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Novelle »Die Genialen« auch sonst die bedeutsamsten Einwirkungen verdankt. Denn recht tieckisch-übermütig ist Schiffs Abrechnung mit der Literatur seiner Zeit, vornehmlich ihrem größten Schädling, Clauren. Zweimal verspottet er diesen aufs kräftigste, als Erzähler und Lustspieldichter. In einem »Claurenschen Roman« »Assessor Winchen oder die Liebe ist das höchste Leben« ist die unerträgliche Süßlichkeit Heuns wohl auf das schlagendste verhöhnt. Verfertigt ist diese Parodie von einem Barbier, der »Verfasser der Romane in allen möglichen Manieren« ist, ein deutlicher Hinweis auf Adolf von Schaden, der beständig in der Manier anderer schrieb. Schiff zeigt schon äußerlich, daß es ihm nur um satirische Wirkungen zu tun sei. Er verflicht in den Pseudoclaurenschen Roman einen zweiten, der denselben Inhalt hat wie der erste; er läßt auch die herbsten Urteile über diese Dichtung aussprechen, so z. B. daß man derartige Bücher nicht in aller Ewigkeit zu Ende lesen könne, oder »die Poesie unserer Zeit ist vor Altersschwäche kindisch geworden«, vielleicht die kürzeste, aber treffendste Verurteilung Claurens und seines Gefolges. Diese Parodie, die sich auch offen als solche gibt, steht hoch über der Hauffs, der die satirischen Absichten nicht so ohne weiters anzumerken sind. Schiffs Humor, der schon in »Pumpauf und Pumprich« kräftig zum Vorschein kommt, übt die stärkste Wirkung aus. Keine geringere auch in dem Schauspiel »Tugend nur allein macht glücklich«, das ein Schuljunge verfaßt hat, und in dem alle Personen vor Edelmut und Selbstlosigkeit überfließen. Wenn am Schlusse zwei Bewerber um ein Mädchen dieses einander unaufhörlich gegenseitig in die Arme werfen, damit einer hinter dem anderen an Entsagungsfähigkeit nicht zurückstehe, so ist das wohl die anschaulichste, aber auch wirksamste Persiflage auf die übertriebene Tugendduselei Claurens. Als bedeutsames Vorspiel für die Balzacparodierung haben diese beiden Verhöhnungen des Berliner Dichters zu gelten. Nur ist die satirische Absicht hier weit stärker zum Durchbruch gelangt; Schiff schwächt die Mittel des Dichters, dessen Manier er verspotten will, nicht ab, sondern verstärkt sie wesentlich und macht dadurch seine eigenen Absichten weit offenkundiger.

      Diese beiden Parodien bekunden Schiffs Talent, sich in eine fremde dichterische Manier einzufühlen, weit besser als die ernstgemeinte Fortsetzung des »Kater Murr«. Seine Art war, wie dies auch sein ganzes Leben offenbart, weit eher destruktiv als konstruktiv. Das können die unter dem Titel »Höllenbreughel« vereinigten zwei Novellen sehr deutlich lehren. Der Titel weist bereits den Weg, den der Autor nehmen will. Der Fratzenmaler Callot soll durch den »Höllenbreughel« übertrumpft werden. Schiff begnügt sich also nicht mehr damit, Hoffmann nachzufolgen, sondern sucht, dessen wildphantastische Wirkungen zu übertreffen. In der ersten Novelle »Die Hexen« ist ihm das eher geglückt als in der zweiten. Zwar operiert Schiff zum Teile mit Hoffmanns Mitteln; Gespenster und Hexen beleben die Handlung, die sich in wilden Sprüngen gefällt. Sie soll Grauen hervorrufen, kann aber im besten Falle nur Mitleid mit einem irregeleiteten Dichter erregen, der um jeden Preis aus einem unglaubhaften Stoffe Wirkungen hervorholen will, die in diesem nicht gelegen sind[*Heine soll sich nach Schiffs Mitteilung (»Heine und der Neuisraelitismus«, Seite 105) über das Werk geäußert haben: »Entweder du bist meschugge (verrückt) oder du gehst direkt darauf aus, es zu werden.« ].

      »Der Leser weiß nicht, woran er ist; und wenn er meint, der Verfasser wolle sich über ihn lustig machen, mag er wohl auf richtiger Fährte sein«, meinte die »Jenaische Literaturzeitung« (Ergänzungsblätter 1829, Nr. 36, Seite 288) in arger Verkennung der Absichten Schiffs, der sich ernstlich bemühte, das Hineinspielen der Geisterwelt in menschliche Geschicke, wie es bei Hoffmann vor sich geht, bis auf den Gipfel emporzutreiben. Auf diesem Wege übertreibt aber Schiff maßlos; er wirkt unglaubwürdig und nicht erschütternd, sondern ernüchternd.

      In der ersten Novelle treiben die Hexen (ein abscheulicher Kater hilft ihnen dabei) ihre heillosen Künste mit dem Blute, das einem Jüngling abgezapft wurde, der in ein (man weiß nicht recht irdisches oder himmlisches) Mädchen verliebt ist. Ein Arzt und sein gespenstischer Famulus suchen, der Hexe ihr Opfer zu entreißen; sie soll verbrannt werden, entflieht aber, während des Jünglings Liebste wirklich auf dem Scheiterhaufen umkommt. In dieser Szene, die in keinerlei Geisterspuk hineinspielt, ist Schiff ein packendes, sehr realistisches Genrebildchen gelungen. Die Verbrennung des schuldlosen Mädchens, das seine letzten ergreifenden Klagen dem Geliebten, der der Hinrichtung beiwohnt, zuruft, ist von stärkster Wirkung. Dieser Schluß, der wieder Schiffs Vorliebe für tragische Ausgänge offenbart, kann mit der ganz auf äußerliche Effekte berechneten Mache der Novelle einigermaßen versöhnen. Das gelingt der zweiten »Die Genialen« nur in den parodistischen Szenen; ihr sonstiger Inhalt (insbesondere die Sticheleien auf Gelehrteneitelkeit und die schwächlich funktionierende Gespenstermaschinerie) läßt die Frage, was Pieter Breughel damit zu schaffen haben sollte, für immer offen. Denn der vorgeblich so schauerliche Gespensterspuk, der aber schließlich seine natürliche optische und mechanische Erklärung findet, wirkt kalt und leer.

      Dagegen zeigen ein paar Gedanken über den Unterschied zwischen der poetischen Schönheit und Wahrheit, die wohl Schiffs Dissertation entstammen mögen, daß er sich mit diesen Fragen eingehend beschäftigt habe. Er meint, das Schöne könne wahr sein, doch sei das kein unbedingtes Erfordernis. Die Schönheit der Homerischen Gedichte würde dadurch nicht beeinträchtigt, wenn Achill und Hektor niemals gelebt hätten. Selbst das Häßliche könne schön wirken, wenn es sich an dem richtigen Orte befinde. Das sind, ohne daß Schiff damals Balzac schon kannte, auch dessen ästhetische Ansichten, die leider von dem Deutschen später nicht mehr anerkannt wurden. –

      Den drei Erstlingsbüchern Schiffs war kein größerer Erfolg beschieden: man nahm von ihnen kaum Notiz. Das mag ihn verdrossen haben, und so kehrte er Ende 1826 nach Hamburg zurück, wo damals (vgl. mein Lyserbuch Seite 58 ff.) namentlich auf journalistischem Gebiete eine beängstigende Überproduktion um sich gegriffen hatte. Schiff erhoffte wohl, in der Heimat tiefergehende Anerkennung zu finden als in Leipzig und durch Zeitungsmitarbeit rascher zu einem halbwegs gesicherten Einkommen zu gelangen. Daß ihn Heine schon 1827 (wie Strodtmann a. a. O. II, 52 nach Schiffs Mitteilung behauptet) [* In »Heinrich Heine und der Neuisraelitismus« (Seite 57) verlegt Schiff diese Empfehlung in das Jahr 1826] an Campe empfohlen hätte, ist nicht ganz glaubwürdig. Denn erst 1836 ist eine Verbindung zwischen dem Verleger und Schiff nachweisbar. Diese Hamburger Zeit war zwar nicht unproduktiv (vieles, was erst später gedruckt wurde, muß bereits in Hamburg entstanden sein; von einem Werke läßt sich das sogar mit Sicherheit behaupten), aber an die Öffentlichkeit gelangte nur wenig. Schiff war damals Mitarbeiter der berüchtigten »Originalien« von Georg Lotz; leider sind von seinen Beiträgen für dieses Blatt nur zwei zuverlässig nachzuweisen. Doch geht aus einer Anmerkung Lotz' zu einem von Schiff mitgeteilten Romanfragment »Flucht der Gräfin Elisabeth aus ihrem Schlosse« [* Aus dem damals und bis heute noch ungedruckten Roman »Agnes Bernauerin«; »Originalien« 1828, Nr. 145–150] hervor, daß dieser schon früher Aufsätze in der Zeitschrift veröffentlicht habe. Mit diesem Romane übertraf Schiff, nach Loß' Behauptung, seine bisherige literarische Produktion bei weitem. Doch ist von dieser, wie erwähnt wurde, in dem Hamburger Blatte nur noch der polemische Beitrag »Schiller, Madame Weißenthurn und Terpsichore« (1826, Nr. 106) Schiff zuzuschreiben, eine heftige Anklage gegen das Theaterpublikum, bei dem Schiller nur wenig Anklang finde.

      Diese überaus geringfügige Produktion Schiffs während drei Jahren wirkt befremdlich. Erklärlich ist sie vielleicht dadurch, daß er sich in dem rohen journalistischen Getriebe, das Hamburg damals erfüllte, nicht Bahn brechen konnte. Seine durchaus sensitive Natur, der viel Schüchternheit anhaftete, die ihm niemals gestattete, sich vorzudrängen, sondern immer zu stiller Resignation trieb, verhinderte es wohl, daß er in Hamburg zur Geltung kam. Noch 1866 beklagt Schiff sein »einsames, selbstbehagliches Streben«, von dem abzulassen, ihn Heine immer ermahnte. Aber »wer nur Gewinnes halber seiner Zeit dienen will, erniedrigt sich zu einem Komödianten seiner Zeit.«

      Mit solchen Grundsätzen konnte Schiff die vor keiner Erniedrigung und Korruption zurückschreckende Hamburger Journalistik der ausgehenden zwanziger Jahre nicht aus dem Felde schlagen. So kehrte er der Alsterstadt den Rücken und wandte sich anfangs 1830 nach Berlin. Hier konnte Heine für ihn eintreten. Wie er August Lewald, den Gefährten aus seiner Hamburger Zeit, an Willibald Alexis für den »Freimütigen« empfahl [* Vgl. den Brief an Hering (Heines Werke ed. Strodtmann, XIX, 408)] , so bemühte er sich für Schiff beiGubitz, dem Herausgeber des »Gesellschafters«,

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