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Komm lass uns in die Pizzeria Milano essen gehen, ich lade dich ein.»

      Die Idee klang verlockend. Ich nickte. Wir begaben uns einige Meter von unserem Lokal entfernt in die Pizzeria. Isa bestellte uns Rindsfilet mit Pilz-Risotto und Rotwein. Wir genossen das Essen. Nach einer Stunde wurde es Zeit ins Lokal zurückzukehren. Isa hatte Schicht und ich meinen Männerabend mit Bajram. Er kam wie verabredet und wir machten uns auf ins Negresco, eine kleine Bar mit dominikanischer Musik und einem kurdischen Besitzer. Ich bestellte einen Jack Daniels und Bajram einen Wodka Red Bull. Nach einer zweiten Runde zogen wir weiter. Wir kamen in die Lugano Bar, wo Katharina arbeitete. Katharina war mit mir seit einigen Wochen in einer lockeren Beziehung. Da wir einige Uneinigkeiten hatten, war sie nicht sehr gesprächig mit mir, also versuchte sie mich neckisch nicht zu beachten. Also verliess ich das Lokal nach einem Getränk wieder mit Bajram zusammen.

      Wie mein späterer Gutachter Dr. Elmar Habermeyer festhielt, neige ich dazu, Kränkungsgefühle mit Alkohol zu kompensieren, wodurch mein Zustand noch labiler werden kann. Oder auch, ich zitiere: Für Herr C. bleibt festzuhalten, dass er unabhängig von der diagnostischen Einordnung im Rahmen von Belastungssituationen zu einem problematischen Alkoholkonsum (im Sinne einer dysfunktionalen Copingstrategie) neigt, welche aufgrund der enthemmenden Wirkung deliktrelevant ist.

      Das Muster nahm somit seinen traurigen Lauf.

      Wir begaben uns ins Midway zu Ralf. Ralf ist um die vierzig Jahre jung und zählt ebenfalls zur älteren Garde an der Langstrasse. Ralf besuchte uns oft in der Elite Bar und wir revanchierten uns regelmässig bei ihm. Wie es der Brauch bei uns vorgab, offerierte ich eine Flasche im Midway. Bajram und ich waren mit Ralf und seiner Frau alleine. Das Lokal schien am heutigen Abend schlecht besucht, da kamen wir wohl gerade gelegen. Ich verteilte Whisky in alle Gläser. Wie gewohnt bei den anderen viel, bei mir wenig. Ich mogelte mit dem Coca-Cola und gab mir selbst immer zuerst Cola und dann den Whisky ins Glas, damit nicht auffiel, wie wenig ich trank. Trotz allem zeigte der Whisky auch bei mir seine Wirkung und ich wurde gesprächiger als normal.

      Wir begannen alte Geschichten zu repetieren und füllten das Lokal mit Gelächter. Mit der Zeit kamen noch weitere Gäste dazu. Einer der Gäste packte eine Folie aus seiner Tasche, wobei er seinen Begleiterinnen weisses Pulver offerierte. Der Mann wollte auch unserem Tisch etwas offerieren, aber ich lehnte ab. Ich halte selbst nichts von Drogen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich in jungen Jahren auch Marihuana und Kokain ausprobiert habe. Doch Gott sei Dank hat mir weder das eine noch das andere gefallen. Ich studierte den unbekannten Neuankömmling. Er machte eigentlich einen seriösen Eindruck. Und schien auf Party aus zu sein. Wir kamen ins Gespräch, wodurch er sich mit seinen Begleiterinnen an unseren Tisch gesellte. Er präparierte nochmals zwei Linien und offerierte mir erneut. Ich nahm seine zusammengerollte Fünfziger Note und zog ebenfalls eine Linie. Es schmeckte mir nicht und ich bereute es sofort. Im späteren Verlauf der Untersuchung hat sich herausgestellt, dass es gar kein Kokain, sondern Lidocain war, ein Stoff, der den Herzrhythmus hemmen kann. Im Milieu wird dies verwendet um Kokain zu strecken, damit man mehr Portionen verkaufen kann. Es birgt allerdings viele Gefahren und führte in Berlin in den Jahren 1995 bis 1998 zu sechsundvierzig Todesfällen. Etwas, was mir bis zur Strafuntersuchung selbst nicht bewusst war.

      Dr. Elmar Habermeyer sieht meinen Konsum, welcher eigentlich nicht meinem Wesen entspricht, da auch in meiner Haarprobe kein Kokainkonsum festgestellt wurde, wie folgt als einen Teil meiner damals fraglichen Bewältigungsstrategie. Ich zitiere: Letztlich liegt kein deutlicher Nachweis eines, über mehrere Monate andauernden, nachteiligen Effekts durch den Konsum von Kokain vor, weswegen mit Verweis auf die Kriterien des ICD-10 (WHO 2004) auf die Diagnose eines schädlichen Gebrauchs verzichtet wird. Trotzdem ergeben sich anhand früheren Angaben des Expl. Hinweise dafür, dass er neben Alkohol auch Kokain als dysfunktionale Bewältigungsstrategie in Betracht zog.

      Die Flasche neigte sich dem Ende zu und nachdem ich noch eine Runde Havanna Rum offerierte, war es Zeit zu gehen. Ralf verabschiedete die Leute und versprach mir, später in der Elite Bar vorbeizuschauen, wo er sich revanchieren werde. Ich nickte und torkelte mit Bajram zurück in Richtung Elite Bar. «Was für ein Männerabend», bemerkte Bajram.

      Wir mussten kurz lachen. In der Elite Bar angekommen, stellten wir fest, dass das Lokal für einen Werktag sehr gut besucht war und auch die Stimmung eher an ein Wochenende, als an einen Arbeitstag erinnerte. Wir wurden herzlich begrüsst und setzen uns zu den Gästen.

      Später begab ich mich zum DJ Pult, wechselte die Musik und drehte das Volumen leicht nach oben. Bajram verabschiedete sich vorzeitig.

      «Bleibst du noch lange Sascha?», meinte er noch flüchtig, worauf ich:

       «Nein, bin auch bald weg, gehe oben schlafen.»

      Ich verbrachte noch rund eine Stunde in der Elite Bar, unterhielt mich mit den Gästen und tanzte mit der einen oder anderen Besucherin. Die Stimmung neigte sich dem Ende zu und die Gäste begannen sich zu verabschieden. Isa machte bereits die Abrechnung und ich begab mich langsam auf den Weg.

      «Keine Begleiterin heute Nacht?», scherzte einer der Kunden, einer der mich kannte.

      «Was nicht ist, kann noch werden», lächelte ich und verliess das Lokal.

      Der letzte Satz des Kunden blieb mir im Kopf und brachte mich auf die Idee, mir einen Kulturaustausch zu gönnen. Kulturaustausch ist ein Ausdruck im Milieu, der so viel bedeutet wie, sich auf eine Prostituierte einzulassen. Ich lief neben die Elite Bar, wo bekanntlich immer käufliche Liebe auf der Strasse angeboten wird.

      Mit diesem Verhalten folgte ich einem weiteren Muster, dem ich bereits Jahre lang gefolgt bin. Nach Trennungen habe ich mich immer, anstatt hinter Liebesschnulzen und Ovomaltine, in One-Night-Stands oder käufliche Liebe gestürzt, um den Liebeskummer zu vertreiben. Ganz unter dem Motto: Single sein hat doch seine Vorteile.

      Es kam mir eine hübsche schwarzhaarige Frau entgegen und ich sprach sie an.

       «Hast Du Zeit?»

       «Nein, mi Amor, bin besetzt.»

      Es vergingen lediglich Sekunden, als bereits die Nächste kam. Sie schien Brasilianerin zu sein. Sie trug einen langen Mantel und bereits ihre markanten Augenbrauen liessen ihr Gewerbe erahnen.

      «Hallo, hast Du Zeit?», sprach ich Sie an, worauf sie verneinte.

      Ich drehte mich bereits von ihr weg, da blieb sie stehen, drehte sich um und korrigierte wie folgt:

       «Ich habe nur eine Viertelstunde Zeit und keine Wohnung, das ist das Problem.»

      Ich erkannte beim Griff in die Tasche, dass ich gar nicht mehr viel Bargeld dabei hatte, da ich bereits die Flaschen im Lokal zuvor mit Karte bezahlt hatte, nachdem ich einige Hunderternoten habe liegen lassen. Meine Hand kramte in meine Jackentasche.

       «Ich habe noch Fünfzig in Bar und eine Wohnung gleich hier, oberhalb der Elite Bar.»

      «Ok, für eine viertel Stunde», meinte die Brasilianerin, lächelte und lief mir zum Hinterhof der Elite Bar hinterher.

      Ich öffnete die Hauseingangstüre. Wir gingen in den zweiten Stock zur Wohnung.

      «Ich muss später noch mein Kind von der Babysitterin in Luzern abholen, habe deshalb nicht viel Zeit», sagte die Prostituierte. Das verwirrte mich etwas, denn selten hört man von Professionellen irgendetwas über ihr Privates, aber es schien eine Ausnahme zu sein und ich hakte nicht weiter nach. Ich öffnete die Wohnungstür. Wir zogen im kleinen Flur unsere Schuhe aus und begaben uns in das direkt danebenliegende Wohnzimmer. Ich stellte mich vor den Salontisch und leerte meine Taschen der Lederjacke. Mein Handy, meinen Schlüssel, meinen Security Stock und meine Zigaretten legte ich auf den Tisch, wobei ich bemerkte, dass die Brasilianerin sich für den Security Stock zu interessieren schien.

      «Was ist das?», fragte sie und ich liess den Stock ausfahren.

      Ich erklärte ihr, es handle sich hierbei um nichts Spezielles, lediglich um ein Schlaggerät zum Schutz bei der Arbeit.

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