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nachsehen, ob es überhaupt vorrätig war. Buchhändler oder Buchhändlerin war ein wunderschöner Beruf, den hätte Inge sich für sich selbst auch durchaus vorstellen können. Leider bekam sie immer mehr den Eindruck, dass es meistens reine Buchverkäufer waren, die sich heutzutage immer mehr in den Buchhandlungen tummelten, die man mittlerweile auch eher als Buchfabriken bezeichnen konnte. Es gab kaum noch inhabergeführte Buchhandlungen, die wurden von gigantischen Ketten übernommen oder mussten aufgeben, weil sie es finanziell nicht mehr durchhalten konnten. Es war keine schöne Entwicklung auf dem Buchmarkt. Die Anforderungen an das Personal hatten sich verändert, nicht die Literatur zählte, sondern der Umsatz war wichtig, und deshalb gab es in den meisten dieser unpersönlichen Läden halt lustlose Buchverkäufer und Verkäuferinnen, die sich mit dem, was sie taten, lange schon nicht mehr identifizierten, die keine Leidenschaft für diesen wundervollen Beruf besaßen. Dabei musste zur Ehrenrettung der -verkäuferinnen allgemein gesagt werden, dass die wussten, wo man die Dose Sauerkraut finden würde, wenn man danach fragte. Aber darum ging es nicht.

      Ach, es hatte keinen Sinn. Sie würde die Welt nicht mehr verändern, wollte es auch nicht, und solange es noch jemanden gab wie diesen liebenswerten Herrn Krumbiegel, war ihre Welt in Ordnung.

      Würde dieser Typ sich besinnen und erkennen, dass die Frau, die er gerade zum Teufel gejagt hatte, im Grunde die einzig Richtige für ihn war? Sie las ihr Buch mit Spannung.

      Inge blätterte um, sie wollte es erfahren, als es klingelte. Sie legte ein Lesezeichen zwischen die Seiten, klappte das Buch zu, legte es beiseite. Sie hasste die Unart mancher Menschen, einfach Eselsohren in ein Buch zu machen.

      Wer wollte denn jetzt schon wieder etwas von ihr? Mit der Beschaulichkeit war es schon jetzt vorbei, obwohl die ersten Möbelwagen im Neubaugebiet noch nicht einmal angerollt waren. Es hatte sich bei den Handelsvertretern jetzt schon herumgesprochen, dass es im Sonnenwinkel rund ging.

      Nun, sie würde keine Zeitungen kaufen, einen neuen Staubsauger benötigte sie nicht, auch keine Versicherung, und spenden an Fremde, für etwas, wovon sie noch nichts gehört hatte, würde sie ebenfalls nicht. Die Auerbachs waren bekannt dafür, großzügig zu sein, und sie gaben wirklich gern. Aber nicht für irgendwelche dubiosen Kanäle. Es waren genügend Betrüger unterwegs. Inge konnte es noch immer nicht fassen, dass es sogar hier im Sonnenwinkel möglich gewesen war, auf einen dieser schäbigen Enkeltricks hereinzufallen.

      Sie machte die Tür auf.

      Es war kaum zu glauben, was sie da sah. Heinz stand davor, ein wenig atemlos, ein Taxi stand quer vor dem Eingang, und eine Person, die sie nicht mochte, die ihr unangenehm war, stand hinter dem Taxi.

      »Heinz«, sagte Inge gedehnt, überrascht zugleich, denn Heinz Rückert gehörte nicht unbedingt zu den Menschen, die sich bei den Auerbachs die Türklinke in die Hand gaben.

      Er war ein wenig verlegen, sagte nichts, und deswegen fragte Inge: »Was hat das zu bedeuten? Wieso steht das Taxi dort, und wie kommt diese unangenehme Frau Schulze hierher?«

      Inge erwartete eine Erklärung von ihm, die konnte er ihr nicht vorenthalten. Aber diese Frau war so penetrant, die wich nicht von der Stelle, und der Taxifahrer konnte sie nicht einfach über den Haufen fahren.

      »Mit dem Taxi bin ich gekommen, und dass der Wagen so schräg in der Einfahrt steht, liegt daran, dass ich verhindern wollte, dass diese grässliche Person vor mir bei dir klingelt, sie war schon drauf und dran. Ich konnte das gerade noch im letzten Augenblick verhindern.«

      Da stimmte doch etwas nicht!

      Inges Stimmung veränderte sich augenblicklich, von wegen Gelassenheit und Entspannung, sie war jetzt vielmehr gespannt wie ein Flitzebogen.

      »Heinz, was ist passiert? Wieso bist du hier? Und was wollte diese Frau?«

      »Inge, können wir bitte erst einmal ins Haus gehen? Dann erzähle ich dir, was geschehen ist.«

      Seine Stimme klang ernst, Inge trat stumm beiseite, um ihn vorbeizulassen. Ehe sie die Tür schloss, sah sie, wie diese grässliche Frau Schulze sich endlich bewegte, der Wagen konnte losfahren. Das Gesicht von Frau Schulze sprach Bände, sie war wütend, dass sie nicht das Rennen gemacht hatte, um eine Sensation loszuwerden!

      Was für ein Jammer für diese törichte Frau!

      Die Auerbachs waren für ihre Gastfreundschaft bekannt, doch Inge spürte, dass das jetzt kein Besucher war, dem sie Kaffee anbieten konnte, zumindest in diesem Augenblick nicht. Sie bot ihm Platz an, und Heinz ließ sich auf einen der Stühle plumpsen.

      Luna und Sam hatten wohl gespürt, dass Besuch gekommen war, sie waren zur hinteren Terrassentür gerannt, kratzten, bellten, wollten hereingelassen werden. Normalerweise hätte Inge das auch getan, denn die Hunde mochten Heinz, auch wenn sie ihn nicht so oft sahen. Beauty und Missie von den Rückerts waren ihre Freunde, sie tobten oft miteinander herum. Und weil es so war, liebten Sam und Luna auch Rosmarie und Heinz, schnupperten an ihnen herum, ließen sich streicheln. Diesmal blieb Inge allerdings hart. Die Hunde mussten draußen warten, und die waren auch klug genug, um sehr schnell zu begreifen, dass sie keine Chance hatten. Also trollten sie sich, rannten in den Garten zurück, in dem sie mehr als genug Auslauf hatten.

      Inge wollte wissen, was geschehen war. Nichts Gutes, befürchtete sie, und aus diesen Gedanken heraus erkundigte sie sich angstvoll: »Heinz, ist etwas mit Rosmarie?« Diese Frage war berechtigt, denn warum sonst sollte Heinz jetzt bei ihr sein. Aber wie passte das Taxi in das Schema, und die neugierige Frau Schulze, was hatte die damit zu tun? Es machte alles keinen Sinn, aber warum war Heinz dann hier?

      Inge setzte sich ebenfalls, sie war jetzt auf alles gefasst, nachdem Heinz zuvor mit dem Kopf geschüttelt hatte. Also war mit Rosmarie alles in Ordnung.

      Ehe sie weitere Fragen stellen konnte, musste er ihr ganz behutsam beibringen, weswegen er gekommen war. Doch wo und wie sollte er beginnen? Heinz Rückert war ein Notar, noch dazu ein verdammt guter. Er kannte sich mit Gesetzestexten allerbestens aus, wusste, wie man Verträge aufsetzte. Als Überbringer von Hiobsbotschaften war er dagegen vollkommen ungeeignet. Er wand sich wie ein Wurm, doch es ließ sich nicht länger hinauszögern, Inge saß da wie auf heißen Kohlen, und er wollte es endlich hinter sich bringen. Aber wie sollte er es ihr sagen, ohne dass sie in einen Schockzustand verfiel? Er wusste doch, wie sehr sie Pamela liebte, ihr Nesthäkchen.

      »Bitte, Heinz«, rief sie, und ihre Stimme klang kläglich.

      »So rede doch endlich, du kommst doch nicht einfach nur hier vorbei, um mit mir Kaffee zu trinken.«

      Er zierte sich nicht länger, überlegte sich auch nicht seine Worte, es sprudelte nur so aus ihm heraus. Als er fertig war, schaute er sie betroffen an.

      Hatte Inge nicht richtig mitbekommen, was er ihr gerade erzählt hatte? Warum schrie sie nicht, warum saß sie wie versteinert auf ihrem Stuhl?

      »Inge …«

      Nur die Erwähnung ihres Namens löste die Schockstarre in ihr, in die sie verfallen war. Jetzt reagierte sie, sie wollte sofort ins Krankenhaus zu ihrer Tochter.

      »Inge, und das ist es, was Werner nicht möchte. Warum sollt ihr beide dort herumsitzen? Jetzt werden erst einmal alle Untersuchungen bei Pamela gemacht, und das kann dauern. Über den genauen Unfallvorgang werdet ihr auch erst alles erfahren, wenn er abgeschlossen ist.«

      Sie hörte ihm kaum zu.

      »Heinz, danke, dass du gekommen bist, um es mir zu sagen, doch ich muss jetzt sofort zu meinem Kind.«

      Sie sprang auf, Heinz hatte Mühe, sie zurückzuhalten.

      »Inge, in diesem Zustand kannst du unmöglich selbst mit dem Auto fahren, und das Taxi ist weg. Lass mich versuchen, Rosmarie zu erreichen, die kann mit dir nach Hohenborn fahren. Wenn du einverstanden bist, rufe ich Rosmarie jetzt an und bitte sie zu kommen, ja?«

      Inge war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Sie war nur voller Angst. Pamela hatte einen Autounfall gehabt, war von einem Auto angefahren worden, ihre leiblichen Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren.

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