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Zeit kein Miteinander mehr, sondern eher ein Nebeneinander. Es hatte funktioniert, mehr nicht. Rosmarie war die Kluft, die sich zwischen ihnen immer weiter auftat, bewusst gewesen, weil sie sich verändert hatte. Heinz war stehen geblieben. Und auf einmal geschah das, womit sie nicht in ihren kühnsten Träumen gerechnet hätte.

      Heinz bewegte sich auf sie zu!

      Rosmarie war vollkommen überwältigt, und sie konnte gerade mal seinen Namen hauchen: »Heinz.«

      Es war ein magischer Augenblick.

      Heinz zog seine Frau näher zu sich heran. Es wirkte ein wenig unbeholfen, doch es war unglaublich schön. Und dann küsste er sie.

      Er küsste sie, trotz der Menschen, die vorübergingen, trotz der zahlreichen Hundebesitzer ringsum. Es interessierte ihn nicht, auch nicht, dass man ihn erkannte. Er war schließlich wer in Hohenborn.

      Dr. Heinz Rückert wuchs über sich hinaus, und Rosmarie Rückert, seine Ehefrau, glaubte zu träumen. Sie erinnerte sich an früher, als es mit ihnen begonnen hatte.

      So ähnlich war sein erster Kuss gewesen. Wie lange lag das schon zurück, und was hatte sich nicht alles ereignet.

      In diesem Moment war alles vergessen. Heinz küsste sie, das gefiel ihr, es gefiel ihr sogar sehr, und deswegen erwiderte sie seinen Kuss.

      Und das Unglaubliche geschah!

      Die Schmetterlinge begannen zu fliegen …

      Ringsum bellten fröhlich die Hunde. Beauty und Missie kamen auf sie zugelaufen. Sie bellten, in der freudigen Erwartung, ein paar Streicheleinheiten oder gar ein Leckerli zu bekommen. Sie merkten es nicht.

      Für die Hunde war es nicht so gut, doch für Rosmarie und Heinz war es ein Zeichen, ein Zeichen, ein Signal für einen Neustart. Das war gut, sehr gut sogar.

      *

      Mit Nicki und dem Grafen Hilgenberg war alles in der Schwebe. Roberta konnte sich jedoch darüber nicht weiter den Kopf zerbrechen. Sie hatte ihre Pflicht getan. Sie hatte ihrer Freundin zugeredet, mit dem Grafen doch wenigstens ein Gespräch zu führen, und ihm hatte sie erzählt, was ihre Gespräche mit Nicki ergeben hatten. Vielleicht würde sie sich bei ihm melden, vielleicht auch nicht. Damit hatte sie jetzt nichts mehr zu tun, und mit seiner Enttäuschung musste Graf Hilgenberg allein fertigwerden. Sie hatte überhaupt keine Ahnung, ob der Graf Nicki treffen wollte, um alles zu erklären oder ob er ernsthaft an ihr interessiert war. Es würde sich zeigen oder auch nicht.

      Roberta hatte derzeit ganz andere Sorgen.

      Im Sonnenwinkel tobte eine Grippewelle, und sie hatte alle Hände voll zu tun. Sie und die unermüdliche Ursel Hellenbrink konnte dem Himmel nur danken, dass sie bislang von der Grippe verschont geblieben waren.

      Roberta war richtig froh, dass der letzte Patient an diesem Nachmittag keine Grippe hatte. Er hielt sich zufällig im Sonnenwinkel auf, er war auf der Durchreise, war beim Aussteigen aus seinem Auto hingestürzt und hatte sich am Handgelenk verletzt. Nun wollte er wissen, ob es gebrochen war. Roberta war zwar keine Orthopädin, doch diese Diagnose konnte sie stellen, weil sie eindeutig war. Der Mann hatte sich zum Glück nichts gebrochen, es war eine Verstauchung. Sie sagte ihm, was er tun sollte, und eigentlich hätte er jetzt gehen können. Er tat es nicht, sondern er erkundigte sich: »Wer hat dieses großartige Bild in Ihrem Wartezimmer gemalt? Ich konnte nichts auf der Leinwand erkennen.«

      Roberta wusste direkt, worüber er redete. Es war das Bild, das Alma für sie gemalt hatte.

      Sie antwortete nicht sofort, deswegen sprach er weiter. »Frau Doktor, ich bin Kunsthändler, und immer auf der Suche nach Neuem. Dieses Bild ist großartig. Es ist nicht perfekt gemalt, aber es fängt die Stimmung total ein, es ist berührend, und das ist manchmal wichtiger als Perfektion. Verraten Sie mir den Künstler? Ich würde mit ihm gern Kontakt aufnehmen.«

      Ihr hatte das Bild auch sofort gefallen, und sie war sehr gerührt gewesen, dass Alma es für sie gemalt hatte. Sie hatten von diesem Talent überhaupt nichts geahnt. Zuerst war der Lehrer bei ihr gewesen, bei dem Alma Unterricht nahm. Er hatte sie dazu bewegen wollen, Alma für ein Jahr in einer Künstlerkolonie zu beurlauben. Sie hätte zugestimmt, doch Alma hatte abgelehnt. Und jetzt dieser Kunsthändler. Es schien wirklich eine große Begabung in Alma zu schlummern. Und auch wenn der Gedanke, Alma zu verlieren, unerträglich für sie war, würde Roberta ihrer Getreuen niemals im Weg stehen.

      Sie erzählte dem Kunsthändler, um wem es sich da handelte, was er kaum glauben konnte. Aber dennoch wollte er mit Alma unbedingt Kontakt aufnehmen. Den hätte Roberta vermittelt. Es ging nicht, Alma war mit ihrem Gospelchor zu einem Konzert nach Irland geflogen.

      Der Kunsthändler war enttäuscht, er beschwor Roberta, unbedingt den Kontakt herzustellen.

      »Frau Doktor, ich lasse Ihnen meine Karte hier. Bitte, sagen Sie Ihrer Haushälterin, sie möge mich anrufen«, beschwor er sie, und Roberta versprach es. Sie hätte es eh getan, doch wenn sie ehrlich war, sie wollte den Mann loswerden. Sie war mit Lars verabredet. Er wollte, dass sie ins Haus am See kam, und er hatte ein wenig geheimnisvoll getan, was sie neugierig gemacht hatte.

      Er bedankte sich voller Überschwang.

      »Frau Doktor, der Unfall hatte geschehen müssen, sonst wäre ich niemals in Ihrer Praxis gelandet, und ich hätte dieses wundervolle Gemälde nicht gesehen. Manchmal passieren solche Dinge. Wenn ich mich recht erinnere, wurde die Grandma Moses mit ihren naiven Bildern weltberühmt, weil ein Vertreter sie zufällig in ihrer Abgeschiedenheit kennengelernt hatte.«

      Der Mann war begeistert, auch wenn sein Vergleich ein wenig hinkte.

      »Ich werde alles tun, ich verspreche es Ihnen«, sagte sie, dann begleitete sie den Mann hinaus, nachdem der sich noch einmal das Gemälde im Wartezimmer angesehen und mit ihrer Erlaubnis ein Foto gemacht hatte.

      »Wir haben es geschafft, Ursel«, rief sie, »und jetzt haben wir unseren Feierabend redlich verdient. Bleiben Sie gesund, das kann ich Ihnen aus vollstem Herzen mit auf den Weg geben, denn ohne Sie wäre ich aufgeschmissen.«

      Ursel lachte. »Keine Sorge, Frau Doktor, wir schaffen das, und uns passiert auch nichts.«

      Mit diesen Worten ging sie, Roberta eilte in ihre Wohnung, schlüpfte in eine Jeans, einen lässigen Pullover, sie zog bequeme Sneaker an, dann machte sie sich auf den Weg zu Lars.

      Sie freute sich unbändig auf ihn, auf den wohlverdienten Feierabend, den sie in dem kleinen Haus so richtig genießen konnte. Es war mittlerweile ihr Zufluchtsort geworden, in dem sie mit dem Mann, den sie liebte, wundervolle Stunden verbracht hatte, von denen sie nicht eine missen wollte.

      Sie rannte und kam ein wenig atemlos vor dem Haus an. Es brannte überall Licht. Es wirkte einladend, und als sie die Türklinke herunterdrückte, fiel aller Stress von ihr ab. Sie war nicht mehr die Frau Doktor, sie war die Frau, die liebte, die geliebt wurde.

      Es schlug ihr wohlige Wärme entgegen, Lars hatte im Kamin ein Feuer entfacht, es ertönte Musik. Besser ging es nicht.

      Es war die richtige Atmosphäre um dahinzuschmelzen.

      »Da bist du ja endlich, mein Schatz«, rief Lars, kam ihr entgegen, nahm sie in seine Arme, küsste sie. Dann ließ er sie los, griff in seine Tasche und zog etwas hervor, was ihr den Atem verschlug.

      Das …

      Das konnte jetzt nicht wahr sein!

      Roberta wurde rot, ihr Herzschlag beschleunigte sich, sie bekam feuchte Hände.

      Nein!

      Sie konnte es nicht glauben!

Verliebt in ein Phantom

      Dr. Roberta Steinfeld, die coole Ärztin, die jeder Situation gewachsen war, fühlte sich in diesem Augenblick komplett überfordert.

      Sie hätte mit allem gerechnet, damit nicht.

      Sie hatte es sich immer gewünscht, erhofft, aber nicht wirklich erwartet.

      Und nun sollte ihr Traum wahr werden?

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