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überhaupt keine Rolle mehr. Doch Nicki wollte ihm gefallen. Sie gefiel sich übrigens auch, als sie sich im Spiegel betrachtete. Bis auf die Haare, die waren zwar mittlerweile ein wenig nachgewachsen, doch kurz waren sie noch immer. Und ehrlich gesagt, verwünschte Nicki sich für die Entscheidung, ihre Haare raspelkurz schneiden zu lassen. Sie wusste selbst nicht mehr, was in sie gefahren war. Statt ihre schönen langen Haare abzuschneiden, hätte sie die auch einfach nur hochstecken oder zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden müssen.

      Ja, ja, sie und ihre einsamen Entschlüsse!

      Da hatte Nicki sich schon so manches Eigentor geschossen! Vorbei war vorbei!

      Sie trug noch etwas Lippenstift auf, stäubte sich etwas von ihrem Lieblingsparfüm hinter die Ohren, dann verließ sie das Doktorhaus.

      Ein bisschen mulmig war ihr schon zumute.

      Gleichgültig war Peter ihr längst nicht geworden, ihre Lebensformen ließen sich bloß nicht zu einem gemeinsamen Weg zusammenfügen.

      *

      Auch wenn sie sich in keiner Weise beeilt hatte, stand sie schon bald vor dem Haus der Bredenbrocks. Auch wenn es eine beachtliche Siedlung war, so groß war sie nun auch wieder nicht.

      Nicki hatte ganz schönes Herzklopfen, als sie das Gartentor aufstieß und den gepflasterten Weg zum Haus entlanglief.

      Sollte sie es wirklich tun?

      Je näher sie der Haustür kam, umso größer wurden ihre Zweifel, doch dann wurde ihr die Entscheidung abgenommen, weil sich nämlich die Haustür öffnete und Peter herauskam, mit einem Stapel gelesener Zeitungen unter dem Arm.

      Er blieb verblüfft stehen, glaubte offensichtlich, seinen Augen nicht trauen zu können. Dann erklang ein ungläubiges: »Nicki?«

      Sie wurde rot, und sie registrierte, was für ein gut aussehender Mann er doch war. Er sah sehr lässig aus in seiner dunkelgrauen Leinenhose, dem weißen T-Shirt, unglaublich cool, seine Füße steckten in weißen Leinenschuhen.

      Er steckte die Zeitungen in die neben dem Haus stehende Papiertonne, dann eilte er auf Nicki zu, die wie angewurzelt stehen geblieben war, ergriff deren Hände.

      »Das ist eine Überraschung, wie schön, dich zu sehen, und du siehst fabelhaft aus«, sagte er, »das Kleid steht dir unglaublich gut.«

      Seine Worte klangen ganz anders als seine Blicke sagten. Die alte Faszination war wieder da, doch das durfte er nicht zugeben.

      Also sagte er: »Wenn du zu Maren willst, du kommt erst heute Abend aus der Schule.«

      Sie blickte ihn an, ihre Blicke versanken für einen Augenblick ineinander, Nicki riss sich zusammen: »Ich möchte nicht zu Maren, ich will zu dir. Dass sie nicht daheim sein wird, das hat sie mir gesagt.«

      Er fasste sich.

      »Dann komm doch bitte herein«, sagte er, nachdem er sich gefasst und einigermaßen verdaut hatte, dass Nicki zu ihm wollte. »Kann ich dir einen Kaffee anbieten? Und sieh dich bitte nicht genau um, wir sind bereits in Aufbruchstimmung und packen zusammen, was wir mit in unser neues Leben nehmen wollen, und wir …«

      Er brach seinen Satz ab. Er redete sich ja um Kopf und Kragen und benahm sich wie ein verwirrter Pennäler beim Anblick seiner Flamme.

      Gemeinsam betraten sie das Haus, und es versetzte Nicki doch einen leichten Stich ins Herz, wenn sie sich daran erinnerte, welch schöne Zeiten sie hier verbracht hatte. Schön war es nicht immer gewesen, doch meistens war es ja so, dass man das Unangenehme gern ganz schnell verdrängte.

      Es standen Umzugskartons herum, Überseecontainer. Es sah nach Aufbruch auf.

      Er bot ihr Platz an, und weil er darauf drängte, ihr etwas anbieten zu wollen, entschied sie sich für ein Mineralwasser.

      Als das vor ihr stand, setzte er sich ihr gegenüber, und sie erinnerte sich an die Zeiten, in denen sie nebeneinander gesessen hatten, ganz eng.

      Was war das jetzt?

      Sie war nicht gekommen, um eine Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Sie wollte noch einmal mit ihm reden, sich dann endgültig von ihm verabschieden. Warum eilten ihre Gedanken immerfort in die Vergangenheit zurück? Die war passé, und in der Gegenwart gab es für sie keine Gemeinsamkeiten mehr.

      Er blickte sie an, sie spürte seine Bewunderung.

      »Peter, ich bin hergekommen, weil ich finde, dass wir uns noch mal verabschieden sollen. Jetzt ist es ja ein Abschied für immer, denn es ist kaum anzunehmen, dass sich unsere Wege noch einmal kreuzen werden. Ich bin gekommen, um dir für dein neues Leben in Amerika viel, sehr viel Glück zu wünschen. Was Maren mir erzählt hat, das hört sich sehr gut an. Du bekommst endlich wieder eine große Aufgabe, eine Herausforderung. Als Lehrer in Hohenborn warst du doch total unterfordert. In einer Traumstadt eine große Schule nicht nur zu leiten, sondern sie auch noch weiter auszubauen, das ist etwas für dich. San Francisco, da war ich noch nicht. Die Stadt stand früher immer ganz oben auf meiner Liste der Orte, die ich unbedingt besuchen wollte.«

      »Du kannst mitkommen, Nicki, uns steht ein großes Haus zur Verfügung mit sehr viel Platz.«

      Er hatte es nicht sagen wollen, es war ihm einfach so herausgerutscht, weil selbst jemand wie er seine Gefühle nicht immer unter Kontrolle haben konnte.

      »Tut mir leid«, korrigierte er sich sofort. »Das hätte ich jetzt nicht sagen sollen.«

      »Ist schon gut, Peter. Ich habe auch manchmal Gedanken, die dich in mein Leben mit einbeziehen. Wir waren ja auch sehr eng miteinander, und die mit dir verbrachte Zeit möchte ich nicht mehr missen. Ich werde immer mit sehr viel Liebe im Herzen an dich, an Maren, an Tim und unsere miteinander verbrachte Zeit denken. Bei mir hat sich auch etwas verändert. Ich arbeite wieder freiberuflich, das andere versprach zwar Sicherheit, doch ich fühlte mich eingeengt. Doch du wirst es nicht glauben, ursprünglich wollte ich ja meine Wohnung aufgeben, um Miete zu sparen. Und weißt du, was daraus geworden ist? Ich zahle keinen einzigen Cent weniger Miete, mit den Nebenkosten wird es sogar, so fürchte ich, noch mehr sein. Doch für mich erfüllt sich ein Traum. Ich ziehe in einen großen Loft in einer ehemaligen Papierfabrik ein.«

      Er blickte sie an, lächelte leicht, ehe er sagte: »Warum wundert mich das eigentlich jetzt nicht? Ein Loft, der passt zu dir, zu deinem Freiheitsdrang. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du dort glücklich wirst. Mit einem Partner an seiner Seite kann man alles viel besser genießen, und ich weiß, wovon ich rede. Ehe Ilka, meine Exfrau, die du ja auch kennengelernt hast, sich dafür entschieden hat, Spaß für sich allein zu haben, waren wir eine glückliche Familie. Und trotz dieses Scheiterns ist das noch immer die Lebensform, die für mich die Ideale ist. Klar gibt man ein großes Stück von Freiheit auf, wenn man sich dafür entscheidet, doch man gewinnt sehr, sehr viel mehr. Freude genießt man an der ­Seite eines Partners doppelt, und man sagt nicht umsonst, dass geteiltes Leid halbes Leid ist.«

      Er blickte sie an.

      »Nicki, wir waren auf einem so guten Weg, und ich bin nach wie vor der Meinung, dass du viel zu früh das Handtuch geworfen hast.«

      Er merkte, wie ihre Körperhaltung sich veränderte, weil ihr bei solchen Worten ganz unbehaglich wurde, und deswegen lenkte er sofort ein: »Nicki, ich will dich jetzt zu nichts überreden. Du hast dich entschieden, ich habe es akzeptiert, und auch die Kinder kommen mittlerweile damit klar und machen sich keine Vorwürfe mehr, weil sie zunächst glaubten, sie seien schuld an der Trennung«, er fügte ganz leise hinzu: »Was sie ja letzten Endes für dich auch sind …, nicht Maren und Tim als Personen, sondern wegen der Verantwortung, die man zu tragen hat, mitzutragen hat, wenn man sich auf einen Partner mit Kindern einlässt.«

      Sie hätte nicht herkommen dürfen.

      Was hatte sie eigentlich erwartet?

      Sie wusste doch, dass sie ihn und seine Kinder sehr verletzt hatte, als sie einfach gegangen war. Solche Wunden heilten nicht so einfach.

      »Peter, ich fand es ehrlicher, die Reißleine zu ziehen, als noch Zeit dazu war. Ich stand mehr als nur einmal mit

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