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zögerte.

      »Eigentlich wäre mir ein Tee lieber … ein grüner Tee.«

      Inge konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen. Wahrscheinlich hatte Rosmarie da wieder etwas gelesen, und prompt sprang sie auf den Zug. Im Grunde genommen war sie doch auch eine richtige Kaffeetante.

      »Du bekommst deinen grünen Tee, meine Liebe. Ich freue mich wirklich sehr, dass du hier bist. Es hat mir etwas gefehlt, die Plaudereien mit dir waren immer schön.«

      Inge war immer so nett, so herzlich. Seit sie selbst sich verändert hatte, kam Rosmarie sehr gern zu Inge. Sie konnte überhaupt nicht mehr verstehen, warum sie früher immer ein wenig herablassend auf Inge geblickt hatte. Das wohl in erster Linie, weil Inge dem Konsumzwang nicht unterlegen war. Andererseits hatte sie vor den Auerbachs auch stets ein wenig Respekt gehabt.

      Für die zählten andere Dinge im Leben, die kauften sich lieber ein neues Buch anstatt eines neuen Shirts, sie gingen lieber ins Theater anstatt zu einem Event, bei dem es darauf ankam, zu sehen und gesehen zu werden.

      Rosmarie wischte all diese Gedanken beiseite. Sie war froh, dass sie in einem neuen Leben angekommen war, das viel mehr Substanz hatte.

      Kaffee gab es bei den Auerbachs immer. Es war auch überhaupt kein Problem, Rosmarie den gewünschten grünen Tee zuzubereiten. Und während sie das tat, plauderte Inge ein wenig. Sie erzählte von Hannes, der jetzt mit seiner Freundin zusammengezogen war.

      »Die beiden sind ja noch sehr jung, da zieht man rasch zusammen. Ich werde allerdings das Gefühl nicht los, dass es mit Joy ernst zu sein scheint. Meinen Segen haben sie, ich finde Joy sehr sympathisch, sie passt zu Hannes. Sie ist unkompliziert.

      Vermutlich liegt das auch daran, dass sie mit fünf Brüdern aufgewachsen ist. Das ist schon eine Herausforderung, außerdem scheinen die Australier das Leben einfacher zu sehen als wir.«

      »Ich habe diese Joy ja leider nicht gesehen. Du hast mir lediglich ein paar Fotos gezeigt. Sie sieht wirklich sehr sympathisch aus, so wie eine Frau, die weiß, was sie will. Aber sag mal, Inge, stört es Hannes eigentlich nicht, dass sie Medizin studiert, während er doch …«

      Rosmarie brach ihren Satz ab, den Inge ruhig fortsetzte: »Während Hannes lediglich das Abi gemacht hat und nicht einmal eine ordentliche Berufsausbildung hat. Diese Tatsache bekümmert Werner sehr, und ich hatte anfangs ebenfalls meine Probleme damit. Meine Eltern haben mir den Kopf geradegerückt. Sie haben mir vor Augen geführt, wie clever und zielgerichtet Hannes seinen Weg geht. Und das stimmt ja auch. Er weiß genau, was er will. Er hat Erfolg und verdient eine ganze Menge Geld für sein Alter, das er gut anlegt und investiert. Aber ich glaube, dass Geld nicht so wichtig für Hannes ist. Er hat sich für eine einfache Lebensführung entschieden. Er braucht kein großes Auto, keine stylischen Klamotten, kein tolles Haus. Er braucht seine Freiheit. Außerdem kommt es doch überhaupt nicht darauf an, was Werner und ich wollen. Es ist das Leben von Hannes.«

      Rosmarie nickte.

      »Hannes war immer anders als eure anderen Kinder, ich finde, er ist ein richtiger Sonnenschein, und er sieht blendend aus. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Mädchen hinter ihm her sind, da muss Joy ganz schön aufpassen.«

      Inge winkte ab.

      »Rosmarie, es kommt, wie es kommt. Hättest du gedacht, dass Stella und Jörg sich einmal trennen werden?«

      Es war Rosmarie immer noch peinlich, schließlich war Stella ihre Tochter.

      »Es war Stella, die aus der Ehe ausgebrochen ist, Jörg hätte das nie getan«, sagte sie dennoch wahrheitsgemäß.

      Inge hätte jetzt antworten können, dass man niemals nie sagen sollte, dass sie für Jörg auch nicht die Hand ins Feuer legen würde. Für niemanden. Aber es hatte Jörg schon sehr mitgenommen, er litt. Das würde wohl jeder tun, der vor den Trümmern seiner scheinbar heilen Welt stand.

      Inge wollte das Thema jetzt nicht vertiefen. Sie hatte genug schlaflose Nächte deswegen gehabt, und ändern konnten sie nichts, weder Rosmarie noch sie. Außerdem würde Rosmarie sich wieder ganz furchtbar aufregen, weil Stella nichts von sich hören ließ.

      Inge stellte Rosmarie den gewünschten grünen Tee auf den Tisch, die trank genüsslich einen Schluck.

      »Grüner Tee ist das Beste, was man sich antun kann. Der ist ja so gesund, senkt den Blutdruck, die Cholesterinwerte, macht ausgeglichen, hält jung. In Okinawa gibt es die meisten Hundertjährigen, und das …«

      Nein!

      Da wollte Inge jetzt nicht einsteigen.

      »Möchtest du einen Keks essen, vielleicht auch ein Stückchen Kuchen?«, unterbrach sie Rosmarie.

      Die überlegte kurz.

      »Was für einen Kuchen hast du denn?«, erkundigte sie sich schließlich. Inge konnte backen wie eine Weltmeisterin.

      »Ach, nur einen einfachen Zitronenkuchen.«

      Was redete Inge da? Ihr Zitronenkuchen war der beste von der ganzen Welt. »Ein Stückchen Kuchen nehme ich gern«, sagte Rosmarie sofort und vergaß all ihre guten Vorsätze. »Aber wenn es geht, dann bitte ein großes.«

      Inge erfüllte den Wunsch ihrer Besucherin, und sie wunderte sich überhaupt nicht, als diese nach dem Genuss der ersten Kuchenbisse sagte: »Ich glaube, zu dem Zitronenkuchen schmeckt doch am besten ein Kaffee. Den Tee trinke ich dann später.«

      Vergessen waren die Hundertjährigen von Okinawa!

      Inge konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, ehe sie den Wunsch von Rosmarie erfüllte.

      Rosmarie, die noch immer eisern die französische Sprachenschule besuchte, ließ sich von Inge erklären, was ihr Schwierigkeiten bereitete. Und dann führten die beiden Frauen eine leichte französische Konversation. Inge fand es ganz erstaunlich, was Rosmarie mittlerweile alles gelernt hatte und dass sie vor allem bei der Stange blieb. Die frühere Rosmarie hätte das nicht durchgehalten.

      Rosmarie vergaß, dass sie eigentlich grünen Tee trinken wollte, sie trank eine weitere Tasse Kaffee, und sie aß noch ein Stück von diesem köstlichen Zitronenkuchen. Und sie freute sich, dass Inge ihr den restlichen Kuchen mitgeben wollte. Ja, so war sie, die Inge Auerbach, immer großzügig.

      »Ich gebe dir auch eine Dose mit Keksen mit, die Ricky, Fabian und die Kinder besonders gern essen.«

      Was redete Inge da?

      »Und was habe ich davon?«, erkundigte Rosmarie sich deswegen auch ein wenig verwirrt.

      »Ach, du weißt es ja noch nicht. Ich habe vorhin mit Ricky gesprochen, und die hat erwähnt, dass sie euch besuchen wollen. Sie oder Fabian werden bei euch anrufen.«

      Ja, das war der Unterschied.

      Zu den Auerbachs ging man einfach, bei den Rückerts musste man sich anmelden.

      »Sie wollen zu uns kommen?«, erkundigte Rosmarie sich hoffnungsfroh.

      Inge nickte.

      »Die Kinder sind es wohl, die drängen. Sie möchten unbedingt den neuen Hund kennenlernen. Sie finden den Namen Miss Marple so cool, ohne zu wissen, dass sich dahinter der Name einer berühmten Romanfigur von Agatha Christie verbirgt.«

      »Die immerhin Kultstatus hat«, bemerkte Rosmarie, »ich kann mir all die alten Filme mit Margaret Rutherford in der Hauptrolle immer wieder ansehen. Ich habe sie so oft gesehen, dass ich da beinahe schon mitspielen kann. Aber dennoch, Missie finde ich schöner. Doch genug davon, Inge, wenn sie wirklich kommen wollen, dann sind sie herzlich willkommen, dann freue ich mich. Und ich nehme natürlich deine Kekse gern. Hoffentlich hat Ricky das nicht nur so dahergesagt und sie kommen wirklich. Dann muss Heinz sich aber auch in seinem Notariat freischaufeln. Hoffentlich ist es nicht die Idee von Ricky, und Fabian macht einen Rückzieher.«

      »Rosmarie, sei nicht so negativ. Euer Verhältnis zueinander hat sich positiv verändert. Du hast doch gesagt, dass Fabian hier und da mal ohne Grund vorbeikommt, und ihr telefoniert ebenfalls miteinander. Das ist

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