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waren seit ihrer frühesten Kindheit, seit er mit seinem Vater in die Depen­dance gezogen war, allerbeste Freunde.

      Er war damals ein durch seine schreckliche Tante eingeschüchterter Junge gewesen, und Bambi hatte sich, obwohl sehr viel jünger, seiner liebevoll angenommen.

      Das war der Grundstein für ihre Freundschaft gewesen, die mittlerweile schon so manchen Sturm überdauert hatte.

      Als Bambi wieder in seinen Becher langen wollte, tauschte er die Eisbecher einfach um.

      Er hätte sich niemals für diesen Obstbecher entschieden, doch was tat man nicht aus lauter Freundschaft.

      Bambi war ein sehr spontanes Mädchen, sie quietschte nicht nur vor lauter Begeisterung, sondern umarmte Manuel auch ganz stürmisch, was zur Folge hatte, dass er anlief wie eine überreife Tomate.

      Er hatte nichts gegen die Umarmungen seiner Freundin, aber doch nicht hier, ausgerechnet im Palatini, wo sich die Schüler trafen, in den Freistunden oder vor oder nach der Schule.

      »Du bist der Beste, Manuel«, sagte sie, »und wenn ich noch mal was bestelle, was ich eigentlich nicht mag, dann erinnere mich daran und lasse es nicht zu. Aber weißt du, ich habe eine so liebe Mami, und die möchte ich nicht enttäuschen … Sie mag es nicht, wenn ich mich mit Süßem vollstopfe, aber sie meckert auch nicht wirklich, weil sie mich viel zu lieb hat. Mir geht es ganz schön gut. Ich habe tolle Eltern, tolle Geschwister, und nachdem die aus dem Haus sind, bin ich die Prinzessin auf der Erbse. Da ist ein Mädchen aus unserer Klasse ganz schön arm dran. Sie ist neu bei uns, und ich habe mitbekommen, wie zwei Lehrerinnen sich unterhalten haben, dass sie ein schweres Leben in Kinderheimen hinter sich hat und jetzt von Leuten adoptiert wurde. Die Frau Wieland hat gesagt, dass es ein Glück für das Mädchen ist. Das finde ich nicht. Es geht doch nichts über eigene Eltern.«

      Manuel schob in seinem Eisbecher das Zitroneneis beiseite, das er überhaupt nicht mochte.

      »Bambi, das darfst du nicht so eng sehen, nicht alle Adoptiveltern sind so böse, wie man das manchmal in Büchern liest. Sieh mal, meine Mama hat nur die Babette als leibliches Kind, meine Mama ist gestorben, als ich noch ein Baby war, deswegen weiß ich nicht genau, wie das mit ihr gewesen wäre. Aber ich glaube ganz bestimmt, nicht anders als mit meiner Sandra-Mama, die ist das Beste, was es gibt, ich liebe sie über alles, und sie liebt mich. Kein bisschen anders als Babette. Vielleicht hat das Mädchen aus deiner Klasse ja auch Glück, und die Leute, die sie adoptiert haben, sind nett.«

      Bambi musste erst mal ein wenig von ihrem Eis essen, dann verdrehte sie genüsslich die Augen, brauchte noch etwas davon, ehe sie die Achseln zuckte und sagte: »Ach, weißt du, Manuel, ich möchte jetzt nicht mehr darüber sprechen. Ich wünsche es Melanie, aber ich danke dem lieben Gott, dass ich in die richtige Familie hineingeboren wurde, mit Mama, Papa und mit Ricky, Jörg und Hannes. Der fehlt mir am meisten, und ich kann mir nur wünschen, dass er nicht nach Amerika gehen wird, um dort zu studieren.«

      »Das ist doch cool«, bemerkte Manuel und schob seinen Eisbecher, von dem er kaum etwas gegessen hatte, beiseite, »dann kannst du ihn dort besuchen.«

      »Ach nö, ich hätte ihn lieber hier. Ich werde, wenn ich Abitur habe, nirgendwohin gehen, ich bleibe für immer hier in unserem Sonnenwinkel, bei Mami, Papi, bei den Großeltern, aber auch bei euch, ganz besonders bei dir.«

      Ach, die Bambi!

      Manchmal war sie noch so richtig klein, wie gerade jetzt.

      »Die Oma Marianne sagt immer, dass alles seine Zeit hat, dass man nichts festhalten kann. Ich werde ganz gewiss nicht für immer hierbleiben, wenn ich das Abi habe, dann gehe ich weg, studiere auf jeden Fall ganz weit entfernt oder im Ausland, so wie Hannes es plant, fände ich auch cool. Kann aber auch sein, dass ich mir, genau wie dein Bruder, erst mal den Wind um die Nase wehen lasse und als Backpacker quer durch die Welt reise.«

      »Und eure Fabrik?«, erinnerte Bambi ihn.

      Er zuckte die Achseln. »Das ist Papas Fabrik, das ist sein Ding. Kann sein, dass ich mal bei ihm einsteige, kann aber auch sein, dass ich etwas ganz anderes machen werde. Papa sagt, dass er mir keine Steine in den Weg legen wird, und der Meinung ist auch Mama.«

      Solche Gespräche führte Bambi nicht gern, natürlich wusste sie, dass auch ihre Kindheit im Sonnenwinkel einmal vorüber sein würde, sie war es ja beinahe schon. Und natürlich würde sie weggehen, zumindest, um zu studieren. Aber nein, reden wollte sie jetzt darüber nicht.

      Es ging auch überhaupt nicht, denn draußen wurde gehupt.

      Felix Münster war genommen, um seinen Sohn und Bambi abzuholen und sie mit nach Hause zu nehmen.

      Bambi hatte ihren Eisbecher ausgelöffelt, als sie sah, dass »Tutti-Frutti« fast unberührt war und man es beinahe schon trinken konnte, weil das Eis geschmolzen war, bekam sie ein schlechtes Gewissen.

      »Manuel, tut mir leid. Es war ganz schön egoistisch von mir, dein Eis zu essen. Ich hab nicht drüber nachgedacht, dass dir Fruchteis und Obst nicht schmecken könnten.«

      Sie standen auf, gingen zur Tür, es traf sie mancher Blick, in erster Linie allerdings Bambi, die wirklich sehr hübsch war, und der so mancher Junge bereits jetzt schon begehrliche Blicke zuwarf.

      Zum Glück bemerkte Bambi das noch nicht, Manuel allerdings schon.

      Als sie am Tisch von Kalle Hoger vorübergingen, der in Bambi so richtig verknallt war, legte Manuel seiner Freundin eine Hand auf die Schulter und sagte ganz cool: »Bambi, entspann dich, ist alles okay. Du weißt doch, für dich tu ich alles.«

      Bambi seufzte: »Ach, Manuel, du bist ein solcher Schatz.« Und Kalle wurde vor lauter Zorn rot im Gesicht.

      *

      Monika Lingen, die Wirtin des Seeblicks hatte Glück gehabt. Roberta hatte ihr das Leben gerettet. Und sie hatte sich von ihrem Herzinfarkt schon recht gut erholt. Aber sie durfte das Krankenhaus noch lange nicht verlassen, und wenn, dann nicht um nach Hause zu gehen, sondern erst einmal in die Reha.

      Monika war nicht nur eine hervorragende Köchin, sondern sie war die Seele des Gasthofs, und ihr Mann Hubert war ohne sie hilflos und verloren.

      Zum Glück gehörte er zu den wenigen Männern, die sich das auch eingestehen konnten, ohne dass ihnen ein Zacken aus der Krone brach.

      Die Stammgäste kamen noch immer, aber diejenigen, die nur gekommen waren, um die Köstlichkeiten zu genießen, die Monika an ihrem Herd zauberte, blieben natürlich aus.

      Wie sollte es weitergehen?

      Hubert, nun fest in Behandlung von Roberta, hatte mit der Ärztin gesprochen, und die hatte ihm klar gemacht, dass die alten Zeiten auch nach der Reha nicht zurückkommen würden.

      Ein Herzinfarkt war kein Schnupfen oder etwas anderes, was in ein paar Tagen oder Wochen vorbei war.

      Sie mussten miteinander reden!

      Das hatte die Frau Doktor ihm deutlich gemacht, und er hatte es versprochen, auch wenn er eher zu den Menschen gehörte, die den Kopf gern in den Sand steckten und etwas lieber aussaßen.

      Er hatte nie Monikas Power gehabt.

      Er hatte einen besonders schönen Blumenstrauß gekauft und eine von den Glanzzeitschriften, die seine Monika so sehr liebte und wo sie kaum die Zeit gehabt hatte, sie zu lesen, sie hatte oftmals kaum darin blättern können, weil sie keine Zeit gehabt hatte oder zu müde gewesen war.

      Jetzt hatte sie Zeit, und er war bereit, alles für sie zu tun. Er war so froh und dankbar, dass sie diesen Herzinfarkt überlebt hatte. Nicht auszudenken, was sonst passiert wäre.

      Sie lag in einem Einzelzimmer, und sie lächelte, als sie ihren Besucher erkannte.

      »Hubert, nicht schon wieder Blumen«, sagte sie, »das ist doch nicht nötig, aber schön sind sie. Und eine Zeitschrift hast du auch mitgebracht. Du verwöhnst mich.«

      Er zog sich einen Stuhl an ihr Bett, gab ihr einen Kuss, ehe er sich hinsetzte.

      »Nein, Monika, das hätte

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