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welcher Geschwindigkeit von jenseits der weißen Hügel von Jensulmir einherjagten.

      Unterwegs erkundigte sich Tarvin auch angelegentlich nach Topaz. Wie sie es verlassen habe? Wie die liebe alte Stadt aussehe? Käte erinnerte ihn daran, daß sie ja schon drei Tage nach ihm abgereist sei.

      »Drei Tage! Drei Tage sind eine lange Zeit im Leben einer wachsenden Stadt!« rief Tarvin.

      »Ich habe keine Veränderungen bemerkt in diesen drei Tagen,« sagte Käte lächelnd.

      »Keine? Peters hatte doch gesagt, er wolle gerade am Tag nach meiner Abreise die Grabarbeiten für sein Backsteingasthaus in der G.-straße anfangen lassen, und Parsons erwartete eine neue Dynamomaschine für das städtische Elektrizitätswerk. In der Massachusettsstraße wollte man mit dem Nivellieren beginnen und auf meinem Grundstück von dreiundzwanzig Morgen sollte gerade an dem Tag der erste Baum gepflanzt werden. Kearney wollte ein neues Schaufenster von Spiegelglas in seinem Droguengeschäft einsetzen, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn die neuen Briefladen, die Maxim in Meridan bestellt hatte, auch noch vor deiner Abreise angekommen wären – ist dir nichts aufgefallen?«

      Käte schüttelte den Kopf.

      »Ich hatte in den Tagen an andres zu denken, Nick.«

      »Hm – ich hätt’s gern gewußt! Aber es ist ja einerlei – es ist wohl zu viel verlangt von einem Mädchen, daß sie neben ihren eigenen Angelegenheiten die Verbesserungen der Stadt im Auge behalten solle,« setzte er entschuldigend hinzu. »Frauen sind nun einmal nicht so geschaffen – ich habe gleichzeitig einen Wahlkampf und verschiedene Geschäfte und noch etwas ganz andres im Kopf und im Herzen haben müssen …«

      Er lächelte Käte pfiffig an und sie drohte ihm mit dem Finger.

      »Ja so, ein verbotener Gesprächsgegenstand! Gut, gut, ich will ganz gewiß artig sein! Aber wenn einer gewollt hätte, daß ich etwas nicht merke, der hätte früh aufstehen müssen! Was haben denn deine Eltern gesagt, als es nun ernst wurde, Käte?«

      »O bitte, sprich mir nicht davon!«

      »Wie du befiehlst.«

      »Wenn ich manchmal bei Nacht plötzlich aufwache und an die Mutter denken muß, das ist furchtbar. … Ich glaube fast, ich hätte zu allerletzt noch fahnenflüchtig werden können, wenn jemand das rechte – oder auch das unrechte Wort gesprochen hätte, so war mir’s zu Mut, als ich in den Zug stieg und ihnen das letzte Lebewohl zuwinkte!«

      »Ich Narr! Warum war ich nicht da!« stöhnte Tarvin.

      »Du hättest das Wort nicht sprechen können, Nick,« versetzte sie ruhig.

      »Aber dein Vater, willst du sagen. Ja, wenn er zufällig ein andrer wäre, würde er’s gekonnt und gethan haben! Wenn ich daran denke, möchte ich …«

      »Sag nichts gegen meinen Vater!« rief sie mit zitternden Lippen.

      »O mein liebes Kind!« murmelte er, sich mühsam beherrschend. »Das wollte ich ja nicht … sag mir, über wen ich losziehen soll … irgend jemand muß ich verwünschen, dann will ich Ruhe geben!«

      »Nick!!«

      »Nun, ich bin eben kein Holzblock,« brummte er.

      »Nein, nur ein sehr, sehr thörichter Mann!«

      Tarvin lächelte.

      »Nun bist du’s, die schimpft!« bemerkte er.

      Um auf etwas andres zu kommen, erkundigte sich Käte nach dem Maharadscha Kunwar, und Tarvin schilderte ihr das seltsame Kerlchen und meinte, es wäre gut bestellt, wenn die übrige Gesellschaft in Rhatore nicht schlechter wäre.

      »Du solltest Sitabhai sehen!«

      Er erzählte ihr dann ausführlich vom Maharadscha und den Leuten im Palast, mit denen sie ja in Berührung kommen mußte. Sie besprachen die seltsame Mischung von Lebensüberdruß und Kindlichkeit in diesem Volk, die auch Käte schon beobachtet hatte, und sprachen über die Ursprünglichkeit seiner Neigungen, die Einfalt seiner Anschauungen – einfältig und einheitlich wie der ganze Orient.

      »Sie sind nicht, was wir gebildet nennen. Von Ibsen wissen sie rein nichts und aus Tolstoi machen sie sich so wenig als aus sauren Aepfeln,« bemerkte Tarvin, der nicht umsonst in Topaz seine drei Zeitungen am Tag gelesen hatte. »Wenn sie die moderne Frau wirklich zu Gesicht bekämen und begreifen könnten, ich glaube sie wäre ihres Lebens keine Stunde mehr sicher! Aber sie haben doch auch ganz richtige Ideen, ausgezeichnete, altmodische Grundsätze, ungefähr dieselben; die mir auf meiner Mutter Knieen im fernen Staat Maine eingeimpft wurden. Meine Mutter glaubte nämlich an die Ehe, mußt du missen, und darin stimme ich mit ihr überein und zugleich mit den altmodischen Indern. Diese ehrwürdige, hausbackene, wurmstichige Einrichtung, dieser überwundene Standpunkt steht hier noch in hohem Ansehen.«

      »Habe ich je gesagt, daß ich Nora recht gebe, Nick?« rief Käte, seinem Gedankengang im Sprung folgend.

      »So? Nun, dann hast du ja auch wenigstens einen Punkt mit dem indischen Reich gemein. Das ›Puppenheim‹ würde in diesem gesegneten, altväterischen Land einfach abgelehnt werden, es fände keinen Raum.«

      »Aber alle deine Ansichten teile ich darum doch nicht,« fühlte sie sich gedrungen hinzuzusetzen.

      »Von einer weiß ich das sehr genau,« versetzte er mit einem pfiffigen Lächeln. »Gerade zu der will ich dich aber bekehren!«

      Käte blieb mitten in der Straße stehen.

      »Und ich hatte dir vertraut, Nick!« sagte sie vorwurfsvoll.

      Tarvin blieb auch stehen und sah ihr wehmütig in die anklagenden Augen.

      »O Gott!« seufzte er. »Ich hatte mir auch mehr zugetraut, aber ich muß eben immer daran denken. Was kannst du auch andres von mir erwarten? Aber ich will dir etwas sagen, Käte, dies soll das letzte Mal gewesen sein – endgültig, unwiderruflich. Ich schließe ab damit – von heute an bin ich ein bekehrter Sünder. Nicht mehr daran zu denken, gelobe ich dir nicht, und weiter fühlen muß ich, ob ich will oder nicht. Aber ich will schweigen – meine Hand darauf.«

      Damit reichte er ihr die Hand und Käte faßte sie. Dann gingen sie eine Weile schweigend nebeneinander her, bis Tarvin in trübseligem Ton fragte: »Heckler hast du wohl unmittelbar vor der Abreise nicht mehr gesehen, oder?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Dachte mir’s. Du und er, ihr wart ja nie dicke Freunde.«

      »Soviel ich weiß, nahm man an, du seiest nach San Francisco gefahren, um persönlich mit einigen Direktoren der Central-Colorado-California-Linie zu verhandeln. Man nahm das an, weil der Schaffner deines Zugs die Nachricht verbreitete, du seiest nach Alaska gereist, und daran wollte niemand glauben; was die Wahrheitsliebe betrifft, scheinst du keinen guten Leumund in Topaz zu haben, Nick, das thut mir sehr leid!«

      »Mir auch, mir auch, Käte!« rief Tarvin mit Ueberzeugung. »Aber wenn man mir alles glaubte, wie sollte ich’s dann fertig bringen, den Leuten etwas weis zu machen? Ich wollte, daß sie mich in San Francisco vermuten sollten, für ihre Interessen thätig. Wenn ich aber das durch den Schaffner hätte ausstreuen lassen, so würde man vor Abend behauptet haben, ich kaufe in Chile Land auf! Dabei fällt mir ein – wenn du nach Hause schreibst, so erwähne, bitte, nicht, daß ich hier bin. Vielleicht bringen sie’s auch heraus – nach den Gesetzen des Widerspruchs, aber ich will ihnen keinen Anhaltspunkt geben.«

      »Du kannst ruhig sein, ich erwähne es gewiß nicht,« versicherte Käte, die dabei sehr rot wurde.

      Gleich nachher kam sie wieder auf ihre Mutter zu sprechen. In der heißen Sehnsucht nach der Heimat, die inmitten der fremdartigen Welt, die Tarvin ihr zeigte, aufs neue in ihr aufstieg, schnitt ihr der Gedanke an die Mutter, die einsam und sehnsüchtig, geduldig auf ein Wort von ihr wartete, durchs Herz wie in der Stunde der Trennung. Die Erinnerung war ihr in diesem Augenblick so schmerzlich, daß sie nicht schweigend damit fertig wurde, aber als Tarvin dann fragte, warum sie denn fortgegangen sei, wenn sie so empfinde, versetzte sie mit dem Mut

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