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nur eine Kette gewesen sein. Frauen tragen so etwas. Malin, du solltest dich wirklich nicht zu sehr auf die Sache einschießen, vielleicht erweist sich das alles doch noch als Sackgasse.«

      Malin schüttelte den Kopf. »Das wird es nicht. Ah, da kommt das Essen.«

      Emilia hatte sich eine Schürze um die Hüften gebunden, was sie noch dicker erscheinen ließ, und trug ein großes Tablett vor sich her. Sie stellte zwei Teller mit dampfender Pasta und einen Brotkorb auf den Tisch. Dann stellte sie noch unaufgefordert eine Karaffe mit Wein dazu. Bartels hob sofort abwehrend die Hände.

      »Ein kleines Schlückchen wird auch Ihnen gut tun, Commissario. In Italia trinkt jeder mittags Wein. Egal, ob Straßenfeger oder Polizist. Salute«, entgegnete Emilia resolut und verschwand wieder hinter ihrem Tresen.

      Mit kauenden Backen grinste Bartels Malin an.

      »Mmh, lecker«, sagte er, nachdem er seinen letzten Bissen mit einem Schluck Wein hinuntergespült hatte. Sein Teller war blitzblank. »Malin, ich muss sagen, du hattest recht. Das Essen ist geradezu fantastisch.« Alle Tische in dem kleinen Lokal waren mittlerweile belegt und um sie herum herrschte lautes Stimmengewirr.

      Malin schob ihren Teller beiseite. »Was war eigentlich gestern Nachmittag los? Warum konntest du nicht mit zur Völkers kommen?«

      Ein Schatten flog über Bartels’ Gesicht. »Meine Frau hat mich nach Hause zitiert, um mir ein Ultimatum zu stellen. Ich soll bis Ende der Woche ausziehen, sonst tauscht sie die Schlösser aus und meine Sachen landen auf dem Sperrmüll.«

      »Das kann sie doch nicht machen«, entgegnete Malin erbost. »Wer von euch beiden ist schließlich fremdgegangen? Ja wohl nicht du. Lass dir das bloß nicht gefallen.«

      »Und du? Wir sprechen immer nur von mir. Bist du mit jemandem zusammen?«

      Malin starrte auf ihr Wasserglas. »Zur Zeit nicht.« Diese Gesprächswendung behagte ihr nicht.

      »Aber es gab jemanden?«, hakte Bartels nach.

      »Natürlich, ich bin schließlich keine Nonne.«

      »Das wäre auch zu schade.« Seine dunklen Augen musterten sie eingehend.

      »Wir sollten jetzt lieber gehen«, entgegnete Malin spröde. »Ich möchte nicht riskieren, dass Fricke ohne mich zu Charlotte Leonberger fährt.«

      Die Fahrt nach Strande dauerte fast anderthalb Stunden.

      Fricke wirkte angespannt. Schweigsam saß er am Steuer seines Dienstwagens und lauschte seiner ABBA-CD. Malin nutzte die Zeit, um einige Telefonnotizen durchzugehen, die ihr Tiedemann noch kurz vor der Abfahrt in die Hand gedrückt hatte.

      Zwei waren von ihrer Mutter. Die konnten warten. Eine weitere Nachricht war von Ingrid Larsen. Malin runzelte die Stirn. Was konnte die wollen? Sie griff nach ihrem Handy und wählte die angegebene Nummer. Niemand hob ab.

      »Haben Sie unseren Besuch angekündigt?«, fragte Fricke. Sie hatten mittlerweile die A7 verlassen und fuhren die B503 Richtung Eckernförde.

      »Sie meinen bei der Leonberger? Ja, das habe ich schon vom Präsidium aus gemacht.«

      »Was haben Sie ihr gesagt? Warum wir kommen, meine ich.«

      »Gar nichts. Interessanterweise schien sie nicht im mindesten überrascht über meinen Anruf«, entgegnete Malin und genoss für einen Moment die Aussicht auf den Nordostseekanal.

      Fünfzehn Minuten später parkte Fricke den Dienstwagen vor einem reetgedeckten Haus. Solange ihr Vorgesetzter noch mit seinen Unterlagen kämpfte, schaute sich Malin draußen ein wenig um.

      Das Haus von Charlotte Leonberger stand auf einer kleinen Anhöhe direkt an der Uferpromenade nur wenige Meter vom Strand entfernt. Eine Handvoll Bäume und eine zwei Meter hohe Hecke schützten die Bewohner vor neugierigen Blicken. Die Fassade war rot geklinkert und die vielen Sprossenfenster waren weiß lackiert. Kleine halbrunde Fenster lugten aus dem Reetdach hervor. Die Vorderfront des Gebäudes war von oben bis unten verglast und bildete einen reizvollen Kontrast zum Rest des Hauses.

      Endlich schien Fricke alle nötigen Dinge in seiner abgewetzten Ledertasche verstaut zu haben. Er ging an Malin vorbei und trat mit energischen Schritten durch die Holzpforte. »Jetzt kommen Sie schon, Brodersen. Sie werden heute die Befragung durchführen.«

      Malin zögerte. Und was, wenn sie doch falsch lag? Sie schüttelte den Gedanken ab, trat entschlossen neben Fricke und betätigte die Klingel.

      Die Tür wurde geöffnet und eine ältere Frau mit dunklen Knopfaugen stand vor ihnen. Malin stellte sich und ihren Chef vor.

      Die Frau reichte ihnen die Hand. »Ich bin Alma Leonberger. Charlottes Tante. Sie hat mir schon gesagt, dass Sie kommen. Leider wird sie erst in ein paar Minuten zurück sein. Kommen Sie doch bitte herein.« Sie trat ein Stück beiseite und ließ sie eintreten. »Hier entlang.« Sie wies zum Wohnzimmer.

      Der Raum war komplett in hellen Tönen eingerichtet. Die Farbpalette reichte von weiß über creme bis zu einem Dunkelbeige. Das Eichenparkett war weiß lasiert. Malins Blick flog automatisch zu der verglasten Fensterfront, die eine atemberaubende Aussicht auf die wogende Ostsee bot.

      Alma Leonberger war neben sie getreten. »Am schönsten ist es während der Kieler Woche. Sie können die Windjammerparade direkt hier vom Fenster aus sehen. – Käffchen?«

      Malin und Fricke nickten beinahe gleichzeitig.

      »Die scheint ja auch nicht im mindesten überrascht zu sein, uns hier zu sehen, Brodersen«, flüsterte Fricke seiner Mitarbeiterin zu, nachdem Alma Leonberger aus dem Raum geeilt war. »Sieht aus, als hätten Sie den richtigen Riecher gehabt. Wo bleibt denn nun diese Autorin?«

      Malin zuckte die Achseln und schaute sich um. Im Wohnzimmer gab es nicht ein einziges Bücherregal. Ungewöhnlich für eine Schriftstellerin, dachte sie und beschloss nachzusehen, wo Alma Leonberger geblieben war. Sie wandte sich zur Tür und blieb abrupt stehen.

      Eine Frau in Jeans und heller Seidenbluse lehnte im Türrahmen und beobachtete die beiden Kriminalbeamten. Sie war groß und schlank und hatte langes feuerrotes Haar. Ihre tiefgrünen Augen sahen Malin unverwandt an. Dann glitt ihr Blick weiter zu Fricke, der ihr den Rücken zuwandte und die Bilder auf dem Kaminsims betrachtete. Malin erkannte die Frau mit dem eindrucksvollen Gesicht sofort. Vor ihnen stand Charlotte Leonberger.

      »Schauen Sie mal, Brodersen, dass muss sie sein. Sieht gar nicht aus wie eine Krimiautorin.« Fricke drehte sich zu Malin um und hielt ihr einen silbernen Rahmen hin.

      »Wie muss denn eine Krimiautorin Ihrer Meinung nach aussehen?« Charlotte Leonberger trat auf ihn zu und nahm ihm das Bild aus der Hand.

      Amüsiert bemerkte Malin die leichte Röte, die jetzt das Gesicht ihres Vorgesetzten überzog. Umgehend straffte sich seine ganze Statur, und er strahlte Autorität und Selbstsicherheit aus. »Fricke, Kriminalpolizei Hamburg. Meine Kollegin Brodersen. Ich nehme an, Sie sind die Autorin von diesen abstrusen Krimis.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

      Charlotte Leonberger zog ihre linke Augenbraue hoch. Ihr geringschätziger Blick wanderte über Frickes Kleidung. Er trug eine seiner ausgeleierten Cordhosen und eine abgewetzte Wachsjacke. Sein kariertes Hemd hatte sich mal wieder verselbständigt und hing mit einem Zipfel aus der Hose. Sein Haar war vom Küstenwind zerzaust und stand wild vom Kopf ab. Er bemerkte die Musterung und strich sich unwillkürlich über die Haare. Wieder stieg eine leichte Röte in sein Gesicht. Malin musste sich ein Lachen verkneifen. Schöne Frauen brachten ihren Chef leicht aus der Fassung.

      »Ich habe Ihre Bücher gelesen«, entfuhr es Malin.

      Charlotte Leonberger lächelte sie kurz an und wies dann auf die weißen Ledersofas. »Setzen wir uns.«

      »So, da bin ich wieder.« Alma Leonberger kam mit einem großen Tablett herein. »Bitte, greifen Sie zu.« Sie wies auf die Kaffeetassen und eine Schale mit Gebäck.

      Fricke ließ sich nicht zweimal bitten und griff nach den Keksen. »Selbstgebacken? Die sind gut.« Genüsslich kauend lehnte er

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