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mit der ganzen Truppe, der Sie heute standgehalten haben.«

      »Warten Sie mit Ihren Lobeserhebungen, bis ich sie verdient habe, Maharadscha Sahib,« sagte Tarvin. »Warten Sie, bis der Fluß abgeleitet ist.«

      Dann versank er in Schweigen; diese letzten Mitteilungen lagen ihm ein wenig schwer im Magen.

      »Nein, Ihre Stadt, die wird ungefähr sein wie diese?« bemerkte der Maharadscha, nach dem vor ihnen aufsteigenden Rhatore deutend.

      Tarvin hatte bis auf einen gewissen Grad seine anfängliche Verachtung für Rhatore und Gokral Sitarun überwunden. Es lag in seiner Natur, den Ort, wo er lebte, und die Menschen, mit denen er lebte, gütig zu beurteilen, und diese Anlage machte sich auch in Indien geltend.

      »Topaz wird in kurzem größeren Umfang haben als Rhatore,« erwiderte er.

      »Und wenn Sie dort sind, was ist dann Ihre Würde?« fragte der Maharadscha.

      Ohne zu antworten, zog Tarvin Frau Mutries Telegramm aus der Tasche und reichte es dem König. Wo es seine Wahl galt, war ihm auch die Teilnahme eines opiumsaugenden Radschputen nicht gleichgültig.

      »Was bedeutet das?« fragte der König so verständnislos, daß Tarvin verzweifelt mit den Händen herumfuchtelte.

      Er erklärte nun seine Beziehungen zum Staatswesen, wobei die Legislatur von Colorado zu einem amerikanischen Parlament anwuchs. Wenn der König ihm durchaus seinen vollen Titel geben wolle, bekenne er sich zum »Ehrenwerten« Nikolas Tarvin.

      »Das ist so etwas wie die Mitglieder des Provinzialrats, die von Zeit zu Zeit hierher kommen?« meinte der Maharadscha, an die grauköpfigen Herren denkend, die in bestimmten Zeiträumen bei ihm erschienen, mit einer Machtvollkommenheit ausgerüstet, die der des Vizekönigs nur wenig nachgab.

      »Aber Sie werden doch dem ›gesetzgebenden Körper‹ keine Briefe schreiben über meine Regierungsweise?« fragte er argwöhnisch, denn ihm fielen überaus neugierige Abgesandte des britischen Parlaments ein, die wie Mehlsäcke zu Pferd saßen und ihm ohne Unterlaß Regierungsweisheit predigten, wenn er viel lieber zu Bett gegangen wäre. »Und vor allem sind Sie doch,« setzte er langsam hinzu, als man sich jetzt dem Palast näherte, »ein wahrer Freund des Maharadscha Kunwar? Und Ihre Freundin, die Doktordame, wird ihn gesund machen?«

      »Zu dem Zweck sind wir ja alle beide hier!« versicherte Tarvin, einer plötzlichen Eingebung gehorchend.

      Zwölftes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Als er sich vom König verabschiedet hatte, wäre Tarvin am liebsten auf seinem Foxhallhengst im Galopp davon geritten, um das Naulahka zu suchen. Mechanisch wandte er sich seiner Wohnstätte zu und zog, in Gedanken verloren, die Zügel scharf an, eine Ungehörigkeit, die ihm der Hengst rasch zum Bewußtsein brachte. Das rief ihn in die Wirklichkeit zurück und lehrte ihn, sein Pferd und sein eigenes Ungestüm zu gleicher Zeit zügeln.

      Tarvin war schon so vertraut geworden mit indischen Benennungen, daß ihn der Ortsname »Kuhmaul« weiter nicht anfocht, aber daß ein Staatskleinod im Kuhmaul sein sollte, fand er etwas verwunderlich, und darüber wollte er sich bei Estes einige Aufklärung verschaffen.

      »Diese Heiden,« sagte er sich, »sind ja ganz die Leute, es in einer Salzlecke zu verstecken oder in die Erde zu vergraben! Jawohl, ein Loch in der Erde, das ist so ungefähr ihr Stil! Diamanten bewahren sie in alten Blechbüchsen auf, die sie mit Schuhriemen zuschnüren, das Naulahka hängt möglicherweise an einem Baum.«

      Während er jetzt auf das Missionshaus zutrabte, sah er sich seine Umgebung mit ganz neuem, erhöhtem Interesse an, denn jede Ritze zwischen den Erdwellen, jedes Haus in der winkeligen Stadt konnte ja den heiß begehrten Schatz enthalten!

      Estes, der schon viele Seltenheiten genossen hatte und Radschputana kannte wie der Gefangene die Wände seiner Zelle, hatte auf Tarvins Frage eine wahre Flut von Belehrungen bereit. In ganz Indien gab es »Mäuler«, von dem »Brennenden Maul« im Norden an, wo eine Ausströmung von Erdgasen von Millionen gläubiger Seelen als Verkörperung der Gottheit angebetet wurde, bis zum »Teufelsmaul« unter einigen vergessenen buddhistischen Tempelruinen in der südlichsten Ecke von Madras. Ein »Kuhmaul« befand sich auch etliche hundert Meilen von hier in einem Tempelhof von Benares und hatte großen Zulauf der Gläubigen, aber soweit Radschputana in Betracht kam, konnte es sich nur eines Kuhmauls rühmen, und das befand sich in einer toten Stadt.

      Und nun erging sich der Missionar weitläufig in einer Geschichte von Kriegen und Raubthaten, die mehrere Jahrhunderte umfaßte und als Mittelpunkt eine felsumgürtete Stadt in der Wildnis hatte, die einst Stolz und Ruhm der Könige von Mewar gewesen war. Tarvin hörte zu mit einer Geduld, so groß wie seine Ermüdung – die Geschichte der Vergangenheit war dem Mann, der seine Stadt in der Gegenwart errichtete, gar nicht wichtig –, während Estes sich über die Vorzeit verbreitete, die freiwillige Selbstvernichtung von Tausenden von radschputanischen Frauen schilderte, die sich in den unterirdischen Palästen mit eigenen Händen den Holzstoß geschichtet hatten, um nicht in die Gewalt der mohammedanischen Eroberer zu fallen, die wohl ihre Männer und Väter und Brüder hatten töten können, aber um den billigen Ruhm dieser Eroberung doch betrogen sein sollten. Estes fand viel Geschmack an der Archäologie, und es war ihm ein Genuß, seine Kenntnisse vor einem Landsmann zu entfalten.

      Seine Angaben über die Reise nach Gye-Mukh lauteten, Tarvin müsse die sechsundneunzig Meilen nach Rawut wieder im Büffelkarren zurücklegen, dort treffe er einen Zug, der ihn siebenundsechzig Meilen westwärts zu einem Knotenpunkt befördere, wo er dann umsteigen und mit einer andern Linie hundertundzwanzig Meilen nach Süden fahren müsse. Dann sei er nur noch anderthalb Wegstunden von jener Stadt entfernt und möge sich ihren wunderbaren neunstöckigen Turm des Ruhmes wie die cyklopische Stadtmauer und die verlassenen Paläste wohl anschauen. Zwei Tage würden Hin-und Herreise mindestens kosten.

      Als man so weit war, verlangte Tarvin eine Karte, die ihm auf den ersten Blick deutlich machte, daß Estes ihm zumutete, drei Seiten eines ungeheuren Quadrats zu umkreisen, wahrend eine spinnenfüßige Linie geradeaus von Rhatore nach Gunnaur lief.

      »Das käme mir kürzer vor,« sagte Tarvin, den Strich verfolgend.

      »Ist aber nur ein Feldweg, und von der Beschaffenheit indischer Straßen haben Sie ja einen Begriff. Siebenundfünfzig Meilen auf einer derartigen Straße in diesem Sonnenbrand, das könnte einem das Leben kosten!«

      Tarvin lächelte; er kannte die Angst vor der Sonne noch nicht, der Sonne, die Jahr um Jahr seinem Gefährten etwas von der Lebenskraft geraubt hatte.

      »Ich werde doch wohl hinreiten. Um halb Indien herumzufahren, nach einem Ziel, das mir gerade gegenüber liegt, hieße mir zuviel Zeit verschwenden, wenn es auch hierzulande Brauch sein mag.«

      Er fragte weiter, wie denn das Kuhmaul eigentlich beschaffen sein möge, und Estes gab ihm archäologische, philologische und architekturgeschichtliche Erklärungen, aus denen für Tarvin wenigstens hervorging, daß es ein Loch sein müsse, ein sehr altes, ganz hervorragend altes Loch von besonderer Heiligkeit, schließlich aber eben doch nichts als ein Loch im Boden.

      Tarvin beschloß, sofort dahin aufzubrechen, der Damm mochte warten, bis er zurückkam. Es war ohnehin zweifelhaft, ob des Königs Anwandlung von Begeisterung so weit reichen würde, daß er morgen seine Gefängnisse aufschließen ließe. Dann überlegte sich Tarvin, ob er den Maharadscha von seinem Vorhaben in Kenntnis setzen, oder erst das Naulahka besichtigen und hernach die Unterhandlungen anknüpfen solle. Da letzteres mehr in Geist und Brauch des Landes lag, entschied er sich dafür. Mit Estes’ Karte in der Tasche, kehrte er ins Rasthaus zurück, um seinen Leibstall zu besichtigen. Wie jeder Westamerikaner rechnete Tarvin ein Pferd zur Notdurft des Lebens, und so hatte er sich gleich nach seiner Ankunft instinktmäßig eines angeschafft. Es war ihm dabei wohlthuend gewesen, alle Kniffe und Pfiffe der Roßhändler, mit denen er’s je im Leben zu thun gehabt hatte, bei dem mageren, schwärzlichen Kabuli getreulich wiederzufinden, der ihm an einem unbeschäftigten

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