern, die am Boden standen, kam. Bum Bumm. Bum Bumm. Bum Bumm. Bum Bumm.

      Überhaupt fiel den Beamten sofort auf: Die Wohnung war sehr spärlich eingerichtet. Neben einer Matratze, einer Lampe, einem Tisch mit zwei Sesseln, einer Stereoanlage und einer Kommode, auf der dieses DJ-Zeug aufgebaut war, war nicht viel drin. Die Lampe war gerade so hell, dass man seine eigenen Hände vor den Augen erkennen konnte. Sie hatte sicher maximal 30 Watt und war die einzige Beleuchtung neben einer kleinen Schreibtischlampe, die auf der Kommode platziert war. Neben der Matratze stand ein Aschenbecher, der überquoll. Daneben lagen der Tabak, den man für Selbstgedrehte verwendete, sowie eine halbleere Wodkaflasche und ein gebrauchtes Kondom. Welche Frau würde freiwillig in diesem Loch übernachten, fragte sich Hufnagl.

      Der 22-Jährige hatte die Beamten noch immer nicht registriert, so vertieft war er in seine Musik. Hufnagl sah sich weiter intensiv im Raum um: Der einzige Computer, den er entdecken konnte, stand zwischen dem Verdächtigen und seinem DJ-Controller und wurde gerade benutzt. Also ortete Hufnagl keine Gefahr, dass der Verdächtige das Teil so schnell würde entsorgen können. Es ließ ihn auch relativ rasch daran zweifeln, dass dieses schmale, junge Bürschchen etwas anderes tat, als sich wie ein Superhero vorzukommen, obwohl er nichts weiter war als ein arbeitsloser Drogensüchtiger.

      Während Hufnagl den Raum mit seinen Augen durchforstete, hatte ein anderer Beamter sich einer einfachen, altbewährten Methode, die auch so manches Elternteil bei seinen Kindern bereits eingesetzt hatte, um auf die Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten aufmerksam zu machen, bedient: Er zog den Stromstecker. Schlagartig war es still im Raum. Totenstill.

      Erlach drückte zuerst wie wild an den Knöpfen auf dem DJ-Controller herum, ehe er sich umdrehte. »Oida, meine Aufnahme ist im Arsch!«, fluchte er vor sich hin. Doch dann entdeckte er die Eindringlinge in seinem Heim. »Was, was … wer sind Sie? Was machen Sie hier?«, waren seine ersten Fragen. Er war sichtlich schockiert und hatte nicht mit einer Hausdurchsuchung gerechnet. Seine Pupillen weiteten sich vor Schreck. Er konnte es gar nicht fassen, dass da plötzlich sieben Männer in seiner Wohnung standen. War das wegen dem bisschen Haschisch, das er noch zu Hause hatte?

      Das konnte doch nicht sein! Der Konsum von Marihuana und Haschisch wurde in den letzten Jahren zunehmend toleriert. Und verkauft hatte er das Zeug nie. Und vom Koks, das er gestern Abend im Club zu sich genommen hatte, war nichts mehr übrig. Die Drogen konnten also auch nicht dafür verantwortlich sein, dass da plötzlich sieben Polizisten mitten in seinem Zuhause standen. Waren die Beamten etwa hier, weil er ab und zu illegale Musik-Files aus dem Netz runtergeladen hatte? Aber das war doch stets die Ausnahme gewesen! Er versuchte, seine Musik für die Partys, so weit es eben finanziell ging, zu kaufen und nicht gratis aus dem Internet zu saugen. Das stand im DJ-Codex. Das machte man alleine schon aus Respekt den Künstlern gegenüber nicht. Er hatte sich nur ein paarmal nicht daran gehalten, als er wirklich total pleite war. Und er hatte sich die Musik immer nachträglich auch noch legal gekauft, wenn er wieder Geld erwirtschaftet hatte. Aber das konnte es doch auch nicht sein, oder? Zwar waren mittlerweile echt viele Webseiten im Netz blockiert, die Musik illegal angeboten hatten, aber dass die Polizei deshalb zu irgendwem persönlich gekommen wäre, davon hatte er noch nie gehört.

      »Herr Erlach, wir haben hier einen Durchsuchungsbefehl für Ihre Wohnung. Uns interessiert besonders Ihr Computer. Wie viele Computer besitzen Sie und wo haben Sie Daten gespeichert? Vielleicht auf USB-Sticks oder externen

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