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hatte mit Immobilien und Finanzgeschäften und sich auf seine alten Tage seinem Hobby widmete und nebenbei mit Pferden handelte. Und damit natürlich auch wieder viel Geld verdiente. Solche Leute gab es in anderen Reitställen eine Menge, auf dem Leierhof war mir zum Glück noch keiner begegnet.

      In diesem Augenblick kam Iris zu uns. „Was ist los mit dir? Ich dachte, wir wollten einen Kaffee trinken! Ich warte und warte und du stehst hier und hältst einen Schwatz mit Tom.“

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      Die Schiebetür zur Reithalle stand offen. Der Typ auf dem Schwarzbraunen erinnerte mich an unseren ehemaligen Reitlehrer Roberto. Doch dieser Mann sah noch viel besser aus. Groß und schlank, lange Beine, sportlich, so um die 40 vielleicht, auf keinen Fall älter. Er strahlte eine umwerfende Souveränität aus, die mich faszinierte.

      „Kennst du ihn?“, fragte Iris.

      „Das ist Fango!“ Den Wallach hatte ich schon ein paar Mal bei uns in der Halle gesehen. Da hatte ihn Mascha geritten. Der Reiter sah dem Springreiter Rodrigo Pessoa ähnlich, dachte ich und spürte eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen; wenn dieser Pessoa einen Tick älter wäre, würde er so aussehen wie er, verbesserte ich mich. Gerade da hatte er einen fliegenden Galoppwechsel vom Feinsten hingelegt. Was für ein Glück Mascha mit ihren Pflegepferden hatte, der Wallach ging mindestens M-Dressur, so wie er jetzt durch die ganze Bahn traversierte.

      Und sein Besitzer? Mascha hatte schon oft von ihm geschwärmt, kein Wunder, bei dieser Ähnlichkeit mit einem Reiterstar, dessen Konterfei in allen Reitjournalen abgebildet war! Sie war bestimmt in ihn verknallt.

      „Nicht dein Typ, oder?“ Iris riss mich aus meinen Gedanken.

      „Fango? Ich finde ihn umwerfend!“

      Iris lachte. „Ich habe den Reiter gemeint.“

      Ich schwieg verlegen. Nicht mein Typ? Wie kam sie darauf? Weil er das genaue Gegenteil von Gerson war? Warum fragte mich Iris so penetrant nach meiner Meinung zu diesem Kavalier aus? Kavalier? – Ein Blick überzeugte mich, dass ich recht hatte. Ja, auf dem Pferd saß ein Kavalier! Ob sich Iris vielleicht insgeheim für mich einen Reiter als Partner wünschte? Warum? Reiten war schließlich nicht alles im Leben und Gerson und ich hatten vieles gemeinsam. Es stimmte, Gerson war ein bisschen schräg mit seiner Vorliebe für Jazz aus dem vorigen Jahrhundert, Bachs Cellosuiten, für den Oldie-Sender im Bermudafunk und für ultramoderne Literatur, die niemand außer ihm richtig verstand, mit seinem Frotzeln und seiner Freude, mich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit aus dem Gleichgewicht zu bringen. Aber in den meisten Fällen hatte er mit seinen Sticheleien irgendwie recht und tief in seinem Innern stand er fest auf meiner Seite. Wir waren schon drei Jahre zusammen und mir war es keine Minute langweilig mit ihm gewesen. Zwischen Gerson und dem Unbekannten lagen Welten; schon allein die Körpergröße – da gab es eine Differenz von mindestens 20 cm.

      Der Typ konnte reiten, meine Güte! Die Parade zum Halten aus dem Galopp hatte er vollkommen aus dem Sitz geritten, er hatte eine weiche Hand und eine vorbildliche Haltung, er schien eins mit seinem Pferd zu sein, war ganz bei ihm, vollkommen konzentriert. Jetzt hatte er uns bemerkt; er schaute zu uns herüber und nickte. Hatte Iris nicht gerade etwas zu mir gesagt?

      „Der Besitzer von Fango?“, sagte ich stockend. „Oder so“, fügte ich hinzu, einfach nur, um etwas zu sagen, ich war mir bewusst, wie dumm ich auf Iris wirken musste.

      „Mir ist kalt“, sagte sie. „Lass uns endlich unseren Kaffee trinken gehen.“

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      Im Reiterstübchen bullerte der eiserne Holzofen, die Flammen züngelten rot hinter der Glastür und verbreiteten eine wohltuende Wärme. Zu seinem Einstand hatte Tom einen Kaffeeautomaten mitgebracht, der keine Wünsche offen ließ. Mit den Espressobohnen aus Steiners Kaffeerösterei stand unser Reiterstübchen dem kleinen Café in Neuenheim in nichts nach. Iris füllte zischend-heiße Milch in ein Latte Macciato-Glas, ich nahm einen doppelten Espresso mit zwei Stückchen Zucker. Wir setzten uns an den Ofen, versonnen rührte ich in meinem großen Schwarzen herum, als die Tür aufging. Ein kalter Luftzug drang herein, ich schluckte – da stand er! Mindestens ein Meter 90 groß, genau wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Jetzt erschien er mir doch ein bisschen älter, ich schätzte ihn auf Ende vierzig, vielleicht Anfang 50, doch er sah drahtig und durchtrainiert aus. Im Erraten des Lebensalters meiner Bekannten war ich noch nie gut gewesen.

      „Hallo“, sagte er mit einem breiten Lächeln. „Da sitzt ja mein Publikum! Darf ich Sie zu einem Gläschen Prosecco einladen?“ Die Frage war an Iris gerichtet, doch ich antwortete schnell, bevor Iris den Mund aufmachen konnte. „Gerne, ein Gläschen Prosecco wäre jetzt genau das richtige.“ Keine Ahnung, was in mich gefahren war, ich trank um diese Tageszeit nie Alkohol und außerdem hatte ich meinen doppelten Schwarzen noch nicht einmal zu Hälfte ausgetrunken. Ich sah Iris an, die Mühe hatte, ihr Grinsen zu verbergen. Er ging zur Bar, öffnete den Kühlschrank und kam mit drei Gläsern und einer Flasche Sekt zurück.

      „Ich bin Luis Maertens“, sagte er, als er die Gläser füllte. Wir prosteten uns zu.

      „Der Leierhof gefällt mir; ich suche ein ruhiges Plätzchen, um zu trainieren. Auf meinem Hof geht es zu wie in einem Bienenhaus. Das ist gut fürs Geschäft, sehr gut sogar“, fügte er mit einem schelmischen Grinsen hinzu, „doch meinem Fango bekommt es gar nicht. Ich gäbe viel darum, wenn ich Fango hier unterstellen könnte.“

      „Ihren Fango? Und ich dachte, Sie wären unser neuer Stallnachbar?“ Meine Enttäuschung musste mir an der Nasenspitze abzulesen sein. Es war mir peinlich und ich wartete nur auf eine Gelegenheit, diesen Eindruck zu verwischen.

      „Im Augenblick ist keine Box frei, hat Tom gesagt“, sagte Luis. „Ich habe mich auf die Warteliste setzen lassen.“

      „Die Situation kann sich schnell ändern, stimmt`s, Vera?“

      Iris hatte recht. Ich musste daran denken, wie ich vor drei Jahren verzweifelt nach einer Box für Nine gesucht hatte. Auf dem Leierhof hatten sie uns auf die Warteliste gesetzt. Und schon am nächsten Tag hatte ich ein Angebot bekommen. Und dann hatte die ganze Geschichte ihren Anfang genommen, das Gute und das Unheimliche, die ganze Reihe der Ereignisse, die bis zu Margas Tod geführt hatte.

      „Ach Vera, häng nicht so an den alten Sachen“, sagte Iris. „Es muss doch nicht gleich wieder ein Pferd an einer Kolik eingehen!“

      „Iris, bitte!“ Kolik war für mich ein Reizthema und Nines einziger Schwachpunkt. Bei diesem Wort reagierte ich allergisch. Doch Iris plapperte sorglos weiter. „Es gibt viele Möglichkeiten, warum eine Box plötzlich frei werden kann.“ Worauf wollte sie hinaus? Auf einen Reitunfall, der die Besitzerin zur Aufgabe des Reitsportes zwingt? Oder auf einen schweren Sehnenschaden oder einen Beinbruch, Verletzungen, bei denen nur noch der Gnadenschuss in Frage käme? Vielleicht hatte sie auch die plötzliche Verarmung einer Pferdebesitzerin im Sinn, Arbeitslosigkeit oder Insolvenz, auch das war auf dem Leierhof schon vorgekommen.

      „Eine Stute könnte gedeckt werden und für ein paar Monate in einen Zuchtstall wechseln“, sagte Iris. Luis, der unsere Unterhaltung amüsiert mitverfolgt hatte, wurde auf einmal ernst: „Ach wirklich? So eine Möglichkeit besteht? Davon hat mir dieser Bud Spencer gar nichts verraten.“

      Luis hatte Toms Ähnlichkeit mit dem Sheriff also auch wahrgenommen!

      „Tom weiß von nichts“, sagte ich. Iris schaute mich verdutzt an.

      „Ich habe ihm noch nichts gesagt. Aber es stimmt! Gerson und ich haben beschlossen, dass Nine ein Fohlen bekommen soll.“

      Ich hatte ein bisschen übertrieben, von einem Beschluss konnte keine Rede sein, doch ganz falsch war meine Bemerkung auch wieder

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