Скачать книгу

wage ich, mein verborgenes Ich zu enthüllen. Und ich möchte auch Sie von Herzen ermutigen: Lassen Sie sich nicht von Angst lähmen! Die Welt braucht Ihr verborgenes Ich!

      3. Selbstkritik und Selbstzweifel

      Ein weiteres Hindernis, das Introvertierten die Suche nach ihrer inneren Stärke erschweren kann, ist Selbstkritik. Selbstkritik an sich ist eine durchaus hilfreiche Eigenschaft. Sie hat die Funktion, sich selbst einen Spiegel vor Augen zu halten und das eigene Verhalten oder die eigene Leistung ehrlich zu reflektieren und zu bewerten. Sich selbst infrage stellen zu können und kritisch unter die Lupe zu nehmen, hilft dabei, wenn man wachsen und sich verändern will.

      Doch wie alles im Leben kann man auch dies übertreiben und aus einer reflektierenden Selbstanalyse werden lähmende Selbstzweifel. Dies gilt insbesondere für leise Menschen. Jene neigen nämlich dazu, besonders kritisch mit sich selbst umzugehen, und müssen ihre guten Seiten oft erst bewusst entdecken. Einerseits ist es durchaus lobenswert, wenn Intros hohe Maßstäbe an sich selbst anlegen und Standards für das setzen, was sie sein, leisten und erreichen wollen. Andererseits erschüttert ein zu kritischer Umgang mit der eigenen Person leicht das eigene Selbstvertrauen – ein Selbstvertrauen, das Menschen, die weniger streng mit sich sind, zur Verfügung haben und ausstrahlen.63

      So wird an sich gesunde Selbstkritik zu einem großen Hindernis, sobald sie nicht mehr konstruktiv ist. Destruktive Kritik ist meist unbegründet, beliebig, subjektiv, übertrieben und vor allem daran zu erkennen, dass Sie Ihnen nicht dabei hilft, besser zu werden, sondern Sie vielmehr daran hindert. Sie äußert sich beispielsweise in Äußerungen wie: »Das schaffe ich nie«, »Ich bin nicht gut genug«, »Andere können das besser« und so weiter. Plötzlich ist alles um uns herum viel zu schwierig, viel zu groß und wir selbst viel zu klein und viel zu schwach. Die anderen sind besser, schöner, erfolgreicher und haben das alles auch viel mehr verdient. Wir akzeptieren uns selbst nicht mehr, zweifeln an uns und bezweifeln, dass wir jemals Erfolg haben können. Dies hat oft auch direkten Einfluss auf unser Selbstbild und auf unsere Vorstellung davon, was andere von uns denken. Selbstzweifel rauben die Hoffnung, nagen am Selbstvertrauen oder können zur Folge haben, dass man bedeutsamen Impulsen nicht nachgeht oder seiner Berufung nicht folgt, weil man dem inneren Ankläger, der davon abrät, Gehör schenkt.

      Genau deswegen ist es äußerst wichtig, zerstörerische von konstruktiver Selbstkritik zu unterscheiden und Erstere zu vermeiden. Dabei ist von elementarer Bedeutung, dass wir die negativen Gedanken über uns selbst überwinden. Selbstzweifel besiegen und Selbstvertrauen aufbauen kann man nur durch Taten und positive Erfahrungen. Um der zerstörerischen Selbstkritik und den Selbstzweifeln ihre Macht zu nehmen, brauchen Sie einen klaren Blick auf Ihre Stärken! Bieten Sie Ihrem inneren Kritiker und den Selbstzweifeln Einhalt, die Ihnen einreden wollen, dass Sie ein hoffnungsloser Fall sind und dass bei Ihnen jegliche Suche nach inneren Stärken sinnlos ist. Das ist eine Lüge! Wenden Sie sich von ihr ab! Denn genau solche Lügen will uns der Teufel, der »Vater der Lüge« (Johannes 8,44), einflüstern. Lebenslügen entlarven können wir dann, wenn wir ihnen die Wahrheit entgegenhalten, die uns Jesus – als lebendig gewordene Wahrheit (vgl. Johannes 14,6) – in seinem Wort zuspricht.

      Wenn wir bloß auf uns und unsere Möglichkeiten schauen, kann in der Tat ernüchternd sein, was wir sehen. In den letzten Monaten kam mir wiederholt ein Lieblingssatz meiner früh verstorbenen Großmutter mütterlicherseits in den Sinn: »Im Leben und im Sterben bin ich sechs Nullen gleich. Jesus ist die Eins davor – das macht mich stark und reich!« Nicht in uns selbst liegt die Stärke, die unser Selbstbewusstsein aufbaut, sondern in der neuen Identität, die Jesus denen schenkt, die an ihn glauben. Gottes Kinder erhalten eine Würde geschenkt, die mit keinem Reichtum dieser Welt aufzuwiegen ist. Als Königskinder werden sie aus der göttlichen Schatzkammer beschenkt: mit Gottes Gegenwart, mit Stärke, Zuversicht, Vergebung, Trost, Hoffnung, Frieden, Mut, Freiheit, ewigem Leben. Woran klammern Sie sich – an Lebenslügen oder an die göttliche Wahrheit? Die Antwort auf diese Frage wird Ihren Alltag und Ihre Zukunft bestimmen.

      4. Überforderung und Passivität

      Während Extrovertierte dazu neigen, unter Druck und bei anstehenden Problemen in einen bemerkenswerten Aktivismus zu verfallen, geschieht bei vielen Introvertierten genau das Gegenteil. Es ist, als ob ihr U-Boot unter all der zusätzlichen Last gar nicht mehr den Weg zur Wasseroberfläche schaffen würde. Das Gefühl der Überforderung – aus welchen Gründen auch immer – kann so übermächtig werden, dass sich Introvertierte wie gelähmt fühlen. Statt wie Extrovertierte die Dinge aktiv anzugehen, kann es geschehen, dass Introvertierte innerlich erstarren, was sich äußerlich in einer passiven Haltung widerspiegelt.

      Das Gefühl der Überforderung ist in meinem Leben (leider!) ein häufiger, wenn auch unwillkommener Gast. Während ich in einigen Phasen unglaublich leistungsfähig bin und auf erstaunliche Weise über mich und meine Grenzen hinauswachse, gibt es umgekehrt Phasen, in denen ich mich innerlich so gelähmt fühle, dass nichts mehr geht. Konkret kann das bedeuten, dass ich mich – statt mich aktiv meiner viel zu langen To-do-Liste zu stellen – erschöpft hinlege, bevor ich überhaupt erst damit angefangen habe, die Liste abzutragen. Ich kann gut verstehen, dass mein extrovertierter Mann große Mühe damit hat. Das ist nämlich der zweite Punkt, den er auf meine Frage erwähnt hat, was ihn denn am meisten an mir stört: »[…] deine Passivität, wenn du zu viel Druck hast – alles schleifen lassen. Das ist gar nicht mein Ding.«

      Das Gefühl der Überforderung und Erschöpfung kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Vielleicht sind es tatsächlich zu viele Dinge, die parallel erledigt werden sollten. Vielleicht sind es aber auch Selbstzweifel oder Ängste, die uns lähmen. Vielleicht sind es Probleme oder Nöte, die uns beschäftigen. Seelische oder körperliche Schmerzen. Hilflosigkeit, weil Menschen in unserem Umfeld leiden und wir nichts dagegen tun können. Und so kämpfen viele Introvertierte eine Vielzahl von inneren Kämpfen, ohne dass nach außen hin etwas davon sichtbar wird. In alldem fühlen sie sich einsam und unverstanden. Sie sind nicht nur überfordert von ihren inneren Abgründen, sondern noch mehr überfordert, dies nach außen mitzuteilen.

      Kennen Sie solche und ähnliche Gefühle? Lassen Sie nicht zu, dass jene Ihre Suche nach der inneren Stärke verunmöglichen. Entscheidend ist, dass wir uns der Überforderung nicht resigniert hingeben, sondern dass wir mitten in aller Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit Halt suchen bei dem, der als Einziger Halt zu geben vermag: Jesus Christus. In ihm sind wir gehalten – auch in der Uferlosigkeit der Gedanken. In Psalm 139 wird auf berührende Weise deutlich, dass uns der lebendige Gott kennt wie kein anderer:

      Herr, du hast mich erforscht und kennst mich ganz genau. Wenn ich mich setze oder aufstehe – du weißt es; meine Absichten erkennst du schon im Voraus. Ob ich gehe oder liege, du siehst es, mit all meinen Wegen bist du vertraut. Ja, noch ehe mir ein Wort über die Lippen kommt, weißt du es schon genau, Herr. Von allen Seiten umschließt du mich und legst auf mich deine Hand. Erforsche mich, Gott, und erkenne, was in meinem Herzen vor sich geht; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Sieh, ob ich einen Weg eingeschlagen habe, der mich von dir wegführen würde, und leite mich auf dem Weg, der ewig Bestand hat!

      Psalm 139,1-5.23-24

      Impulse zum Weiterdenken

      • Nennen Sie die Hindernisse, die Ihnen auf der Suche nach Ihrer inneren Stärke im Weg stehen, beim Namen. Überlegen Sie, wie Sie gezielt gegen diese Hindernisse vorgehen können.

      • Suchen Sie aktiv eine Mentorin/einen Mentor oder einen Coach, die Ihnen dabei helfen, an Ihrer Persönlichkeit zu arbeiten. Ich weiß, dass das nicht einfach ist für introvertierte Menschen, aber ich habe an mir selbst erlebt, wie segensreich ein solcher Schritt ist.

      • Und sollten Sie sich im Moment in einer Zeit der tiefen Dunkelheit befinden, möchte ich Ihnen nochmals eindringlich ans Herz legen: Teilen Sie sich jemandem mit in Ihrer Not. Suchen Sie einen Arzt auf oder sprechen Sie mit einer Vertrauensperson und nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch! So schnell wie möglich!

Скачать книгу