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      »Sven, halt den Mund. Brodersen, fahren Sie fort«, wies Fricke Malin an.

      Andresens Gesicht färbte sich feuerrot.

      »Es gibt noch weitere Hinweise, die uns zu Charlotte Leon­berger führen. Ich hatte gestern ein interessantes Telefonat mit Henriette Woy, der Witwe unseres ersten Opfers. Sie hat bestätigt, dass ihr Mann die Krimiautorin kannte. In den Siebzigern war er ihr Kinderarzt. Auch zwischen Viktoria Steiner und Charlotte Leonberger gibt es eine Verbindung. Ich habe in der Wohnung der Toten alle vier Krimibände gefunden, alle mit persönlicher Widmung. Charlotte Leonberger …« Sie legte die signierten Bände vor sich auf den Tisch und ließ dann die Bombe platzen. »Charlotte Leonberger war die beste Schulfreundin von Viktoria Steiner. Falls jemand an der Richtigkeit meiner Aussage zweifeln sollte: Ihr findet im Anhang eine Klassenliste aus dem Jahr 1977«, beendete Malin ihren Bericht. Ihr Herz pochte und ihre Hände zitterten.

      Es blieb still. Alle anwesenden Augenpaare sahen erst zu Malin und dann zu Fricke.

      Fricke räusperte sich. »Sie haben mich überzeugt, Brodersen, wir werden der Sache nachgehen.«

      »Aber das ist doch total irre, was für ein Verrückter kommt auf so eine Idee?«, fragte Ole Tiedemann. Sein ohnehin blasses Gesicht wirkte jetzt kreidebleich.

      »Es ist unsere Aufgabe, das rauszufinden, Ole. Ich befürchte nur, wir werden uns fachliche Unterstützung holen müssen.« Fricke wendete sich wieder Malin zu. »Mal abgesehen von Ihren Privatermittlungen, was hat die Befragung von Eliza­beth Völkers ergeben?«

      Malin wechselte einen kurzen Blick mit dem übernächtigt aussehenden Bartels. »Ich habe sie gestern noch aufgesucht. Sie hat den Montagabend mit Viktoria Steiner in einer Weinstube am Großneumarkt verbracht. Gegen elf sind beide aufgebrochen. Getrennt. Viktoria Steiner war mit dem Wagen da, Völkers hat ein Taxi genommen«, berichtete Malin.

      »Wurde das überprüft?«

      »Das Taxiunternehmen hat die Angaben bestätigt.«

      »Der Mörder könnte sie auf dem Weg zum Auto abgepasst haben.«

      »Wurde denn das Auto schon gefunden?«, ertönte eine dunkle Stimme. »Vielleicht hat der Mörder sein Opfer auch vor der Tür abgepasst.« Malin sah neugierig zu der brünetten Frau, die zwischen den anderen Ermittlern saß. Die Beamtin war von kräftiger Statur und trug ihr Haar zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Dass auffälligste Merkmal waren ihre zahlreichen Sommersprossen und das tiefe Timbre ihrer Stimme.

      »Nele Richter vom KDD«, erklärte Fricke, »war eine der ersten Kollegen vor Ort beim Torhausmord. Sie wurde uns vorübergehend zur Unterstützung zugeteilt. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Und ein guter Einwand, den Sie vorgebracht haben. Das können Sie dann auch gleich überprüfen. Fred, du befragst die Leute in der Weinstube. Sven und Ole, ihr knöpft euch die Familie und Nachbarn vor. Sie, Brodersen, kümmern sich um die Adresse von dieser Krimiautorin.«

      »Habe ich bereits.«

      »Gut. Dann werden wir beide der Dame einen Besuch abstatten.« Er klatschte in die Hände. »So, Leute. An die Arbeit. Fred, Sven und Brodersen, hierbleiben.«

      Fricke wartete, bis der Rest der Ermittlungsgruppe den Raum verlassen hatte, dann schaute er von Malin zu Bartels. »So, ihr beiden, und jetzt erklärt mir mal, warum Brodersen alleine eine wichtige Zeugin befragt. Woher wollt ihr wissen, dass sie nichts mit dem Mord an Viktoria Stein zu tun hat?«

      »Tja, Hans, also das war so …«, begann Bartels.

      »Es war meine Schuld, Chef.« Betreten sah Malin zu Boden. »Frederick hat gesagt, ich soll Andresen mitnehmen, aber irgendwie bin ich dann alleine los. Es tut mir leid.«

      »Verdammt, Brodersen, ich habe Ihnen doch neulich schon gesagt – keine Alleingänge. Schreiben Sie sich das gefälligst hinter die Ohren. Sie sind noch viel zu unerfahren. Und was Ihre ständigen Kabbeleien mit dem Kollegen Andresen angeht, klärt das, wir haben für solchen Kinderkram keine Zeit.« Er warf Andresen, der noch immer auf seinem Platz saß und Kaugummi kaute, einen finsteren Blick zu. Dann schaute er auf seine Uhr. »Ich muss noch einige Telefonate führen. Brodersen, wir treffen uns in zwei Stunden. Sie können jetzt gehen.«

      Das ließ sich Malin nicht zweimal sagen. Schnell folgte sie Bartels aus dem Raum.

      Sie hatten gerade beschlossen, eine Kleinigkeit essen zu gehen, als Fricke nochmals seinen Kopf aus der Tür streckte. »Fred, eins noch: Sorg bitte dafür, dass die Völkers noch mal zur Aussage aufs Präsidium kommt. Und, Brodersen?«

      »Ja, Chef?«

      »Mal abgesehen von der Sache mit dem Verhör – gute Arbeit, Mädchen. Sie sind hartnäckig, das gefällt mir.« Sein Kopf verschwand wieder im Inneren des Raumes.

      Unmittelbar darauf drang lautes Gebrüll durch die geschlossene Tür, teils von Hauptkommissar Fricke, teils von Kriminaloberkommissar Sven Andresen.

      Zwanzig Minuten später bog Malin in die Gertigstraße ein. Glücklicherweise fanden sie auf Anhieb einen Parkplatz.

      Bartels beförderte seine langen Beine umständlich aus dem Mini. »Ich finde es ja nett von dir, dass du mich zum Essen einlädst, aber nächstes Mal fahre ich. Dein Auto ist ja nur was für Zwerge.«

      »Danke. Schau, da ist es.« Malin wies auf einen unscheinbaren Laden mit großer Fensterfront. Durch die Scheibe konnte man die schlichte Einrichtung erkennen: Stehtische mit rot-weiß karierten Lackdecken und eine Ladentheke mit italienischen Spezialitäten. Auf einer Tafel waren in kritzeliger Schrift die Tagesgerichte notiert.

      »Du lädst mich in einen Stehimbiss ein?«, fragte Bartels irritiert.

      »Das ist kein Stehimbiss. Das ist der beste Italiener der Stadt, du wirst schon sehen.«

      »Bester Italiener? Deswegen ist wohl auch erst ein Tisch belegt?«

      »Fred, jetzt maul nicht rum, es ist noch nicht mal zwölf. Warte mal ab, was hier in einer Stunde los ist.«

      Die Türglocke kündigte ihr Eintreffen an. Eine rundliche Italienerin mittleren Alters trat durch einen Kettenvorhang. Als sie Malin erkannte, erhellte sich ihr Gesicht und sie breitete die Arme aus.

      »Commissaria, wie schön, Sie mal wieder zu sehen. Kommen Sie, lassen Sie sich drücken.« Sie umarmte Malin herzlich und musterte sie dann eingehend. »Aber Commissaria, Sie sind ja ganz dünn geworden. Dagegen müssen wir etwas tun. Lassen Sie mich nur machen. Ich habe gerade eine vorzügliche Pasta fertig.« Sie tätschelte Malin die Wange.

      Bartels starrte seine Kollegin ungläubig an, seine unausgesprochene Frage schien ihm regelrecht auf die Stirn geschrieben.

      »Gut, dann nehmen wir zweimal von der Pasta«, beschloss Malin.

      »Commissaria, wer ist denn Ihr hübscher junger Freund?«

      Malin stellte sie einander vor. Emilia zwinkerte Bartels zu und verschwand dann in Richtung Küche.

      »Commissaria …?«, fragte Bartels.

      »Warum nicht? Hört sich doch gut an, außerdem sind wir schon alte Freunde, Emilia und ich.« Malin zuckte die Achseln.

      »Warum hast du eigentlich nicht mit mir geredet, Malin?«

      »Worüber?«

      »Tu nicht so, das weiß du doch genau.«

      »Gegenfrage: Hättest du mir denn geglaubt?«

      »Eins zu null für dich. Aber sag mal, wann hast du das alles überhaupt rausgefunden?«

      »Du meinst den Zusammenhang mit den Büchern?«

      Bartels nickte. Malin erzählte ihm von ihrem Déjà-vu beim Anblick der Torhausleiche, dem tagelangen Durchforsten der Bücher und dem letztendlich entscheidenden Hinweis, der die beiden Morde miteinander verknüpfte.

      »Ganz schön abenteuerlich.«

      Malin runzelte die Stirn. »Weißt du, was mir wirklich Kopfschmerzen

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