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»Das sind weder Hamburger noch Berliner,« – sagte ich zornig – »das sind deutsche Philosophen, welche die Grundgesetze der Psychologie für alle Zeiten festgestellt haben, außerhalb welcher Empfindungen beim Menschen unmöglich sind!« – »Sie stellen sich das Menschenmachen doch zu schwer vor, Verehrtester!« – erwiderte etwas verlegen der Alte. – »Zu schwer?« – rief ich, durch diese triviale Wendung halb außer Fassung gebracht, und blieb mitten im Gang stehen, dadurch meinen Begleiter zwingend, mir gegenüber Front zu machen – »freilich, wenn Sie dem Menschen seinen köstlichsten Besitz, das Denken und die Empfindungen, nehmen!« – »Haben die Kinder, die Sie gesehen, etwa Gips-Köpfe aufgehabt?« – frug jetzt der Alte auch in gereiztem Ton. – »Nein, ich muß gestehen, sie haben mich frappiert durch ihre Lebenswahrscheinlichkeit, durch ihre Frische, aber…« – »Was aber? Sie dürfen nicht vergessen, daß für eine veränderte Produktion auch veränderte Produktions-Bedingungen maßgebend sind! Was Ihre Herren Lebert und Kotze oder wie sie heißen, die ich ursprünglich für eine Konkurrenz-Firma hielt, in ihren Büchern geschrieben haben, mag für das alte Menschengeschlecht gültig sein, aber nicht für meine Fabrik-Rasse!« – Dieser Einwand war, bis auf die Verschimpfierung meiner Lieblingsphilosophen, richtig. Ich begann zu überlegen. Wir setzten beide unsern Weg langsam und nachdenklich weiter. Zu unserer Rechten brausten und schnurrten allerlei Maschinen und Gebläse. – »Aber,« begann ich nach einiger Zeit wieder, »ohne in Ihr Fabrik-Geheimnis eindringen zu wollen, Sie müssen doch eine bestimmte Methode haben, seelische Vorgänge bei Ihren Menschen zum Ausdruck zu bringen?« – »Wir machen sie fix!« – »Fix?« – »Ja, fix!« – »Was heißt das, fix?« – »Wir waren bestrebt, daß eine bestimmte Empfindungs-Gattung, die einen Menschen beherrscht, immer in derselben Richtung, in der gleichen Färbung, in der nämlichen Abtönung auftritt, damit das lästige Schwanken, das Hin und Her der Wünsche und Bestrebungen, die Unentschlossenheit vermieden wird…« – »Aber, Sie merkwürdiger Fabrikant, darin liegt ja der Reiz im menschlichen Leben, daß unser Willens-Impuls das Resultat der gegensätzlichsten Motive und Neigungen ist, heute so, morgen so, und das Zusehen des ›Ichs‹ bei diesem Kampfe ist ja eben das, was wir Leben nennen…« – »Hat aber eine Menge von Unannehmlichkeiten zur Folge! Dem Minderwerden des Enthusiasmus folgt der Ekel, dem Aufhören des Gefallens die Gleichgültigkeit, dann Haß…« – »Gut, aber gerade dieser Wechsel…« – »Dieser Wechsel ist der Grund unserer heutigen Haltlosigkeit; wir müssen Stabilität gewinnen!« – »Aber so erzeugen Sie ein sklavisches, des Namen Menschen unwürdiges Geschlecht!« – »Ist aber sehr beliebt!« sagte der Alte sehr kurz und nahm eine Prise. – »Beliebt? Bei wem denn?« – »Bei unseren Kunden!« – »Ja, haben Sie förmliche Abnehmer für Ihr Gezücht?« – »Gezücht? Mein Herr, ich muß bitten!« – »Nun ja, also, für Ihre Spezies?« – »Gewiß! Wer trüge denn die Kosten der Fabrikation?! Erst jüngst schickten wir der Gräfin Tschitschikoff eine Kiste mit…« – »Kiste? Ja, verpacken Sie Ihre Menschen wie Stück-Gut?« – »Oh, unsere Rasse ist harmlos und gefügig: nur einen bestimmten Raum verlangen sie; der muß immer gleich groß sein zum Ausführen ihrer bestimmten, ihnen zuerteilten Geste; alles übrige ist ihnen gleich; – freilich, ›Vorsicht‹ miß auf der Eisenbahn angewandt werden; auch versenden wir nur auf ›werte Rechnung und Gefahr‹ unserer Kunden.« – »Oh«, – entgegnete ich mit Entrüstung – »warum lassen Sie freie Gottesgeschöpfe nicht…« – »Bitte, mein Herr,« unterbrach mich mein Begleiter etwas schnippisch, »es sind meine Geschöpfe!« – Ich begann zu schwindeln; dieser Kontrast zweier Menschen-Rassen, dieses rücksichtslos diabolische Verfahren eines abgefeimten Spekulanten; der Kampf, der zu erwarten, wenn er seine Maschinen-Menschen wie Hunde gegen das alte, vornehme, aber vielleicht nicht so gewandte, gottähnliche Geschlecht losließe; und dieser Mensch, der dabeisteht und schnupft; diese Konstellation, die ich mir im Innern ausmalte, nahm mir meine Gedanken; ich preßte die Hände vor die Stirn und begann zu taumeln. »Wo bin ich hingeraten?« rief ich fast in einem Anfall von Verzweiflung, »fort aus diesem schrecklichen Haus, dieser Mördergrube, diesem Tod alles Schönen und Edlen!« – und lief wie blind voraus, unwissend, wohin. – »Halt, mein Lieber,« rief der kleine Direktor, hinter mir dreinkeuchend, »nehmen Sie sich in acht, hier steht mein Chinese!…« – Ich wandte mich um. An der Wand stand ein zitterndes, glänziges Geschöpf in überladen-reicher Kleidung, mit zwinkernden, geschlitzten Äuglein und streckte die rote spitzige Zunge in einem fort heraus und hinein. »Wie kommt der daher?« frug ich etwas ernüchtert. – »Er kommt gerade heraus.« – »Aus China?« – »Aus dem Ofen!« – »Ja, ist der nicht echt?« – »Doch, freilich, das heißt, mein Fabrikat; er ist wunderschön ausgefallen!« – Ich war etwas ruhiger geworden; der Anfall war vorübergegangen; aber ich beschloß, mich in keine Diskussion mehr einzulassen. – »Hier sind wir am Eingang zu der Ausstellung unserer fertigen Menschen!« sagte das alte Männchen und öffnete die Flügeltür zu einem großen Saal. Wir traten ein. – Eine glänzende Gesellschaft war hier versammelt: Herren und Damen aus allen Ständen; teils sitzend, stehend oder auf bequemen Polstern ausruhend; die Gesichter etwas lackiert; einige hoben müde die Augen; alle waren in riesige Glaskästen eingeschlossen; viele saßen in Gruppen zusammen und schienen sich zu unterhalten; andere lachten; manche scherzten und sprangen; aber die Geste schien wie in einem bestimmten Moment erstarrt und die Bewegung gefroren; Trauer, unsägliche Trauer lag trotz aller lebhaften Mimik auf aller Antlitz, ein lebensmüdes Geschlecht, welches sich nicht rühren durfte, wie es wollte, sondern auf den Schraubenschlüssel wartete, der es aufzog; alle menschlichen Bewegungen, Komplimente, Affekte, unwillkürlichen Konstellationen in Begegnungen, Stellungen usw. waren aufs sauberste nachgeäfft. Alle Trachten, alle Moden, aller Putz, alle Symbole waren vertreten. »Die meisten befinden sich hier in einem schlafähnlichen Zustand«, bemerkte mein Führer, »wenn etwas bestellt wird, wird es zuvor noch aufgefrischt und nachgesehen!« – Ich gab keine Antwort, entschlossen, mich auf nichts mehr einzulassen. – Schweigend ging ich durch diese kalt erstarrten Reihen; selbst fast traurig geworden über das freudlose Dasein, welches ein zu einem Scheinleben gezwungenes Menschen-Geschlecht hier führte, – bis ich plötzlich am Ende des Saals vor einem jungen hübschen Mädchen stehenblieb. Ich hatte sie erst für eine Aufwärterin gehalten, die in diesem glänzenden Saal abzustauben habe; sie hatte ein Körbchen in der Hand mit einem blauen Tuch darin, einem Schlüsselbund, und unten blinkte eine zierliche Häkelarbeit heraus; ihr Benehmen, ihr Anzug zeigte Anstand und graziösen Sinn; ein geblümtes kurzes Kleid. von dem eine Falte wie zufällig leicht abstand und den weißen Saum des Unterrocks sehen ließ; blendend weiße Strümpfe, die in leichten, schwarzen Schnallenschuhen staken; ein durchbrochenes Spitzenschürzchen; ein Häubchen mit Rosaschleifen; zwei prachtvoll blaue Augen, die bisher ins Weite geschaut hatten, richteten sich plötzlich auf mich, als ich vor ihr stehenblieb: »Du wunderschönes Kind«, lispelte ich leise vor mich hin, »dich könnte ich lieben, dir könnte ich alles opfern, bei dir könnte ich das Treiben des echten und des nachgemachten Menschengeschlechtes, die mir beide gleich verhaßt sind, vergessen. – Und du,« fuhr ich fort, »wärst du der Gegenliebe fähig…?« In diesem Moment schlug sie die reichbewimperten Augendeckel nieder, und auf beide Wangen trat eine deutliche, fast heftige Röte. Ich erschrak und trat zurück; hinter mir stand der Direktor, der sich leise herzugeschlichen hatte, mit einem meckernden Gesicht. – »Sie gräßlicher Fabrikant,« schrie ich, »sogar die Schamröte haben Sie gestohlen, die duftigste und reinste aller menschlichen Empfindungen. um dem lieben Gott seine Menschen-Rasse nachzuäffen!« und stürzte, von Ekel erfaßt, davon. Ich fühlte, mein Anfall von vorhin werde sich wiederholen. »Es ist ja nur Cochenille!« rief das kleine, trockene Männchen, hinter mir dreinkeuchend, »es ist ja nur Cochenille!« Am Ausgang rannte ich beinahe einen zweiten Chinesen um, einen ähnlichen wie der, der am Eingang stand. Unaufhaltsam durcheilte ich alle die Korridore, an den brausenden, dampfenden Sälen vorbei; der Direktor nur mühsam mir nachkommend; alles war noch erleuchtet, doch sah man, der heranbrechende Morgen machte sich schon geltend. Bald war ich gezwungen, langsamer zu gehen. »Wollen Sie denn nichts kaufen?« hörte ich von ferne schon die Stimme des Alten. »Wollen Sie sich nicht einige von meinen Menschen mitnehmen?« – »Nein,« entgegnete ich zornig, »ich will fort aus diesem Haus, ich will nicht mit Ihrem verbrecherischen Fabrikat zu tun haben!« Am Eingang des Hauses, im großen Torbogen trafen wir zusammen. – »Eine Mark,« plapperte das kleine Direktorchen, »eine Mark – eine Mark,« – wie ein aufgezogener Automat fortwährend vor sich hin – »eine Mark

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