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englisch und ich hab’s so schnell gelernt.«

      »So sag mir’s her, kleine Weisheit! Du wirst ein Schriftgelehrter werden und in einem langen schwarzen Talar auf die englische Universität gehen.«

      »Unsre Flagge hat fünf Farben,« versetzte der Maharadscha Kunwar, wieder in die heimische Mundart verfallend, »wenn ich für sie gekämpft habe, will ich erst ein Engländer werden!«

      »Ach mein Kind, man führt keine Krieger mehr ins Feld bei uns – jetzt sag nur deinen Vers!«

      Das geheimnisvolle Raunen von Hunderten unsichtbarer Augen-und Ohrenzeugen wuchs immer mehr an. Tarvin mußte sich vorbeugen, um den Knaben zu verstehen, der von des Vaters Knie herabgeglitten war, die Hände hinter dem Rücken verschränkte und ohne jeden Ausdruck in einem Atem die Worte herleierte:

      »Tiger, Tiger, glühend bunt

       In dem Wald zur Nacht,

       Welch unsterblich Wesen schuf

       Deiner Farben Pracht?

       Gab es dir die Furchtbarkeit

       Mit des Herzens Schlag,

       Oder warst du mild und sanft

       An der Schöpfung Tag?

      »Es ist noch länger, aber das fällt mir nicht ein,« schloß er, »nur zuletzt heißt’s, das weiß ich noch:

      ›Der so furchtbar dich gemacht,

       Schuf er auch das Lamm?‹

      Ich hab’s sehr schnell gelernt.«

      Und nun klatschte der Maharadscha Kunwar sich selbst mit den kleinen Händchen Beifall, in den Tarvin einstimmte.

      »Verstanden hab’ ich’s nicht,« gestand der Vater auf hindostanisch, »aber es ist sehr nützlich, gut englisch zu lernen. Dein Freund hier spricht englisch, wie ich’s nie hörte.«

      »Ja,« stimmte der Prinz bei, »und er spricht auch mit dem Gesicht und den Händen, alles lebt, daß ich lachen muß, eh’ ich noch weiß warum. Aber der Oberst Nolan Sahib spricht wie ein Büffel, mit geschlossenem Mund, und ich merke nie, ob er verdrießlich ist oder vergnügt. Sage mir, Vater, was thut Tarvin Sahib hier?«

      »Jetzt reiten wir zusammen aus,« erwiderte der König. »Wenn ich heim komme, gebe ich dir vielleicht Antwort auf deine Frage. Was sagen die Männer, die um dich sind, über ihn?«

      »Sie sagen, er sei ein Mann von reinem Herzen, und, Vater, er ist immer gut gegen mich.«

      »Hat er mit dir über mich gesprochen?«

      »Nie so, daß ich’s verstehen konnte, aber er ist gewiß ein guter Mann – sieh, jetzt lacht er!«

      Tarvin, der bei Nennung seines Namens die Ohren gespitzt hatte, setzte sich jetzt im Sattel zurecht und faßte die Zügel, um dem König anzudeuten, daß es Zeit zum Aufbruch sei.

      Jetzt führten die Stallknechte ein lang gestrecktes, stumpfschwänziges englisches Vollblut und eine mausfarbige Stute mit trockenen Gliedern vor. Der Maharadscha erhob sich.

      »Geh’ zu Saroop Singh, Prinz, und laß dir die Sättel geben,« sagte er zu dem Knaben.

      »Was treibst du denn heute, kleiner Mann?« fragte Tarvin.

      »Erst werde ich mir neue Ausrüstung besorgen, und dann will ich im Hof mit dem Sohn des Ministers spielen.«

      Wie das Zischen einer verborgenen Schlange tönte es hinter den verhüllten Fenstern; offenbar war dort jemand, der des Kindes Antwort verstanden hatte.

      »Siehst du Fräulein Käte heute?«

      »Nein, heute nicht. Ich gehe nicht zu Frau Estes zur Stunde, ich habe Feiertag.«

      Der König trat nahe an Tarvin heran und fragte ihn leise: »Muß er die Doktordame wirklich jeden Tag sehen? All meine Leute belügen mich in der Hoffnung, meine Gunst zu gewinnen, sogar der Oberst Nolan sagt mir, er halte das Kind für sehr kräftig. Sagen Sie mir die Wahrheit – es ist mein erstgeborener Sohn.«

      »Nein, kräftig ist er nicht,« versetzte Tarvin ruhig, »und es wäre vielleicht gut, wenn Fräulein Sheriff ihn diesen Morgen zu sehen bekäme. Jedenfalls thun Sie besser, zu ängstlich zu sein, als zu unbesorgt.«

      »Ich weiß nicht, was Sie meinen,« sagte der Maharadscha, »aber geh’ du nur ins Missionshaus, mein Sohn.«

      »Ich will aber lieber hier spielen,« entgegnete der Prinz widerspenstig.

      »Du weißt gar nicht, was Fräulein Sheriff für Spiele für dich hat,« sagte Tarvin überredend.

      »Was hat sie denn?« fragte Lalji rasch.

      »Du hast eine eigene Kutsche und zehn Begleiter, fahr hin, dann wirst du’s sehen.«

      Tarvin zog einen Briefumschlag aus der Brusttasche, dessen amerikanische Zwei-Centmarke er mit einer gewissen Zärtlichkeit ansah. Darauf schrieb er in Eile die Worte: »Behalte den kleinen Burschen heute um Dich. Es liegt irgend eine Teufelei in der Luft. Ersinne irgend etwas, womit Du ihn beschäftigst, spiele mit ihm und halte ihn fern vom Palast. Deinen Brief erhalten. Ganz einverstanden.«

      Er rief den Knaben zu sich und übergab ihm den Zettel.

      »Bring’ diese Botschaft dem Fräulein und sag’ ihr, ich schicke dich. Du wirst es pünktlich besorgen, hörst du, kleiner Mann?«

      »Mein Sohn ist keine Ordonnanz,« bemerkte der König von oben herab.

      »Ihr Sohn ist nicht gesund,« erwiderte Tarvin leise, »wenn ich auch der Erste bin, der Ihnen die Wahrheit zu sagen wagt. – Sachte, sachte, das Tier hat ein weiches Maul!« Diese Mahnung galt den Stallknechten, die den jungen Foxhallhengst kaum halten konnten.

      »Der wirft Sie sicher ab,« rief der Maharadscha Kunwar in hellem Entzücken. »Der hat noch jeden Reiter abgeworfen!«

      In diesem Augenblick klappte ein Fensterladen dreimal in der Stille des Hofes.

      Einer von den Reitknechten trat vorsichtig an die rechte Seite des Pferdes, Tarvin setzte den Fuß in den Steigbügel, um aufzuspringen, aber der Sattel drehte sich vollständig unter ihm. Gleichzeitig gab man den Kopf des Pferdes frei, und Tarvin hatte gerade noch Zeit, den Fuß aus dem Steigbügel zu ziehen, als das Pferd einen gewaltigen Satz machte.

      »Man kann’s geschickter angreifen, wenn man jemand umbringen will,« sagte Tarvin laut und kaltblütig. »Führen Sie ihn mir her.«

      Als der Hengst vor ihm stand, gurtete er ihn eigenhändig, wie das Tier noch nie gegurtet worden war, seit es ein Gebiß trug, dann schwang er sich in den Sattel, während der König schon durch den Thorbogen sprengte. Der Gaul stieg ein paarmal, stemmte dann die Vorderbeine bocksteif gegen den Boden und schlug nach hinten aus. Tarvin, der sich gleich nach Cowboyart zurecht gesetzt hatte, sagte vollkommen ruhig zu dem Knaben, der jeder Bewegung mit Spannung folgte: »Mach’ dich auf den Weg, Maharadscha! Vertrödle deine Zeit nicht hier, ich will sehen, daß du zu Fräulein Käte gehst!«

      Das Kind gehorchte, wenn es ihm auch sauer geschah, sich von dem Anblick des bäumenden Pferds loszureißen. Jetzt wandte der Hengst alle Kunstkniffe an, seinen Reiter loszuwerden, er weigerte sich rundweg, den Hof zu verlassen, obwohl ihm Tarvin erst hinter dem Sattel und dann zwischen den entrüstet gestellten Ohren faßliche Befehle erteilte. An Stallknechte gewöhnt, die beim ersten Anzeichen von Widerstand aus dem Sattel glitten, wurde der Hengst über ein solches Benehmen rasend. Jählings rannte er durch den Thorbogen, drehte sich auf der Hinterhand vollständig herum und jagte der Stute des Maharadscha nach. Sobald man auf freiem Feld und Sandboden war, hielt er die Gelegenheit für günstig, seine Schnellkraft zu entfalten, aber auch Tarvin ersah seinen Vorteil. Der Maharadscha, der in seiner Jugend für den schneidigsten Reiter gegolten hatte in einem Volksstamm, der vielleicht im Reiten der erste der Welt ist, drehte sich im Sattel und verfolgte den Kampf zwischen Mann und Roß mit höchster Spannung.

      »Sie reiten wie ein Radschpute,« rief er dem vorüberfliegenden Tarwin zu. »Lassen Sie ihn in geradem

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