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da könnte ich Nine gleich mitnehmen.“

      „Wohin? Nach Montmirail?“ sagte Luis betont beiläufig.

      „Ein kleines Dorf im Schweizer Kanton Jura“, sagte Iris. „Ich wohne noch nicht lange dort, doch so viel weiß ich: Montmirail ist ein zauberhaftes Dorf mit ausgesprochen liebenswürdigen und freundlichen Bewohnern.“ Ganz entgegen ihrer nüchternen und sachlichen Art kam Iris richtig ins Schwärmen. „Ich habe in kurzer Zeit viele gute Freunde und hilfsbereite Nachbarn gefunden, und es gibt dort eine Menge Pferdefreunde.“

      „Ach wirklich?“, sagte Luis ein bisschen gelangweilt. „Montmirail, sagten Sie?“

      „Würde mich sehr wundern, wenn Sie es kennen würden.“

      „So? Ja, es klingt wie nach einem Kaff am Ende der Welt!“

      „Genau“, sagte Iris, „und das gefällt mir so gut. In dieser abgelegenen Gegend haben sich früher die wilden Gesellen gesammelt – Anarchisten, Schmuggler und Wiedertäufer.“ Iris war dabei, sich festzuquatschen. Luis warf mir einen Blick aus seinen schwarzbraunen Augen zu, bei dem mein Herz wie wild zu klopfen anfing.

      „Iris, ich glaube, wir müssen los.“ Ich stand auf und stellte mein Glas und meine Kaffeetasse in den Spülstein. Mein Herz hatte sich beruhigt und ich wollte lieber kein Risiko eingehen. „Es ist schon spät, zehn nach sechs.“ In einer Stunde würde Gerson nach Hause kommen.

      Iris nickte. „Ja, wir haben noch etwas vor.“ Sie gab Luis die Hand. „Ich wünsche Ihnen viel Glück, ich hoffe, Vera kann mir bald berichten, dass Sie mit Ihrem Pferd auf dem Leierhof eingezogen sind.“

      „Ich komme ab sofort zwei-oder dreimal pro Woche mit Fango zum Reiten“, sagte er zu mir. Es klang, als ob er mir etwas anvertrauen wollte, das nur uns beide anginge und zwischen uns bleiben sollte. Dann gab er mir die Hand und suchte meinen Blick. „Bis bald also.“

      Draußen hatte es aufgehört zu regnen. Schweigend ging ich mit Iris zum Parkplatz. Eine merkwürdige innere Unruhe hatte mich gepackt; ich hätte gerne mit ihr über Luis Maertens gesprochen, sie nach ihrem Eindruck gefragt, doch ich wusste nicht, wie ich es anfangen sollte. Iris öffnete die Tür ihres Range-Rovers und setzte sich auf den Fahrersitz. „Kannst du um 20 Uhr bei uns sein? Damit wir mit Gerson sprechen“, sagte ich.

      Iris nickte und blieb sitzen, ohne den Zündschlüssel ins Schloss zu stecken.

      „Was ist los, warum sagst du nichts?“

      „Ich warte, weil – wolltest du mir nicht noch etwas sagen?“

      Mit ihrer Feinfühligkeit und ihrem Gespür für Zwischentöne hatte Iris meine Gedanken erraten, und ich bekam einen roten Kopf, das war mir peinlich. Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar, es fiel mir schwer, die richtigen Worte zu finden.

      „Iris“, sagte ich, „kein Wort über Luis zu Gerson, bitte.“

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      Er kam schon am nächsten Nachmittag. Als ob wir uns verabredet hätten, saß er auf seinem Pferd, als ich mit Nine die Halle betrat. Luis ließ die Zügel lang, wir ritten ein paar Runden Schritt nebeneinander und plauderten. Dann saß er ab und verließ die Halle. Nach dem Absatteln schaute er uns von der Tribüne beim Reiten zu.

      „Ihr versteht euch“, sagte Luis anerkennend. Er war ohne Umstände zum „Du“ übergegangen, kam unaufgefordert in die Bahn und sammelte Nines Pferdeäpfel mit dem Appel-Boy auf. Diese praktischen Geräte hatten uns die Peynibels hinterlassen. Seit ihrem Weggang standen sie auf allen unseren Reitplätzen herum und mit der Zeit hatten wir uns an ihren Gebrauch gewöhnt. Luis blieb noch eine Weile in der Mitte stehen und betrachtete Nine. „Nine Days Wonder, was für origineller Name für eine prachtvolle Stute!“ Nine hörte, dass er von ihr sprach, sie spitzte die Ohren und zeigte ihren schönsten Trab.

      „Wenn ich sie so sehe, dann tut es mir richtig leid, dass Fango ein Wallach ist.“

      Solche Bemerkungen überging ich einfach und konzentrierte mich aufs Reiten. Obwohl sich Nine immer noch so lebhaft und eigensinnig benahm wie am Anfang, hatte mir Iris beigebracht, mich nicht mehr durch ihre Eskapaden verwirren zu lassen. Ich hatte durch ihren Unterricht eine große Portion Sicherheit gewonnen und Nine dankte es mir; sie war viel ruhiger und durchlässiger geworden.

      Luis beobachtete uns aufmerksam. „Es liegt an deinem Sitz“, sagte er. „Und an deiner ruhigen Hand.“

      Hast du das gehört, Nine? Wie lange war es her, dass uns jemand mit so viel positivem Feed-Back beim Reiten zugesehen hatte? Wenn mir Iris Unterricht gab, dann achtete sie penibel auf meine Fehler, die sich immer wieder von neuem einschlichen und sie entdeckte jedes Mal etwas anderes. Iris war unbestechlich in ihren Kommentaren, es würde mich nicht weiterbringen, wenn sie nur meine Stärken lobte, sagte sie. Eine ruhige Hand! Und ein unabhängiger Sitz! Ich musste zugeben, es tat gut, was ich da gerade zu hören bekam. An diesen beiden Klippen hatte ich lange gearbeitet, jetzt schien sich endlich ein Erfolg zu zeigen.

      „Vera!“ Ich schreckte auf; ich war in meine Gedanken versunken und hatte nicht bemerkt, dass Luis die Halle verlassen hatte. Ich hob den Kopf und da war er. Auf der Tribüne, nur durch eine Holzbalustrade von mir getrennt. Er hatte seine Reithandschuhe ausgezogen und sein Hände auf das Geländer gelegt. Was für lange, schmale Finger er hatte – Klavierspielerhände – wie viel Gefühl musste in diesen Fingern stecken! Unsere Augen trafen sich, sein Blick durchzuckte mich wie eine jähe Berührung mit einem elektrisch geladenen Weidezaun, den ich bis hinunter in die Zehenspitzen spürte.

      „Willst du Fango reiten, ein-bis zweimal die Woche, wenn Nine weg ist?“

      Ich musste erst einmal Luft holen, um mich von seinen schwarzbraunen Augen zu lösen, in denen so viel Wärme lag.

      „Aber – du hast doch Mascha?“ Ich ließ die Zügel lang und klopfte Nine den Hals, ich brauchte Zeit, um meine Überraschung zu überspielen.

      „Mascha? Sie kommt nur aushilfsweise“, sagte er schnell, als wolle er sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten. „Ich kann Nines Box übernehmen, wenn sie weg ist.“

      „Ach, das weißt du schon?“

      „Tom hat es mir gerade gesagt. Du willst doch bestimmt reiten, wenn Nine auf Mutterurlaub geht?“

      Natürlich wollte ich das! Nine würde gut ein Jahr oder noch länger wegbleiben, ein Leben ohne Pferd und ohne Reiten, selbst wenn es nur für ein Jahr wäre, konnte ich mir schlecht vorstellen.

      „Brauchst du eine Reitbeteiligung?“

      „Nicht irgendeine, jemand Zuverlässiges wie dich; jemand mit viel Reiterfahrung und Zeit, keine Schülerin oder Studentin.“

      Nine zog mir den Zügel durch die Hand und kratzte sich mit der Nase am Griffelbein, eine Unsitte, die ich ihr schon längst hatte abgewöhnen wollen.

      „Meinst du nicht, dass Fango zu stark für mich ist?“

      „Ach was, so wie du reitest! Das schaffst du, glaub mir. Ich gebe dir Unterricht, zeige dir seine Stärken und seine schwachen Punkte – du wirst sehen, es dauert nicht lange, bis du raus hast, wie du ihn anschieben musst.“

      „Zeit genug hätte ich ...“, sagte ich und fühlte schon wieder mein Herz klopfen. Fango war mein Traumpferd! Warum eigentlich nicht? Ich konnte meine Arbeitszeiten im Reisebüro selbst einteilen und alle meine Schreibarbeiten von zu Hause aus erledigen.

      „Das klingt verlockend!“, sagte ich, doch irgendetwas hielt mich davon ab, fest zuzusagen. Nine, die meine Unsicherheit spürte, machte zwei Schritte rückwärts. Ich klopfte mit meinen Absätzen sanft an ihren Bauch. Fango, dachte ich, während ich Nine den Hals tätschelte. Warum nicht? Doch was würde Gerson dazu sagen? In meine Freude über das verlockende Angebot mischte

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