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dann brach meist der Humor durch, und das war es wohl, was sie an Onkel Fritz erinnerte, und weshalb er ihr so vertraut schien. Beglückt stellte sie fest, daß sie sich auf den nächsten Tag freute.

      Dr. Heykens hatte sich am Spätnachmittag in einer ruhigen Minute wieder an die braunhaarige Sekretärin erinnert. In der Hoffnung, sie noch anzutreffen, war er sofort zu ihr gegangen und war dann bitter enttäuscht, als er das Zimmer leer fand.

      Ärgerlich verließ er das Sekretariat wieder. Wie öde und leer ihm das Zimmer auf einmal vorkam, da das zarte Mädchen mit dem flimmernden Haar nicht am Schreibtisch saß!

      Er verstand sich selbst nicht. Sonst fand er stets viel Freude an der ruhigen Arbeit im Sekretariat. Heute war er froh, die Tür hinter sich schließen zu können.

      Nachdenklich ging er durch den Park. Wenn er sein bisheriges Leben überdachte, dann hatte es immer nur aus ernster Arbeit bestanden, die er willig und freudig auf sich genommen.

      Sie waren alle zäh, die Heykens, von der schmalen, zarten Mutter bis zu Jürgen, dem Jüngsten, der heute ein umsichtiger Fabrikherr und glücklicher Vater dreier gesunder Kinder war.

      Regelmäßig verlebte Peter seinen Urlaub im Hause des Bruders, weil er dort alles fand, was er sonst entbehren mußte. Eine richtige Gemütlichkeit, fröhliches, unbeschwertes Kinderlachen; denn einen besseren Spielkameraden als Onkel Peter konnten die drei sich nicht vorstellen – und dann die kleine Mama, nach der er sich mitunter sehr sehnte.

      »Warum denkst du nicht daran, einen eigenen Hausstand zu gründen? Ist es noch nicht bald so weit?«

      Das waren die Fragen der Mutter, die sie immer wieder an ihn stellte; aber er wehrte stets entsetzt ab.

      »Was soll ich bei meiner unruhigen Tätigkeit mit einer Frau anfangen?«

      Das alles ging Dr. Peter Heykens durch den Kopf, während er dahinwanderte.

      Ausgerechnet Angela Martens, das blutjunge Geschöpf, hate die Mahnung der Mutter so lebhaft in ihm werden lassen!

      Was sollte er, der vielbeschäftigte, zielbewußte Arzt mit einem so jungen Ding?

      Er sah sie deutlich vor sich, sah das liebliche Gesichtchen mit den ernsten klaren Augen, durch die man bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken meinte. Er hörte den jungen Mund so ernste Worte sagen, die ein nachsichtiges Lächeln in ihm ausgelöst hatten, und er stellte sich vor, wie es sein müßte, wenn dieser Mund unter seinem Kuß erglühte, wie er innige Liebesworte sprach – zu ihm!

      Sehnsucht war in seinem Herzen aufgesprungen, Sehnsucht nach einem lieben Menschen, der ganz zu ihm gehörte.

      War diese Begegnung schicksalhaft? Gab es diese Angela Martens, nur damit er durch sie ein großes, berauschendes Glück finden sollte?

      *

      Am nächsten Tag hatte Angela bereits eine Stunde angestrengt gearbeitet und den Oberarzt vorübergehend vergessen, als sich die Tür öffnete und Heykens in Begleitung eines Herrn erschien, in dem sie sofort Professor Langhammer vermutete.

      Unter buschigen eisgrauen Augenbrauen lagen ein paar unwahrscheinlich blaue Augen, und über dem freundlichen Gesicht stand ein weißer Haarkranz. Das Gesicht trug eine frische Gesichtsfarbe, und die Gestalt war hoch und kraftvoll.

      Unter dem zwingenden Blick der blauen Augen stand Angela auf und sah den beiden Herren mit einigem Herzklopfen entgegen.

      Eine schmale, feste Männerhand streckte sich ihr herzlich entgegen, und eine Stimme sprach im tiefen Baß:

      »Langhammer! – Und Sie sind Angela Martens? Tut mir leid, daß ich bei Ihrem Antritt nicht da sein konnte. Ich glaube aber, Sie waren inzwischen bei Dr. Heykens gut aufgehoben. Man hat mir schon Phantastisches über Ihre schnelle Auffassungsgabe erzählt. Ich freue mich, eine tüchtige Mitarbeiterin gefunden zu haben. Gefällt es Ihnen in Ihrem neuen Wirkungskreis? Was macht der Onkel Fritz? Geht es ihm gut? Das freut mich. Dann lassen Sie sich nicht weiter stören. Sobald ich Ihrer bedarf, klingele ich zweimal. Das ist Ihr Zeichen.«

      Er tätschelte ihre Hand, und sein Blick ruhte mit Wohlgefallen auf dem zarten Mädchengesicht, das stetig die Farbe wechselte.

      Wie ein Sturzbach waren seine knappen und doch herzlichen Worte auf Angela herniedergeprasselt. Sie hatte kaum ja und nein sagen können.

      Dr. Heykens hatte das junge Mädchen nur mit einer Verbeugung begrüßt und folgte auf einen Wink hin dem Professor in das anschließende Zimmer.

      Angela nahm benommen ihren Platz wieder ein. Undeutlich hörte sie eine Bemerkung des Oberarztes, worauf der Professor mit einem dröhnenden Lachen antwortete und noch einmal zurückkam.

      »Mein Oberarzt sagte mir soeben, daß Sie so große Angst vor meinem Eintreffen gehabt haben. Stimmt das?«

      »Ein wenig schon«, gab sie freimütig zu, »zumal Dr. Heykens zuerst meinte, ich sei zu jung.«

      Ein rascher Blick streifte das lachende Gesicht seines Mitarbeiters.

      »Dann sind Sie es wohl gewesen, Heykens, der dem Mädel den Floh ins Ohr gesetzt hat?«

      Noch ehe Dr. Heykens seine Unschuld beteuern konnte, hatte Angela ihre Hemmung überwunden und antwortete tapfer:

      »Der Herr Oberarzt gewiß nicht, aber Onkel Fritz.«

      Wieder klang des Professors dröhnendes Lachen auf.

      »Sieh einer an, der Onkel Fritz!« meinte er belustigt. »Der Schalk hat mich nicht nur einmal als Kinderschreck hingestellt. Ich werde es ihm bei passender Gelegenheit heimzahlen.«

      »Er hat es gewiß nicht böse gemeint, Herr Professor«, warf Angela mutig ein.

      »So? Nicht böse gemeint? Was hat er denn so im allgemeinen über mich gesagt?

      Angela reckte die schlanken Glieder ein wenig und begegnete freimütig dem scharfen Blick der blauen Augen.

      »Er – er meinte, Sie könnten manchmal von Herzen grob, aber…«

      »Aber?« mußte der Professor nachhelfen.

      »… aber auch von Herzen gut sein«, vollendete Angela befreit.

      »O weh!« rief der Professor entsetzt aus und hob wie zur Abwehr beide Hände. »Was für schreckliche Sachen verbreitet man über mich! Na ja, grob werden kann ich, das gebe ich gern zu, aber das andere?« Er machte eine wegwerfende Bewegung. »Reden wir nicht darüber! Jeder wird so angefaßt, wie er es verdient. Ich habe auch nicht die Absicht, mich für den Rest meines Lebens zu ändern. Kommen Sie, Heykens«, forderte er den Oberarzt auf. »So viel Zeit habe ich lange nicht bei einer Unterredung vertrödelt.«

      Angela war allein. Ihr Gesicht war wie von heimlicher Freude überstrahlt. Sie war jetzt schon überzeugt, daß sie mit diesem Mann ausgezeichnet auskommen würde.

      Etwas Strahlendes, Sieghaftes ging von dem alten Herrn aus, von dem man sofort gefangengenommen wurde.

      Drinnen meinte der Professor zu seinem Oberarzt mit einem vergnügten Schmunzeln:

      »Die Sekretärin habe ich bestimmt nicht lange.«

      Der Oberarzt bekam vor Schreck einen roten Kopf.

      »Aber, Herr Professor, wo das Mädel so tüchtig ist!«

      »Glaube ich Ihnen aufs Wort, lieber Heykens, und doch werde ich recht behalten. Wir sprechen uns wieder.«

      Dr. Heykens sah den Chef verständnislos an.

      »Sie haben doch nicht etwa die Absicht, Fräulein Martens zu kündigen?«

      »Heykens, Heykens«, machte der Professor und tippte mit dem Zeigefinger gegen die Brust seines Mitarbeiters. »Sie sind harmlos wie ein Wickelkind – oder Sie haben keine Augen im Kopf.«

      »Stimmt, Herr Professor«, gab Heykens trubsinnig zu. »Seit einiger Zeit komme ich mir selbst sehr verdächtig vor.«

      Diese Bemerkung veranlaßte Langhammer, Heykens genau zu betrachten.

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