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Mensch, immer freundlich, hilfsbereit. Und es war ganz rührend, wie sie versuchte sie zu trösten, weil keine Patienten in die Praxis kamen, die bei Enno immer rappelvoll gewesen war.

      Das war vorbei.

      Sie würde nicht mehr jammern, nicht mehr griesgrämig herumlaufen.

      Sie würde Ursel sagen, wie sehr sie sie schätzte und dass sie das gemeinsam durchstehen würden. Einmal musste die Durststrecke vorüber sein, und einmal mussten die Sonnenwinkler sich daran gewöhnen, dass jetzt statt eines Mannes eine Frau da war, um sich ihrer Probleme oder auch nur Problemchen anzunehmen.

      Roberta zog ihren blütenweißen Kittel an.

      In ihrer früheren Praxis war sie in Zivil herumgelaufen. Doch von Enno wusste sie, dass die Leute hier ihren Doktor in Weiß sehen wollten. Wenn sie das brauchten, sie hatte überhaupt kein Problem damit. Früher wäre es ja auch undenkbar gewesen, einen Arzt als Autoritätsperson ohne weißen Kittel zu sehen, das hatte sich geändert, weil man mittlerweile dahinter gekommen war, dass dieser weiße Kittel zwischen Arzt und Patient hinderlich sein konnte, weil er eine Barriere aufbaute.

      Ihr Ex lief nur in Weiß herum, weil es ihm stand und er sich in dem weißen Kittel unwiderstehlich fand.

      Ach Gott, das alles schien in einem anderen Leben gewesen zu sein. Roberta warf einen letzten Blick in den Garten und entdeckte zu ihrer Freude, dass der Gärtner, den Ursel Hellenbrink ihr besorgt hatte, da bereits eifrig werkelte.

      Ach ja, Ursel war wirklich ein Schatz, ein Goldschatz!

      Mit einem Lächeln wandte Roberta sich ab, um in die Praxis zu gehen. Sie genoss das Privileg immer mehr, ihren Arbeitsplatz im Haus zu haben.

      *

      Zu ihrer Verwunderung stellte Roberta fest, dass Ursel Hellenbrink auch schon an ihrem Arbeitsplatz war, in eine Zeitung vertieft, die sie allerdings, als sie ihre Chefin bemerkte, rasch zur Seite legte.

      »Entschuldigung, Frau Doktor.«

      Roberta begrüßte ihre Mitarbeiterin freundlich, dann sagte sie: »Frau Hellenbrink, wofür entschuldigen Sie sich? Sie sind viel zu früh, und selbst wenn es nicht so wäre, hätte ich überhaupt nichts dagegen, dass Sie einen Blick in die Zeitung werfen, wenn keine Patienten da sind und wenn sonst nichts zu tun ist.« Roberta lächelte. »Über einen Patientenansturm können wir uns derzeit ja leider noch nicht beklagen, und wir können derzeit beide sogar Romane lesen, ohne dass uns jemand zu nahe tritt.«

      Roberta dachte an ihre guten Vorsätze. Noch fiel es ihr ein wenig schwer, sich daran zu halten, noch wurde sie immer wieder rückfällig.

      »Aber es wird schon, Frau Hellenbrink, davon bin ich überzeugt. Sie müssen nur bei der Stange bleiben. Ohne Sie wäre ich ziemlich aufgeschmissen. Und, auch wenn keine Patienten kommen, um Ihr Gehalt müssen Sie sich keine Sorgen machen. Das ist Ihnen sicher. Das kann ich auf jeden Fall zahlen, ohne dabei selbst am Hungertuch nagen zu müssen.«

      Ursel Hellenbrink schaute ihre Chefin ganz entsetzt an.

      »Aber Frau Doktor, um Himmels willen, an so etwas würde ich niemals denken. Und ich mache mir keine Sorgen, überhaupt nicht. Ich bin glücklich, bei Ihnen hier in der Praxis arbeiten zu dürfen. Freiwillig würde ich niemals gehen. Und ich finden übrigens, dass der Herr Dr. Riedel maßlos untertrieben hat, als er Sie beschrieb. In Wirklichkeit sind Sie noch viel, viel netter und vor allem noch viel, viel klüger.«

      Dieses spontane Lob ließ Roberta erröten, doch vor allem fiel ihr ein riesengroßer Stein vom Herzen, dass sie auf jeden Fall auf Ursel Hellenbrink zählen konnte.

      »Danke, Frau Hellenbrink. Ich bin sehr froh darum, dass wir zwei so gut miteinander auskommen, dass die Chemie zwischen uns stimmt. Und, wie gesagt, irgendwann werden auch die Patienten den Weg zu uns finden.«

      »Das haben Sie schon. Es ist bereits eingetreten, Frau Doktor. Das Wartezimmer ist hackeknackevoll, wie in alten Zeiten. Bestimmt hängt das mit dem zusammen, was über Sie in der Zeitung stand. War ja auch großartig, das Kind zu retten.«

      Roberta, im Allgemeinen wirklich nicht auf den Kopf gefallen, wusste im ersten Augenblick nicht, was ihre Mitarbeiterin da sagte.

      Wartezimmer voll?

      Wieso stand etwas über sie in der Zeitung?

      Und wer hatte das mit der Kindesrettung mitbekommen? So richtig doch nicht einmal die Mutter.

      Ein Interview hatte sie auch niemandem gegeben.

      Alles höchst merkwürdig!

      Ursel Hellenbrink bemerkte die Verwirrung ihrer Chefin, deswegen schob sie ihr kommentarlos die Zeitung zu. Und Roberta glaubte, ihren Augen nicht zu trauen.

      Sie ganz groß auf der ersten Seite!

      Die ganze Rettungsaktion des Kindes war im Bild festgehalten worden, wie zu lesen war vom einem Landschaftsfotografen, der zufällig in der Nähe gewesen war und natürlich fleißig auf den Auslöser gedrückt hatte.

      Das war eine Aufmerksamkeit, die sie nicht wollte, die so überhaupt nicht in ihrem Sinne war.

      »Auf jeden Fall hat es die Sonnenwinkler in Bewegung gesetzt«, freute Ursel Hellenbrink sich. »Sie sind nicht nur eine Ärztin, sondern eine Heldin. Das wollen die Leute sich aus der Nähe ansehen.«

      Man konnte vom Vorzimmer ins Wartezimmer blicken, ohne gesehen zu werden. Und das tat Roberta jetzt. Sie musste sich selbst überzeugen.

      Es stimmte. Das Wartezimmer war gefüllt, dabei begann die Sprechstunde erst eine ganze Weile später.

      Ursel stellte sich neben sie.

      »Alles Patienten, die immer kommen. Manche, weil ihnen wirklich etwas fehlt, andere, weil die Neugier sie hertrieb. Das war schon zu Dr. Riedels Zeiten so. Das Wartezimmer eines Arztes ist beinahe vergleichbar mit dem Friseur. Man findet die neuesten Zeitschriften, um sich die Zeit totschlagen zu können, bis man dran ist. Oder aber man redet, zuerst über die Krankheit, dann kommt man vom Hölzchen aufs Stöckchen.«

      Roberta musste sich erst einmal davon erholen. Noch war sie vor Kurzem jammervoll gewesen, und nun das jetzt.

      »Und was tun wir jetzt? Die Sprechstunde vorzeitig beginnen?«, erkundigte sie sich ein wenig ratlos.

      Davon wollte Ursel Hellenbrink allerdings nichts wissen.

      »Oh nein, Frau Doktor. Das fangen wir erst gar nicht an. Dr. Riedel hat auf die Minute genau pünktlich begonnen, keine Sekunde früher. Und ich denke, dabei sollten wir es belassen.«

      Roberta war damit einverstanden. Sie setzte sich auf einen Stuhl, der eigentlich für die Patienten bestimmt war, dann nahm sie sich die Zeitung noch einmal vor, um die Geschichte erneut zu lesen …

      Sandra Münster hatte es gut gemeint, als sie, mit der vollen Unterstützung ihres Mannes Felix, eine Empfangsparty für die neue Ärztin geplant hatte, um ihr auf diese Weise zu Patienten zu verhelfen.

      Sie war entsetzt gewesen, als Inge Auerbach ihr erzählt hatte, dass niemand in die Praxis ging, dass man die Frau Doktor boykottierte. Nicht nur das, ihre Besorgnis war noch größer gewesen, weil eigentlich allen hätte klar sein müssen, dass man, sollte die Ärztin gehen, so schnell keinen Ersatz finden würde. Wer wollte schon auf dem Land arbeiten, mit mehr Einsatz und weniger Verdienst.

      Sie hatte Roberta bereits zweimal verfehlt, und auch heute, als sie sich auf den Weg gemacht hatte, um die Einladung persönlich zu überbringen, hatte sie kein Glück.

      Das Wartezimmer war überfüllt, also kehrte sie um.

      Sie wollte gerade zu ihrem Auto gehen, als sie Inge Auerbach entdeckte, die mit Jonny, dem betagten Collie ihrer Tochter Bambi einen Spaziergang gemacht hatte.

      Die beiden Frauen mochten sich sehr, und das war von Anfang an so gewesen. Zwischen ihnen hatte sich eine herzliche Freundschaft entwickelt, obwohl es einen ziemlichen Altersunterschied gab.

      Sandra, eigentlich Alexandra, und damals noch eine von Rieding, war

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