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lenken, anstatt sie durch Strafen, Verbote und Befehle ihrem eigenen Willen unterzuordnen. Es ist ein schwerer Fehler.

      Nicht nur in der Erziehung des Kindes können wir die Folgen des Zwangs, also die Opposition, beobachten. In jeder menschlichen Gesellschaftsordnung sind Vorschriften und Einschränkungen, Verbote und Strafandrohungen gegeben, die in den Mitgliedern der jeweiligen Gesellschaft des Volkes oder Staates Widerspruch in allen Graden hervorrufen. Auch hier muß es so weit kommen, daß die Menschen aus eigenem freien Willen nur das Gute, das für die Gesellschaft Nützliche und Zweckmäßige denken und tun wollen. Ich sprach schon in dem Kapitel über das Strafrecht davon, daß durch Zwang und Strafen keine Besserung eines verfehlten oder verirrten Geistes erzielt werden kann, daß der Wille zum Guten auf andere Weise geweckt werden muß.

      Es ist der höchste Grad von Opposition, der durch Bestrafung hervorgerufen wird und statt einer Besserung nur – und in jedem Fall – eine viel tiefere Abneigung gegen die menschliche Gesellschaft erzeugt. Es gibt keinen Verbrecher, der eine Strafe als gerecht empfindet, nicht nach seinem innersten Gefühl, denn er erkennt, daß sie es nicht ist, die ihm die Schlechtigkeit oder Abwegigkeit seines Tuns zum Bewußtsein bringt. Das ist nur seine innere Stimme, sein Gewissen, sein guter Führer, dem er nicht gehorcht. Er fühlt bei diesem Erkennen aber auch schon seinen geistigen Fortschritt, möchte gerne seinen Irrtum gutmachen und wünschte ihn ungeschehen und die böse Tat nie begangen zu haben. Durch die Strafe wird er in die Opposition gedrängt, ob er will oder nicht, und daraus entsteht der Haß gegen die Gerichtsbarkeit, ja gegen die ganze menschliche Gesellschaftsordnung. Erkennt doch endlich, daß auf diese Weise kein Erfolg für die Menschheit erzielt werden kann und habt den Mut, restlos aufzuräumen mit dieser unrichtigen Auffassung von Strafe und Sühne und ihren vermeintlichen Erfolgen!

      Von einer anderen Seite erscheint die Opposition in der Politik. Sie ist meist nur aus einem bösen Willen oder dem Bedürfnis nach persönlicher Geltung entstanden und ist immer ungesund. Auch auf diesem Gebiet müssen die Menschen erkennen lernen, daß nur einmütige, selbstlose Zusammenarbeit wahren Erfolg bringen kann, daß der Einzelne so unbedeutend ist im ganzen großen Weltall und seinen gesetzmäßigen Zeitläufen, und daß die Gemeinschaft nicht durch Gegnerschaft gefördert werden kann, sondern nur durch Leistungen auf einer Ebene.

      Heute liegen die Gegensätze noch in der Überbewertung der materiellen Güter, denn nur dadurch entstehen die Klassen und Gesellschaftsschichten im menschlichen Leben statt einer Ordnung nach geistiger Reife im wahrsten Sinn des Wortes.

      Ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit oft Gelegenheit gehabt, diese unrichtige Einteilung in den menschlichen Bewertungsfragen zu studieren und habe für meine Tätigkeit einen anderen Maßstab gesucht und – wie ich glaube sagen zu dürfen – auch gefunden.

      Warum soll solche Einstellung, die – wie ich heute erkennen darf – die unbedingt Richtige ist, nicht Allgemeingut werden können? Sie wird es in gar nicht allzufern liegender Zeit sein und zwar dann, wenn die Menschen erkennen, daß das Geistige nicht nach materiellem Segen, möchte ich sagen, verteilt ist sondern ganz unabhängig davon.

      Entkleidet die Menschen bei der Betrachtung ihrer Persönlichkeit all ihres materiellen Reichtums und sichtbaren Rahmens, schaut ihnen ins Innere und erforscht nur die Reife von Seele und Geist, dann werdet ihr sie in die gerechte Ordnung bringen, und Menschenkenntnis wird einen anderen Sinn bekommen, als sie ihn heute noch besitzt. Über Menschenkenntnis wollen wir das nächste Mal nachdenken.

      4. Menschenkenntnis und ihre praktische Anwendung

      Ich muß wohl nicht nachdenken über das, was ich schreiben will, weil ich mit geistigem Auge ganz anders sehe als die materiellen Menschen. Ich sehe aber auch was sie unrichtig machen und verkehrt denken, und darauf will ich zu sprechen kommen, weil ich dann sicher meine Betrachtungen auf das irdische Denkvermögen abstelle und nicht in Versuchung komme, geistiges Sehen mit materiellem zu vermengen und zu vertauschen. Es würde ein großes Wirrwarr geben.

      Menschenkenntnis heißt: Wissen vom Charakter der Mitmenschen. Es setzt in seiner Bezeichnung schon voraus, daß ein Erkennen gegeben ist. Wir wollen aber nicht von hinten anfangen sondern aufzeigen, was notwendig ist, um richtige Menschenkenntnis – also Kenntnis vom Menschen – zu erlangen. Wie sollen wir einen anderen Menschen erkennen, seinen Wert zu schätzen wissen, wenn wir uns nicht erforscht und in allen Einzelheiten erkannt haben? Damit beginnt schon der erste große Irrtum.

      Menschenkenntnis – welche Bezeichnung ich nun auch im irdischen Sinn gebrauche – als das Streben nach Erkennen der menschlichen Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften und nicht als die bereits erworbene Kenntnis setzt voraus, daß man sich selbst sehr genau kennt und prüft und im Zusammenhang damit erst feststellt, ob man ein Idealbild darstellt, von dem man zur Prüfung anderer ausgehen, das man zum Vergleich heranziehen kann.

      Was will man damit überhaupt erreichen? Man sagt sehr oft – und diese Ansicht ist weit verbreitet – Menschenkenntnis sei das Wichtigste im Umgang mit seinen Mitmenschen. Das trifft wohl vielfach zu, ist aber bestimmt nicht in dem Grade und in der Weise wichtig, wie es meist aufgefaßt wird. Um die Handlungen, Taten und den Charakter eines Menschen richtig beurteilen zu können und um jeden Irrtum daher auszuschalten, müßte jeder mit geistigen Augen sehen können. Der materielle Körper verhindert die Durchsicht – möchte ich sagen – in das Innere der Mitmenschen und läßt daher niemals ein einwandfreies Urteil zu.

      Da wir aber nur nach ganz unumstößlichem Wissen und Beweisen urteilen sollen, müßten wir auf die Forderung nach Menschenkenntnis in diesem Sinn verzichten.

      Es kann im irdischen Leben jeder nur das Bild vom Mitmenschen bekommen, das er sich nach seiner eigenen geistigen Reife ausmalen oder zeichnen kann. Es wird also jeder ein anderes Bild von ein und demselben Menschen haben, wenn auch in Grundzügen und sehr markant ausgeprägten Eigenschaften vielleicht in der gleichen Richtung.

      Trotzdem ist es im menschlichen Leben notwendig, sich von der Umwelt ein möglichst genaues Bild zu machen. Es kann der Wahrheit mehr oder weniger nahekommen. Es kann in bestimmter Richtung – abgestellt auf besondere Fähigkeiten und Eigenschaften – richtig sein und zu menschlicher Verbindung und Zusammenarbeit den Weg weisen. Ein einwandfreies Gesamtbild wird man niemals erhalten können.

      Auch kommt es dabei darauf an, welche Ausstrahlungen sich bei dieser Erforschung treffen mögen, ob ein Gefühl der Harmonie entsteht oder das Bedürfnis nach Trennung und Abstand.

      Ein objektives Bild gibt es nicht dafür, weil jede Forschung in dieser Hinsicht subjektiv beeinflußt ist. Was aber der Arzt als Menschenkenntnis braucht und zu erlangen sucht, ist ein einwandfrei objektives Bild. Er versucht deshalb, nach einem Schema, das die Wissenschaft dazu geschaffen hat, die Regungen und Verhaltensweisen zu analysieren, zu abstrahieren und mit allgemeinen Erkenntnissen zu vergleichen.

      Es sind gewiß der gute Wille und die löbliche Absicht zu begrüßen. Ein bescheidener Anfang ist es zudem, was ich dazufügen will, um diesen noch so bescheidenen Grundlagen ein entsprechendes Gewicht zu verleihen und sie zu einem Fundament zu machen für eine fortgeschrittene und erfolgreiche Forschung. Ich sagte schon an anderer Stelle, daß der Mensch ein Einzelindividuum ist, daß es nicht zwei gleiche Geistwesen im Weltall gibt, jedenfalls nicht in den Sphären, die wir imstande sind zu überblicken. Es kann kein Idealbild für das irdische Leben aufgestellt und gefunden werden, dem jeder versuchen oder bestrebt sein müßte, nachzueifern.

      Es gibt aber Merkmale im irdischen Dasein, Lebenslagen und Zustände, die für alle Menschen im gleichen Maß gelten und geboten sind. Es darf aber nicht deshalb, weil der eine oder andere nur auf einem Teil solcher gemeinsamen Verhältnisse Erfolg zeigt – oder überhaupt menschliche Beziehungen – der Schluß gezogen werden, daß er einer Forderung im Leben der menschlichen Gesellschaft nicht gerecht wird, also in dieser Hinsicht einen Mangel aufzuweisen hat.

      Es gibt wohl solche Forderungen, die ich hier nicht eingeschlossen habe, und das sind die selbstverständlichen Forderungen der Zivilisation und Kultur, nicht aber Lebensbereiche, die jeder selbst zu wählen hat, Taten solcher Art, wie sie nur den eigenen Charakter zeichnen und bilden und die in der menschlichen Gesellschaft von der Allgemeinheit unabhängig,

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