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ist sonst niemals so weich und lyrisch gewesen wie in diesem Märchen, und diesmal ist ihm auch neben manchen schwachen ein hübsches Lied gelungen, von dem zwei Strophen hier wiedergegeben seien:

      »Wir Vögel schweben in himmlischen Räumen,

       Wir singen von lieblichen, glänzenden Träumen,

       Tief unter uns die Wolken ziehn

       Über Berge und Seen und Felder dahin.

       Tirilei, Tirilei, Tirilei!

       Und der Wind spielt auf die Melodei.

      Wenn Lüfte durch prangende Fluren wehn.

       Da nicken die Blumen mit Häuptern so schön,

       In tausend Farben mit Funken und Glanz

       Verübt das Licht seinen goldenen Tanz.

       Tirilei, Tirilei, Tirilei!

       Und der Wind spielt auf die Melodei.«

      Der Reiz dieses Märchens liegt lediglich in dem anmutigen und wirklich keuschen Ton, in dem es vorgetragen wird; stofflich weist es zu viele Anklänge an sehr bekannte Vorläufer auf, als daß es völlig befriedigen könnte. Außer den bereits hervorgehobenen Anlehnungen verwendet Schiff auch in stärkster Weise das Amphytriomotiv, nur daß diesmal nicht ein Gott, sondern eine Göttin in der Gestalt einer Ehefrau auftritt, um ihre Verführungskünste zu üben. Geschmackvoll ist diese Variante kaum zu nennen, schon deshalb nicht, weil eine Frau, die sich solcher Mittel bedient, um einen Ehebruch zu begehen, niemals erfreulich wirken kann. Gelten lassen kann man diese Änderung nur darum, weil der Ehebruch nur versucht und nicht vollbracht wird. Das Märchen klingt nämlich, wie bei Schiff fast immer, tragisch aus: der Ehemann sieht seine Gattin in doppelter Gestalt; trotz der verschiedensten Proben, die er anstellt, kann er nicht herausfinden, welche die richtige sei. Endlich glaubt er, diese erkannt zu haben, und tötet die vermeintlich falsche Gattin. Zu spät erkennt er, daß er sein eigenes Weib erschossen habe. Als blinder Spielmann irrt er dann durch die Lande.

      Eine dritte Novelle »Zwei Fliegen mit einer Klappe« [* Erstdruck im »Freimütigen«, 1833, Nr. 229–236] steht auf der Scheide zwischen Romantik und »jungem Deutschland«. Zwei Männer geraten in Zwist wegen ihrer romantischen bzw. realistischen Neigungen. Während der eine namentlich Jean Paul verherrlicht, findet der andere ihn und alle Dichter, die in unbestimmt schwärmenden Gefühlenaufgehen, lächerlich. Schiff entscheidet sich nicht, für welchen von beiden er Partei ergreifen soll. Seine Stellung bleibt – und das ist ein bemerkenswertes Zeugnis für seine allmählich ins Wanken geratene Auffassung – unentschieden.

      Eine vierte Novelle »Gundlingen« [*1846 ließ Schiff die Geschichte unter dem Titel »Das Tabackskollegium« in Pappes »Lesefrüchte« (IV. Band, Seite 358ff.) wieder erscheinen] kann insofern noch der romantischen Periode Schiffs zugezählt werden, als die Vorliebe der Romantiker für Neubearbeitungen alter Volksbücher, Chroniken usw. zur Geltung kommt.

      Die Figur des Gundlingen mag Schiff wohl wegen seiner eigenen ähnlichen Veranlagung zur Darstellung gereizt haben. Wie Gundlingen war auch er dem Trunke ergeben, und obwohl beide graduierte Leute waren, dienten sie den Zechkumpanen als Stichblätter oft sehr roher Scherze. Die Autobiographie Gundlingens, die Schiff vorträgt, geht auf Daniel Faßmanns »Elisäische Felder« zurück. Nur ist vieles gekürzt, anderes verbessert, die Sprache teilweise modernisiert, das ganze neu geordnet. Es ist wenig interessant, was man von Gundlingen aus dieser Icherzählung erfährt; die Schwänke, die mit dem immer Volltrunkenen aufgeführt wurden, sind roh und meist widerwärtig.

      In dieser Novelle liegt die Bedeutung dieses Buches nicht. Sie ist vielmehr in der nach dem Französischen geschriebenen Novelle »Johann Faust in Paris 1463« zu sehen. Denn hier schwenkt Schiff offenkundig von der Romantik ab; er ist unverfälschter Rationalist geworden, der sich namentlich von dem Wunderglauben und den katholisierenden Neigungen seiner früheren Zeit vollständig abgewendet hat. Auf welche Einflüsse diese Abkehr zurückzuführen sein mag, ist kaum zu ergründen. Aber die Richtung, die Schiff in diesem merkwürdigen »Faust« einschlägt, hält er von jetzt ab eine Zeitlang fest. Dieser »Faust in Paris« stellt die Vereinigung zweier Persönlichkeiten dar, nämlich des Schwarzkünstlers und des Erfinders der Buchdruckerkunst. Faust will, da er vor der deutschen Inquisition fliehen mußte, in Paris seine Bibeln verkaufen. Gleich seinem Namensbruder aus dem Volksbuche ist er von sinnlichen Begierden stark erfüllt. Er läuft hinter Freudenmädchen einher und verbindet sich mit einem solchen, das ihm, da es Freunde in den höchsten weltlichen und geistlichen Kreisen hat, dabei behilflich sein soll, die gedruckten Bibeln abzusetzen. Das Mädchen erzählt einem Pater, zu welch niedrigen Preisen man jetzt Bibeln kaufen könne; der ist nach diesem billigen Gewinn lüstern, besucht Faust, kann aber mit ihm nicht ins reine kommen. Deshalb schürt er in ganz Paris gegen den Schwarzkünstler und Zauberer, predigt auf den Kanzeln und erwirkt bei der Inquisition das Recht, Faust zu verhaften. Das Mädchen macht aber den Pater trunken und verrät Faust die gegen ihn gerichteten Anschläge. Er verbrennt sein Pariser Haus und entkommt glücklich.

      In diese lebendige Geschichte verflicht Schiff den wüstesten Haß gegen den Katholizismus und seine Priester. Ihm ist kein Wort des Angriffes zu scharf, um es nicht auszusprechen. Er verhöhnt den Wunderglauben, wobei er sich nicht scheut, arge Blasphemien einzuflechten, läßt Priester von der Kanzel herab predigen, daß jede Frau, die an Wunder nicht glauben wolle, demnächst eine tote Katze, eine Ziege oder ein Mondkalb zur Welt bringen werde usw. Der heftigste Groll gegen das Christentum, für das er selbst oft so glaubensstarke Worte gefunden hatte, lodert aus dieser Erzählung.

      Persönliche Erfahrungen, die Schiff verstimmten, mögen diesen auffallenden Umschwung vollbracht haben; die Erkenntnis wird sich ihm nicht mehr verschlossen haben, daß zu einer Zeit, in der die Jungdeutschen, von Regierungen und Zeitungen verfolgt und verfemt, dennoch sich und ihre Tendenzen immer nachdrücklicher durchsetzten, auch er dieser Geistesrichtung entgegenkommen müsse. Ärger haben freilich die führenden Bekenner des Jungdeutschtums und alle ihre blinden Nachläufer eine der Tendenzen dieser Bewegung – den Kampf gegen Religion und Kirche – nicht geführt als Schiff in diesem »Faust«. Er ist damit nicht originell: in der Zeit von 1832–1834 findet man in Romanen und Novellen auf Schritt und Tritt diese wüsten antikirchlichen Ausschreitungen. Bei ihm muß freilich der jähe Wechsel zwischen hingebendster Gläubigkeit und schärfster Gehässigkeit sehr befremden. Denn damit vollzieht Schiff den entscheidenden Bruch mit der Romantik und nähert sich in einem wichtigen Punkte dem »jungen Deutschland«. Allerdings hat Schiff seinen romantischen Gesinnungen nicht für alle Zeit den Abschied gegeben; immer wieder sickern sie bald schwächer, bald stärker durch, und es ist fraglos, daß ihn zur Annäherung an das »junge Deutschland« nicht innere Notwendigkeit getrieben habe, sondern der Wunsch, sich anerkannt zu sehen. Denn viel hatte er für diese neuerstandene Richtung eigentlich niemals übrig, wenn er auch Börne liebte. Aber wie wenig er auf Heines Seite stand, offenbarte er bereits in auffallendster und nachdrücklichster Weise ein paar Jahre später. Mit den übrigen befaßte er sich in dieser Berliner Zeit überhaupt nicht, wenn man von der nichtssagenden Rezension desMundtschen »Basilisk« (»Der Freimütige«, 1833, Nr. 134) absieht. So verbindet also weder äußerlich noch innerlich Schiff irgend etwas mit den Bestrebungen der Jungdeutschen. Wenn er diesen dennoch in »Johann Faust in Paris« Zugeständnisse macht, mag ihn dichterische Notwendigkeit am allerletzten dazu getrieben haben. Doch läßt sich nicht verkennen, daß Schiff auch auf einem anderen Gebiete damals zwischen Romantik und Realistik planlos umherirrte; und so muß er jedenfalls allmählich an sich selbst irre geworden sein und daran gedacht haben, die unzeitgemäß gewordene romantische Schwärmerei nach und nach aufzugeben.

      Auch der Dramatiker Schiff läßt nämlich die sich in seinem Innern bekämpfenden beiden kontrastierenden Richtungen sehr klar erkennen.

      Mit der novellistischen Produktion Schiffs hält seine gleichzeitige dramatische gleichen Schritt. Die tiefliegenden Gegensätze seiner Epik begegnen auch hier; er schwankt zwischen der französischen Realistik und der deutschen Romantik unstet hin und her. Schiff setzt mit einer freien Bearbeitung des streng realistischen Dramas von Alexander Dumas »Heinrich III. und sein Hof« ein, jenem Trauerspiele, das die große literarische Umwälzung in Frankreich so sehr gefördert hatte. Diese Bearbeitung erschien zwar im Drucke, zu einer

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