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seinen Schatten springen. Und auch wenn ich dich und deine Kinder sehr verletzt habe, würde ich auch heute nicht anders handeln. Man kann nur tun, was man tun kann.«

      Sie stand auf.

      »Peter, es war mir einfach nur ein Bedürfnis, dir noch einmal zu sagen, was für ein wundervoller Mensch du bist, und ja, auf meine Weise habe ich dich geliebt. Da habe ich dir nichts vorgemacht. Für den letzten Schritt haben meine Gefühle offensichtlich nicht gereicht.«

      Sie trat auf ihn zu, sie standen ganz nahe beieinander, es war unausweichlich, es war nicht geplant, doch plötzlich lagen sie sich in den Armen, klammerten sich aneinander, und dann küssten sie sich wie zwei Verdurstende.

      Die alte Leidenschaft überkam sie, die vertraute Nähe, das Verlangen …

      Es war Nicki, deren Verstand zuerst einsetzte. Das durfte nicht geschehen, wenn sie jetzt nicht ging, dann würden sie unweigerlich zusammen im Bett landen.

      Das durfte nicht sein.

      Das würde erneut Verwicklungen bringen.

      Sie machte sich aus seinen Armen frei, blieb für einen Augenblick mit gesenktem Kopf vor ihm stehen, sie wagte nicht, ihn anzusehen.

      »Peter, ich wünsche dir alles Glück der Welt. Ich werde dich niemals vergessen, und das musst du mir glauben.«

      Nach diesen Worten rannte sie aus dem Haus, als sei der Leibhaftige hinter ihr her.

      Sie hätte nicht herkommen dürfen.

      Ihr Besuch hatte vieles wieder aufgewühlt, bei ihr und bei ihm, und das lag daran, dass sie ihre Liebe nicht ausgelebt, sondern nur abgebrochen hatten.

      Da war viel Platz für Verlangen, für Sehnsüchte geblieben, statt, wie es meistens war, der Gleichgültigkeit, schlimmstenfalls dem Hass zu weichen.

      Sie weinte, als sie zurück zum Doktorhaus stolperte, und es war ihr vollkommen gleichgültig, dass sie manch verwunderter Blick traf.

      Sie war froh, angekommen zu sein, und noch mehr freute es sie, allein zu sein. Das musste sie erst einmal verarbeiten.

      Die Begegnung mit Peter Bredenbrock hatte ihr vollkommen den Boden unter den Füßen weggerissen, besonders das Ende, das nun wirklich nicht geplant gewesen war.

      Hatte sie einen Fehler gemacht?

      Hätte sie ihn nicht verlassen dürfen?

      Stopp!

      Es gab ja in Beziehungen nicht nur die Momente der Leidenschaft, es gab einen Alltag, und der füllte die meiste Zeit eines Zusammenlebens aus.

      Hatte sie schon vergessen, dass sie sich dem nicht gewachsen gefühlt hatte?

      Allmählich wurde sie ruhig.

      Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen, und das Ende jetzt …, sie waren sich sehr nahe gewesen.

      Besser konnte man sich ja wohl nicht trennen, oder?

      Ihre Gedanken schwirrten durcheinander wie aufgescheuchte Bienen in ihrem Bienenstock.

      Auch wenn der Kleine für sie unglaublich anstrengend war, freute Nicki sich, als er und Alma wieder nach Hause kamen.

      »Ich habe von Alma ein Eis bekommen«, rief er ihr entgegen, »und guck mal, sie hat mir auch ein Auto gekauft. Ist das nicht toll? So eines wollte ich schon immer haben.«

      Nicki bewunderte hingebungsvoll das Auto, bedauerte, kein Eis bekommen zu haben.

      Philip beanspruchte ihre volle Aufmerksamkeit, doch Alma war ein sehr feinfühliger Mensch, irgendwann sagte sie: »So, mein Junge, jetzt spielst du erst einmal allein. Ich denke, die Nicki braucht erst einmal eine kleine Stärkung.«

      Philip war ein gut erzogenes Kind, er gehorchte, und Alma zog Nicki mit in die Küche und servierte ihr dort nur kurze Zeit später nicht nur einen ganz hervorrangenden Milchkaffee, sondern Nicki bekam auch noch köstliche Pralinen vorgesetzt, die Alma selbst hergestellt hatte. Alma gehörte zu den Frauen, die einfach alles konnten.

      Nicki merkte, wie sie sich allmählich beruhigte, vielleicht lag das auch an den Pralinen, die sie in sich hineinstopfte, anders konnte man es nicht bezeichnen.

      Und sagte man nicht, dass Schokolade gut für die Nerven war? Da schien etwas Wahres dran zu sein.

      Irgendwann blickte Nicki auf.

      »Danke, Alma, das war es, was ich gerade dringend gebraucht habe.«

      Alma mochte Nicki unglaublich gern, und sie glaubte auch, die Freundin der Frau Doktor ganz gut zu kennen.

      Alma sagte jetzt nicht, sie lächelte nur ganz fein, sehr verstehend, und das sagte mehr als tausend Worte es vermocht hätten.

      *

      Wenn Teresa von Roth sich etwas vornahm, dann zog sie es auch durch.

      Sie hatte ihren Plan, die reizende Angela von Bergen mit dem bedauernswerten Berthold von Ahnefeld zusammenzubringen, nicht aufgegeben. Sie hatte es nur aufgeschoben, weil das Fest für das Tierheim erste Priorität hatte. Doch da war jetzt alles in trockenen Tüchern, und jetzt konnte sie ihr Herzensprojekt wieder angehen. Und es traf sich sehr gut.

      Sie traf ihren Schwiegersohn allein an. Er bemühte sich, sich einen Kaffee zu kochen, was ja normalerweise seine Inge immer übernahm, doch die war unterwegs.

      Teresa hatte nur etwas vorbeigebracht, als sie die hilflosen Bemühungen ihres Schwiegersohnes bemerkte, sagte sie resolut: »Werner, lass mich das mal machen.«

      »Das wäre großartig, Teresa«, rief er und trat bereitwillig beiseite.

      Es dauerte nicht lange, da war der Kaffee fertig, und da Teresa auch die Leidenschaft ihres Schwiegersohnes für etwas Süßes kannte, stellte sie ihm auch ohne weitere Aufforderung einen Teller mit einem Mandelkuchen auf den Tisch, was er sehr dankbar begrüßte.

      Sie unterhielten sich eine Weile, ehe Teresa sich ganz unverfänglich erkundigte: »Hat dein Freund Berthold sich mittlerweile inzwischen bei dir gemeldet?«

      Das verneinte Werner.

      »Ach Gott, Werner, das ist kein gutes Zeichen«, rief sie. »Das zeigt doch, wie sehr er durch den Wind ist, dabei bräuchte er doch gerade jetzt sehr viel Verständnis und Zuwendung.«

      Werner blickte seine Schwiegermutter ein wenig verunsichert an.

      »Werner, überleg doch mal. Was würdest du an seiner Stelle tun? Dich an Freunde wenden, nein, das würdest du nicht. Aber wenn Freunde dir die Hand reichen würden, die würdest du doch dankbar ergreifen, oder?«

      Werner antwortete nicht sofort, und Teresa fragte sich, ob er erst über ihre Worte nachdenken musste oder ob er einfach zu sehr mit seinem Kuchen beschäftigt war.

      Erst als der gegessen war, Werner noch etwas getrunken hatte, wandte er sich an seine Schwiegermutter.

      »Vermutlich hast du recht, Teresa. Aber wie du weißt, habe ich mir dummerweise keine Telefonnummer von Bert geben lassen und darauf gehofft, dass er sich hier melden würde.«

      Das wusste sie doch alles, und auch das, was sie jetzt sagte, hatte sie bereits schon einmal zum Ausdruck gebracht. Doch Werner war ein zerstreuter Professor, das hatte er vermutlich längst vergessen.

      »Werner, du bist klug, es dürfte für dich ein Leichtes sein, ihn ausfindig zu machen.« Und dann hatte sie eine gute Idee. »Wenn du zu viel am Hals hast, dann kann ich das für dich übernehmen. Ich habe Zeit, und Berthold tut mir leid, wie muss es in ihm aussehen, Frau und Kinder auf einen Streich verloren zu haben. Und wie muss er sich fühlen, mit dem Wissen, dass er nur durch einen ganz dummen Zufall überlebt hat. Wäre für ihn nicht dieser Anruf gekommen, dann hätte er ebenfalls in dem Flugzeug gesessen.«

      »Was ihm vermutlich sogar lieber gewesen wäre«, bemerkte Werner. »Dann müsste er als Überlebender jetzt nicht dieses unsägliche Leid ertragen. Aber du hast recht, Teresa, Bert muss geholfen werden. Ich werde mich um eine Telefonnummer, eine Adresse

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