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war es, in Peter Heykens einen Freund gefunden zu haben. Ein unbeschreiblich schönes Erlebnis.

      Angela ertappte sich mehrmals dabei, wie sie das Zifferblatt der Uhr suchte.

      Ach, wie lange mitunter doch ein Arbeitstag werden kann, wenn einem so viel auf der Zunge brennt, was man gern lossein will!

      Ich bin verzaubert, sagte sie sich; und soviel sie sich auch wehrte, diese seltsame Stimmung von sich abzuschütteln, es gelang ihr nur insoweit, ein nach außen hin gleichmütiges Gesicht zur Schau zu tragen.

      Frau Bettina sah auf den ersten Blick, daß Angela etwas auf dem Herzen hatte, und sie war gar nicht überrascht, als diese sich an ihren Arm hängte und mit großen Augen zu ihr aufsah.

      »Ich – ich muß dich einmal ganz dringend sprechen.«

      »So feierlich, Angela?« scherzte Bettina.

      Arm in Arm gingen sie ins Haus. Wortlos stiegen sie in die gemütliche Mansardenwohnung hinauf. Dort legte Angela gar nicht erst ab, sondern warf sich der Mutter in die Arme und gestand ihr leise:

      »Ich bin so glücklich, Mutti!«

      Über Bettinas Körper rann ein Zittern. Jahre versanken vor ihr. Hatte sie nicht einmal in gleicher Verfassung am Herzen der Mutter gelegen und gestammelt: »Ich bin so glücklich!«

      Gewaltsam schüttelte sie die Erinnerung von sich. Das Ende dessen, was sie damals als ungeheures Glück betrachtet hatte, war zu grausam gewesen. Daran wollte sie jetzt nicht denken – nur an Angela.

      »Erzähle!« bat sie.

      »Erstens habe ich heute meinen Professor kennengelernt, und ich bin begeistert von seiner ganzen Art. Er ist kein bißchen grob, Mutti, im Gegenteil sehr lieb und väterlich. Und dann…«

      Sie brach ab. Ihre Hände suchten die der Mutter, als brauchten sie einen Halt.

      »Ich weiß nicht, Mutti, wie ich dir das erklären soll. Oberarzt Dr. Heykens und ich, wir sind gute Freunde geworden, und da er heute etwas sehr Schönes erlebt hat, bat er mich, ich möchte ihn morgen ins Theater begleiten.«

      Auf einmal ruhten die Augen in heimlicher Bangnis auf dem erwartungsvollen Gesicht der Mutter.

      »Darf ich mitgehen, Mutti?«

      Also doch! ging es Bettina durch den Kopf. Wie schnell war die Zeit vergangen, aus dem kleinen Mädel war ein junges, liebendes Weib geworden!

      Aber – wußte Angela denn überhaupt schon, was so unverhüllt aus ihren Augen strahlte? Gewiß nicht. Nun, sie würde sich hüten, mit plumper Hand in die zarten Fäden zu greifen, die sich um das Herz ihres Kindes zu weben begannen.

      »Sicher darfst du mitgehen. Onkel Fritz sprach doch neulich in so warmen Worten von diesem Dr. Heykens.«

      Jubelnd fiel Angela der Mutter um den Hals, schmiegte ihr heißes Gesicht an ihre Wange.

      »Ich danke dir, Mutti! Er hat mir versprochen, mich wohlbehalten heimzubringen.«

      »Recht so, Angela«, sagte Frau Bettina aus tiefstem Herzen. Sie zog Angela mit sich. »Und nun werden wir schnell noch einmal deinen Kleiderbestand durchsehen. Du sollst doch morgen recht nett aussehen.«

      Mit sicherer Hand wählte sie ein stahlblaues Seidenkleid und breitete es vor Angela aus.

      »Das kannst du gut tragen, Angela. Die Perlenstickerei ist sehr, sehr kostbar. Monate habe ich dazu gebraucht, um sie herzustellen.«

      *

      Nichts als Freude, große, berauschende Freude war in ihr.

      Angela wußte nicht, wie schön und lieblich sie aussah, als sie an Dr. Heykens’ Seite die Oper betrat. Ihr Herz schlug so stürmisch, daß sie meinte, ihr Begleiter müßte es hören. Alles war Erwartung in ihr. Ihre Augen spiegelten ihre Empfindungen wider.

      Die Aufführung erschütterte Angela bis in die Tiefen ihres Seins. Das große Leid der zarten Butterfly, dem ein berauschendes Liebesglück vorausgegangen war, und dann ihr tragischer Tod spielte sich vor ihren Augen ab. Alle Schmerzen, die das arme Geschöpf um den Mann, dem ihr liebevolles Herz gehörte, litt, empfand Angela als ihr eigenes Leid. Sie war glücklich mit der lieblichen Kirschblüte, die so groß war im Entsagen und so tapfer im Tod.

      Als sich der Vorhang senkte und die Lichter aufflammten, da war Angelas junges Gesicht wie in Tränen gebadet.

      Sie wußte nicht, wohin sie vor Verlegenheit blicken sollte. Verschämt fuhr sie sich mit dem Tuch über Augen und Wangen.

      Dr. Heykens zeigte sich als verständnisvoller Begleiter. Während er seinen Arm durch den ihren zog, raunte er ihr zu:

      »Die arme Kirschblüte!«

      Ein dankbarer Blick belohnte ihn für seine Worte.

      Er ging noch ein paar Minuten im Vorraum mit ihr hin und her, bis sich der Menschenstrom ein wenig verlaufen hatte.

      Wortlos, in innerer Beglückung, schritten sie nebeneinander her, und da war es Angela, als falle ein Schleier, der bisher ihre Seele eingehüllt hatte.

      So wie die kleine Butterfly – so liebte auch sie. Ja, sie liebte Dr. Peter Heykens. Nun wußte sie auch, weshalb sie die Aufführung so erschüttert hatte.

      Aus diesem neuen Gefühl heraus war es ihr möglich gewesen, Schmerz und Leid so stark mitzuerleben.

      »So nachdenklich?« riß er sie aus ihrem Sinnen.

      Wie auf Abwegen ertappt, fuhr sie zusammen.

      »Verzeihung«, murmelte sie und strich sich leicht über die Stirn. »Manchmal verliere ich mich in allerlei Gedanken. Sie müssen mich dann jedesmal anstoßen.«

      »Viel lieber möchte ich wissen, was hinter Ihrer Stirn vorgeht«, erwiderte er, ihr zartes Gesicht mit einem aufleuchtenden Blick umschließend.

      »Ach, was soll ein Mädchen wie ich schon träumen?«

      »Sicherlich den Wunschtraum aller jungen Mädchen. Mir genügt schon, wenn Sie mir sagen, daß auch ich in diese Träume eingeschlossen bin.«

      Angela wollte ihre Augen aus den seinen lösen, aber etwas Zwingendes ging von ihm aus. Langsam wich die Farbe aus ihrem Gesicht, weil das Blut ungestüm zum Herzen drängte.

      War es möglich? Liebte er sie auch? War das Zuneigung, was in diesen treuen Augen lag?

      Sie geriet in so große Verwirrung, daß sie erregt bat: »Ich – ich möchte heim.«

      »Sofort, Angela«, ging er bereitwillig auf ihren Vorschlag ein.

      Er spürte den Kampf in ihrem Innern. Nur nicht bestürmen, rief er sich zur Vernunft. In aller Ruhe sollte sie ihr Herz prüfen. Daß er ihr nicht gleichgültig war, hatte er längst bemerkt.

      Damit aber war er nicht zufrieden. Er wollte ihre Liebe. Alles – oder nichts! Und dazu gehörte Zeit. Ein solches tiefes Gefühl mußte ausreifen, das ließ sich nicht erzwingen.

      Es kostete ihn große Überwindung, gelassen neben ihr zu gehen. Dachte er aber an das Ziel, das er im Auge hatte, dann dünkte es ihn ein Kinderspiel, Beherrschung zu üben.

      Stumm, in seliger Beglückung fuhren sie Angelas Heim zu. Zarte, junge Liebe suchte sich ihren Weg von Herz zu Herz.

      Angela wehrte sich nicht mehr gegen dieses Gefühl. Ungehindert ließ sie es einströmen, weil es sie reich, unendlich reich machte.

      Vor Angelas Haus half er ihr aus dem Wagen und hielt ihre Hand fest in der seinen.

      »Vielen Dank für den schönen Abend, Angela. Wollen Sie mir nicht fest versprechen, daß er sich recht bald wiederholt, sobald ich wieder dienstfrei bin?«

      »Das verspreche ich Ihnen von Herzen gern, Herr Doktor!«

      Behutsam drückte er seine Lippen auf ihren Handrücken.

      »Wollen wir immer gute Freunde sein,

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