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wunderbaren Freundschaft gewesen.

      »Fehlt dir was, Sandra?«, wollte Inge Auerbach besorgt wissen, weil sie gesehen hatte, wie Sandra aus dem Haus der Ärztin gekommen war.

      »Nein, ich bin fit, ich wollte Frau Dr. Steinfeld die Einladung überbringen. Aber keine Chance. Du kannst die Patienten beinahe übereinander stapeln, so voll ist es dort.«

      »Patienten?«, wiederholte Inge Auerbach. »Du meinst wohl eher die Neugierigen. Aber was soll es, wenn das denn Bann gebrochen hat und sie die Ärztin nicht mehr meiden, dann soll es mir nur recht sein. Sie ist eine so patente Frau, und wie sie das mit der Rettung des Kindes gemacht hat. Wäre nicht zufällig ein Fotograf da gewesen, hätten wir nichts davon erfahren. Sie ist ein Juwel und so was von sympathisch. Nun, du wirst sie kennenlernen.«

      »Meinst du, ich soll die Party dennoch geben?«, zweifelte Sandra. »Im Grunde ist sie hinfällig geworden.«

      Inge lächelte ihre junge Freundin an.

      »Sandra, die Feste bei euch sind immer ein Highlight, und alle freuen sich schon, die ihr eingeladen habt. Ich denke, es wird sich die Gelegenheit bieten, Frau Dr. Steinfeld einzuladen, wenn der erste Ansturm vorbei ist. Ruf sie einfach an, sag, dass du sie privat sprechen möchtest, und dann kann sie mit dir einen Termin ausmachen, oder mach das mit der Ursel Hellenbrink. Die hat alle Termine im Kopf.«

      Das wollte Sandra tun.

      Dann wechselten sie das Thema, sprachen über Bambi, Manuel und die kleine Ba­bette.

      Manuel war nicht Sandras leiblicher Sohn, Felix hatte ihn mit in die Ehe gebracht. Doch bei ihr und Manuel war es Liebe auf den ersten Blick gewesen, und daran hatte sich nichts geändert. Auch nicht als Babette auf die Welt gekommen war.

      Manuel vergötterte seine kleine Schwester, und er war nicht die Spur eifersüchtig.

      Da oben im Herrenhaus, in dem Marianne von Rieding, Sandras Mutter, zusammen mit ihrem Ehemann, dem Architekten Carlo Heimberg lebte, und in der traumhaft schön ausgebauten Dependance, die die Münsters bewohnten, war die Welt in Ordnung, wieder, nach vielen Wirrungen.

      Und jeder freute sich, dorthin eingeladen zu werden, in die herrliche Residenz unterhalb der verfallenen, mystischen Felsenburg.

      Wer das geschafft hatte, gehörte dazu. Glaubte, dazu zu gehören, denn die Herrschaften waren in keiner Weise von sich überzeugt, sondern offen und herzlich, trotz des vielen Geldes, das Felix mit seiner Fabrik verdiente. Und sie kamen alle mit jedem zurecht.

      Den Nimbus, der sie umgab, hatten die Bewohner von Erlenried und Hohenborn geschaffen, die den Sonnenwinkel ausmachten.

      »Ich weiß nicht, ob du es bereits weißt, Inge. Doch eure Bambi wird heute nicht mit dem Bus kommen. Felix kommt heute ausnahmsweise mittags mal nach Hause, und er wird sie und Manuel mit dem Auto mitnehmen. Und die Wartezeit auf ihn können sie sich in der Eisdiele bei Palatini vertreiben, auf seine Kosten natürlich.«

      Inge lachte.

      »Oh, das wird Bambi sehr freuen. Sie ist die reinste Naschkatze. Wenn sie nicht ein so liebreizendes Mädchen wä­re, würde ich ihr den Süßkram ja manchmal verbieten. Doch das bringe ich einfach nicht übers Herz.«

      Sandra fiel in das Lachen mit ein.

      »Das schaffe ich auch nicht, und bei dir ist es schlimmer. Sie ist euer Nesthäkchen, die Großen sind aus dem Haus, zu denen man vermutlich viel strenger war. Ich hab schon zu Felix gesagt, dass wir es auch so machen sollten wir ihr. ­Irgendwann einen kleinen Nachzügler zu bekommen.«

      Inge war bei diesen Worten zusammengezuckt, was Sandra zum Glück nicht mitbekommen hatte.

      Es waren so viele Jahre vergangen, ohne dass daran gerührt worden war, ohne dass sie daran gedacht hatten, dass Bambi, eigentlich Pamela, nicht ihr leibliches Kind war, sondern dass ein tragisches Ereignis sie auf ihren Weg gebracht hatte. Der schreckliche Autounfall, bei dem, in einer Massenkarambolage, ihre Eltern ums Leben gekommen waren, war deren Tragik, aber ihr Glück gewesen, denn sie hatten, ohne zu zögern, das einjährige Kind sofort bei sich aufgenommen und es adoptiert.

      Sie hätten es Bambi längst sagen sollen.

      Zuerst waren sie der Meinung gewesen, dass sie älter werden müsse, um es zu verstehen, dann hatten sie es verdrängt. Wozu daran rühren?

      Bambi war ihr geliebtes Mädchen, sie wurde von ihren älteren Geschwistern Ricky, Jörg und Hannes vergöttert.

      Sie hatten nicht mehr daran gedacht, zumal Bambi sich als echte Auerbach-Tochter fühlte.

      Erst in der letzten Zeit war durch verschiedene Ereignisse daran erinnert worden, und Inge fühlte sich schlecht, dass sie Sandra etwas verschweigen musste, was längst ans Tageslicht gemusst hätte.

      Ihre Großen hatten nicht nur einmal gesagt, dass es ihnen irgendwann um die Ohren fliegen würde. Die drei hatten niemals verstanden, dass es ihren Eltern so schwerfiel, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

      Sie hatten Bambi schließlich nicht jemandem weggenommen, sondern es war für alle Beteiligten ein Glücksfall gewesen, dass es so gekommen war und nicht anders.

      Zum Glück musste Inge auf diese Bemerkung nicht eingehen, weil Jonny wie ein Verrückter an seiner Leine zu zerren begann.

      Das nahm Inge zum Anlass zu sagen: »Du, ich muss weiter. Unser alter Herr will vermutlich nach Hause auf sein Kissen.«

      Sandra konnte ja nicht ahnen, dass das vorgeschoben war. Sie bemerkte lachend: »Für sein Alter ist er noch ganz schön fit. Und er sieht wunderschön aus. Aber Bambi wird sich daran gewöhnen müssen, dass es über kurz oder lang zu Ende sein wird. Jonny hat nicht das ewige Leben, er lebt schon länger, als Tiere seiner Rasse es normalerweise tun.«

      Inge seufzte.

      »Vor diesem Tag graut es mir schon jetzt, und am liebsten wäre ich dann nicht daheim, wenn dieser Tag kommt. Werner versucht bereits sehr liebevoll, sie darauf vorzubereiten. Und so sehr sie sonst auch auf ihn hört, da stellt sie ihre Ohren auf Durchzug.«

      Sandra lachte.

      »Das kann unsere Babette ohne einen Anlass dafür zu haben. Es ist ein großes Glück, dass Manuel ein so gutmütiger Junge ist und ihr nachsichtig alles durchgehen lässt. Wäre es nicht so, da hätten wir ständig Radau im Haus.«

      Inge stimmte in das Lachen mit ein.

      »Ja, sie weiß, was sie will, eure kleine Prinzessin, aber sie sieht auch allerliebst aus, und das weiß sie auch.«

      Die beiden Freundinnen verabschiedeten sich voneinander, Sandra stieg in ihr Auto, hupte, winkte, dann brauste sie davon.

      Inge sah ihr erst nach, dann ging sie nach Hause.

      Noch mal gut gegangen!

      Aber es war ein Zeichen gewesen, ein Zeichen dafür, dass sie Bambi endlich die Wahrheit sagen mussten.

      Ach, wenn es doch bloß nicht so schwer wäre. Und sie hatte das Gefühl, dass es von Tag zu Tag schwerer wurde, die Last immer größer.

      Inge Auerbach war ein gläubiger Mensch, aber auf ein Wunder konnte sie in diesem Fall nicht hoffen.

      *

      Wie sehr ihre Mutter sich mit einem schlechten Gewissen quälte, davon hatte Bambi Auerbach nicht die geringste Ahnung.

      Sie genoss das Beisammensein, und sie genoss den riesigen Eisbecher »Tutti-Frutti«, den sie bewusst gewählt hatte, um sich vor ihrer Mutter rechtfertigen zu können, indem sie ihr sagen würde, dass der größte Teil aus verschiedenen Obstsorten bestand.

      Manuel hatte sich lieber für einen Nuss-Karamell-Becher entschieden, mit so ganz ordentlich viel Sahne.

      Nachdem Manuel den verlangenden Blick Bambis bemerkt hatte, sagte er: »Du kannst probieren, und wenn du willst, dann können wir auch tauschen.«

      Bambi bekam glänzende Augen. »Manuel, das würdest du wirklich tun?«, erkundigte sie sich, nachdem sie mehr als nur einmal

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