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Milieugestalten und ein Oberhaupt der Polizei. Im Club dröhnte Musik einer extra eingeflogenen kubanischen Band. Die Stimmung war spektakulär. Was mich störte, war meine Position, da ich an der Türe weit entfernt vom Geschehen platziert war.

      «Warum mach ich das? Will ich das den Rest meines Lebens machen?», diese Frage rotierte erneut in meinem Kopf.

      Dann geschah etwas Seltsames. Der Besitzer des Nachtclubs bat mich die Kasse zu schliessen, das Geld hinunter zu bringen und mich nun unter die Leute zu mischen. Ich solle alles im Auge behalten, aber ruhig auch die Eröffnung geniessen. Da stand ich nun, in meinem schwarzen Billiganzug, welcher allerdings in dem Licht genauso gut hätte von Armani sein können, so beobachtete ich das Treiben. Das Licht war abgedunkelt, das Ambiente erinnerte an eine fremde Welt, die Musik erfreute die Menschen, die Stimmung war glamourös.

      Eine Hand berührte meine Schulter. Ich drehte mich um und erschrak, denn der Grüssende war mir seit Kindheitstagen bekannt, es war Max Sutter, einer der Polizeiobersten der Region. Ich befürchtete, dass ich nun einen Vortrag hören würde, da ich erst siebzehn Jahre jung war und die Zeit irgendwo bei zwei Uhr morgens lag. Es kam überraschender und prägenderweise anders.

       «Gut siehst du aus. Ihr habt gute Arbeit geleistet mit dem Club. Möchtest Du etwas trinken?»

      Was ist denn nun passiert? Auf dem Bau interessierte sich niemand für meine Arbeit oder für mein Wesen. Keiner fragte mich, was ich gemacht hätte oder wie es mir gehen würde, geschweige denn, würde jemand meine Arbeit loben. Dieser Tag veränderte mich in zwei Dingen. Ich verliebte mich in Anzüge und fing daher an Anzüge zu sammeln, in sämtlichen Farben, Mustern und Preisklassen. Zum anderen verliebte ich mich ins Nachtleben und sah zum ersten Mal meine Zukunft vor mir. Ich wusste nun, wo ich hingehörte und ich wusste wo ich hinwollte. Die Nautilus erlitt allerdings dasselbe Schicksal wie die reale Titanic, und der Untergang ereignete sich schnell. Nach wenigen Monaten war der Betrieb pleite und musste zu einem Spottpreis weiterverkauft werden. Wie schon zuvor nahm ich verschiedenste Jobs an, als Möbelpacker, als Eventangestellter und als Hilfsmonteur bei meinem Vater in der Whirlpool-Firma.

      «Was ist denn nun passiert? Geht das nun mein Leben lang so weiter?», war die neue Frage, die mich beschäftigte, denn nun war ich da, wo ich eigentlich nicht sein wollte.

      Und das Schlimmste, die Arbeit erfüllte mich nicht. So konnte es also nicht weitergehen. Ich suchte mir eine Arbeit im Nachtleben, um meinem Ziel wieder näher zu rücken. Da kam ich zu einem sehr interessanten Arbeitsort, dem Scharfen Ecken in Rothrist. Einem genialen Gastronomiekomplex, der mir von Anfang an sehr imponierte. Er bestand aus drei Ebenen. Auf der obersten befand sich ein Nobel Restaurant, in der Mitte ein Dancing mit Live-Musik und im Parterre befand sich eine Pizzeria für die junge Klientel. Ich stieg im Dancing als Barmann ein und sammelte Erfahrungen im Bereich Service, Cocktails mischen und abrechnen. Mit mir arbeiteten zwei Frauen aus der dominikanischen Republik, die sich um die männlichen Gäste kümmerten, während ich mich um die Frauen an meiner Bar kümmerte. Die Erfahrung war sensationell, trotz allem war es noch nicht mein Ziel. Nach einigen Monaten kam ein Gastronom auf mich zu und machte mir das Angebot ein Pub zu leiten, das demnächst eröffnen würde. Das Angebot klang super, denn der eigene Chef sein, entsprach mehr meinen Traumvorstellungen als Barmann. Ich beteiligte mich am Umbau des Pubs und erlebte eine erneute Sklavenzeit, denn der Umbau zog sich in die Länge und die meiste Arbeit blieb an mir hängen. Zwei Tage nach der Eröffnung kündigte ich, da der Besitzer sich als unprofessionell erwies. Von da an schwor ich mir eins. Nachtleben ja, aber nur noch bei Platzhirschen. Ab sofort wollte ich nur noch für alteingesessene Hasen arbeiten und keine Neueröffnungen und Risikolokale mit Schweiss und Herzblut mehr unterstützen. So kam ich auf Chris. Chris war ein Platzhirsch in Aarau und er besass eine Diskothek, das Dock25. Die Lokalität befand sich inmitten des Bahnhofareals, also an einer Toplage. Ich kannte den Besitzer bereits flüchtig vom Nautilus Dancing und kontaktierte ihn daher spontan. Zwei Tage später begrüsste er mich herzlich in seinem sehr schicken Büro, welches leicht an den Filmklassiker «Der Pate» erinnerte. Goldene Uhren auf einem Drehständer, im Hintergrund eine antike Waffe in einer Box an die Wand montiert, dazu leise Musik, halt wie es bei einem typischen Halbweltler aussieht. Chris selbst war ein rund 180 cm grosser Mann und um die vierzig Jahre alt. Er stammte ursprünglich aus Österreich. Dazu war er ein ehemaliger Kampfsportexperte, leitete früher auch Kurse für die Sondereinheiten der Polizei. Ein sehr intelligenter Typ mit Ecken und Kanten. Es gab selten einen Menschen, von dem ich so viel lernen konnte wie von ihm. Zudem konnte er besser reden als jeder andere, den ich je im Nachtleben erlebt habe. Nun stand ich also dort in seinem Büro.

      «Willst Du einen Kaffee?», bot er mir an.

      Ich war verblüfft, denn weit und breit war keine Kaffeemaschine zu sehen. Chris führte mich aufs Dach vor eine grosse Metalltüre, öffnete sie und so kam mir eine Art Paradies entgegen. Blauer Teppichboden über das ganze Dach umgeben von Sandhügeln, kleinen Wasserfällen und Fackeln. Mittendrin eine Art Glasbau, in dem sich eine Bar vom Feinsten befand, mit Piano. Chris erklärte mir, dass er seit neustem einen Member Club gegründet habe und einen Türsteher gebrauchen könnte. Obschon es nicht das war, was ich wollte, erinnerte es mich ans Nautilus, das Ambiente überzeugte mich so sehr, dass ich kein «Nein» rausbrachte, sondern ein «Ok».

      Mit dem leitenden Türsteher verstand ich mich nicht, worauf ich am zweiten Tag davonlief. Einen Tag später rief Chris mich an. Ihm schien meine Art zu gefallen und er bat mich zu sich ins Büro. Er beförderte mich zum leitenden Türsteher und entliess den anderen. Scheinbar mochte er diesen nie richtig und ich erschien ihm die richtige Wahl. Ich bekam eine angenehme Position und eine Zeitlang sogar noch ein Büro beim Member Club dazu. Von Null auf Hundert binnen Sekunden, sowas gibt es wahrlich nur in der Halbwelt. Ich arbeitete einige Monate im Member Club bis es mir zu langweilig wurde und ich mich in seine Diskothek am Bahnhof, das Dock25, versetzen liess. Die Diskothek war genau nach meinem Geschmack. Platz für gut dreihundert Gäste, mehrere Bars, DJ, Garderobe und einen Hexenkessel gefüllt mit Gästen aus sämtlichen Nationalitäten und Branchen. Ich fing als Türsteher unter der Leitung des dortigen Geschäftsführers an. Nach einem Jahr mutierte ich zur rechten Hand von Chris und war immer mehr in beiden Lokalitäten tätig. Ich kümmerte mich um das Personal, um Events, um den Nachtbetrieb und sämtliche Vorbereitungen. Ich war angekommen. Ich fühlte mich wohl. Trotz dem erreichten Ziel, sehnte ich mich nach einer Tagesarbeit und wie es der Zufall wollte, kam ich durch meine Arbeit im Nachtleben in Kontakt mit einer Medienmitarbeiterin, die mir einen Job im Aussendienst, bei der Neuen Oltner Zeitung (NOZ) besorgte. Auch meiner Familie gefiel meine Zweigleisigkeit, so fing ich an unter der Woche im Aussendienst zu arbeiten und von Donnerstag bis Samstag zusätzlich in den Nachtlokalen. Die beiden Jobs ergänzten sich hervorragend, und ich konnte immer wieder Synergien nutzen. So fand ich im Dock25 und im Member Club immer wieder Kunden für die NOZ und konnte auch Kunden von der NOZ einmal in die Clubs einladen. Mein Leben war für meine damaligen Ansprüche, für den Moment optimal und erfüllt. Bekanntlich folgt nach Sonne der Regen, und so kam es auch.

      Drei Jahre später. Der Bahnhof Aarau sollte für rund 300 Millionen saniert werden, wobei die Diskothek weichen musste, weshalb unser Mietvertrag nicht verlängert wurde. Ich wusste früh Bescheid und fing an über meine Zukunft zu grübeln.

      «Das hätte ich ein Leben lang so weiter machen können», war nun der Satz in meinem Kopf, anstelle der früheren Frage.

      Ich fing an, mit dem Gedanken der Selbstständigkeit zu spielen. Etwas Kleines, ein Anfang, etwas das auch schiefgehen durfte – doch was? Wie es der Zufall wollte, wurde in meinem Heimatdorf Schönenwerd das ehemalige Atlantis Pub zur Weitervermietung ausgeschrieben und ich nutzte die Möglichkeit. Ich wagte den Schritt in die Selbstständigkeit und verwandelte das Atlantis Pub in die Latino Bar Royale. Hier begann ein neuer Abschnitt in meinem Leben, der mich zum ersten Mal in Kontakt mit der Justiz brachte. Ein Kleindelikt, das später aufgeblasen wurde und mir beinahe das Genick gebrochen hätte. Ein Delikt, das bis heute an mir klebt, wie ein Kuhfladen an einem Schuh.

       Die Untersuchungshaft

      «Aufstehen

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