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Afrikanische Mythen und Magie. Leo Frobenius
Читать онлайн.Название Afrikanische Mythen und Magie
Год выпуска 0
isbn 9783849615048
Автор произведения Leo Frobenius
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die Folge dieser aufmerksamen Geste war, daß die bewirteten Bewohner Segu-korros verabredeten, am nächsten Donnerstag dem Biton ein weit größeres Geschenk zu machen, indem jeder diesmal hundert Kaurimuscheln beisteuern solle. Nun gab es bei Segu-korro ein Dorf namens Sando. Die Einwohner Sandos sagten unter sich: "Heute hundert Muscheln, das kann ja mit der Zeit eine schöne Abgabe werden. Nein, wir gehen da nicht hin. Wir bleiben diesem Gelage fern und brauchen somit auch keine Kauri zu senden. Wir glauben überhaupt, daß das mit diesem Biton eine ernste Sache werden wird."
Am kommenden (vierten) Donnerstag tötete Biton für seine Freunde in Segu-korro einen Ochsen, um sich für das letzte Kopfgeschenk von zwanzig Kauri zu revanchieren. Außerdem brachte er heute noch größere Mengen von Li-dollo mit, und da dieses sehr gut und sehr stark und die Vergnüglichkeit sehr groß war, wurden zum Schluß die Bewohner Segu-korros in arge Betrunkenheit versetzt. In diesem bezechten Zustand fiel es einigen Leuten ein zu fragen: "Wer ist heute nicht gekommen? Wer hat unserem Biton heute keine Kauri gebracht?" Andere sagten: "Hallo, die Leute von Sando haben heute Biton ja kein Dankesgeschenk gebracht." Wieder andere riefen: "Das ist zu undankbar das können wir nicht dulden – wir wollen sie mit Krieg überziehen." Andere sagten: "Ja, das tun wir."
Darauf rüsteten sich die Leute von Segu-korro und fielen über die Ortschaft Sando her. Die Bewohner des Weilers wurden von den Wütenden sehr schnell überwältigt und allesamt nach Segu-korro in Gefangenschaft geführt. Daheim wieder angekommen, sagten die Kriegerischen: "Wir wollen die Hälfte der Beute Biton abgeben, der das schöne Gelage am Donnerstag veranstaltet und dazu einen Ochsen geschlachtet hat." Somit brachten sie die Hälfte der gefangenen Weiber und die Hälfte der gefangenen Burschen dem Biton. Biton verkaufte sogleich alle Weiber und schaffte dafür Stoff an, aus dem er Überhänge und Hosen für die eben erhaltenen männlichen Sklaven machen ließ. Die machten so einen stattlichen Eindruck.
Inzwischen kamen die Bewohner des Dorfes Surroba, die bis dahin auch an dem Umtrunk, der donnerstags stattfand, teilgenommen hatten, zusammen und sagten: "Die Abgaben für Gastmahl und Gelage des Biton werden uns nachgerade zu hoch. Außerdem scheint uns diese Sache in einer anderen Weise enden zu wollen, als man bisher annehmen konnte. Es nimmt für uns Landbewohner kein gutes Ende. Wir wollen nicht mehr hingehen. Wir wollen nächsten Donnerstag fernbleiben." Und bei diesem Vorsatz blieben sie.
Dieser nächste Donnerstagabend gestaltete sich zu einem großen Fest, denn die Bewohner von Segu-korro hatten die Ortschaft Sando bewältigt und damit eine hübsche Einnahme erzielt, die man dem Umtrunk bei Biton verdankte. Also entsprach der freudigen Stimmung auch bald eine gründliche Bezechtheit. Und als die Bürger soweit waren, fragten einige: "Wer fehlt denn heute beim Umtrunk?" Andere fragten: "Hat jemand auch nur einen Bürger aus Surroba gesehen?" Und dann fragten die Bürger insgesamt Biton: "Willst du, daß wir gegen die Bürger von Surroba mit Waffen und bewaffneten Sklaven zu Felde ziehen? Sieh, sie haben dich beleidigt, indem sie alle fortgeblieben sind." Biton sagte: "Das ist nicht meine Sache, denn ich will mich nicht derart rächen, aber wenn ihr glaubt, daß die Leute euch damit gekränkt haben und daß das euer Vorteil ist, dann will ich euch mit meinen Sklaven und meinen Waffen gern begleiten."
Daraufhin eilten alle zu den Waffen und machten sich auf den Weg, die Bewohner Surrobas mit Krieg zu überziehen. Diese Unternehmung war abermals von Glück begünstigt, und alle Surrobaner kamen in Gefangenschaft. Mit reicher Beute kamen sie heim und sagten: "Wir verdanken diese Vermehrung unseres Besitzes Biton und seinen fröhlichen Gelagen. Deshalb wollen wir ihm die Hälfte abgeben." Somit brachten sie Biton wieder die Hälfte der gewonnenen Sklaven und Sklavinnen als Geschenk dar. Biton aber verkaufte wieder die Sklavinnen, handelte dafür Kleider, Bogen und Pfeile ein und stattete seine Leute herrlich aus. Viele Leute kamen nun, ihm kleine Geschenke darzubringen und Biton ihren Respekt zu erweisen. Er gab allen Kleidung und Waffen, so daß sie gute Anhänger wurden. Dann errichtete er eine hohe Kugu (Mauer).
Bitons Mutter, Sunu Sako, hatte dicht am Nigerufer ein Feld von Nkojo (Auberginen) angelegt. Jede Nacht nun kam der Faro (eine Art Wasserteufel) aus dem Flusse aufgestiegen und stahl und aß die reifen Nkojo. Sunu Sako sagte: "Manchmal trägt der Garten viele Nkojofrüchte. Manchmal verschwinden alle Nkojo. Es muß noch jemand außer uns davon essen. Ich weiß nicht, wer das ist." Biton sagte: "Laß nur, Mutter, ich werde einmal aufpassen und der Sache auf die Spur zu kommen suchen. Heute nacht werde ich nachsehen und dir morgen früh Bescheid sagen."
Biton versteckte sich am Ufer. In der Nacht stieg Faro aus dem Wasser. Er ging in den Garten Sunu Sakos und nahm eine Aubergine. Er aß sie. Er nahm eine zweite Aubergine und aß sie. Er wollte eine dritte Aubergine nehmen, um sie zu essen. Da sprang aber Biton hervor und packte den Affen und sagte: "Aha, du Faro bist es, der die Nkojo meiner Mutter ißt." Faro sagte: "Oh, töte mich nicht. Töte mich nicht. Schließe lieber mit mir Freundschaft, komm mit mir zu meiner Mutter." Biton sagte: "Gut, gehen wir also zuerst zu deiner Mutter."
Faro sagte: "Wenn meine Mutter dir ein Amulett anbietet, damit du viele Sklaven gewinnst, so nimm das nicht an. Wenn meine Mutter dir ein Medikament anbietet, damit du viele Kühe gewinnst, so nimm das nicht an. Fordere aber von meiner Mutter eine Firina (Lampe) und Fini (Kornart). Dieses beides wird dir zu großer Macht und zu großem Ansehen verhelfen." Beide machten sich dann auf und kamen zur Mutter Faros.
Die Mutter Faros sagte: "Ich will dir ein Amulett geben, damit du viel Gold gewinnst." Biton sagte: "Das habe ich nicht nötig." Die Mutter Faros sagte: "Ich will dir ein Amulett geben, damit du viele Sklaven gewinnen kannst." Biton sagte: "Das habe ich nicht nötig." Die Mutter Faros sagte: "Ich will dir ein Amulett geben, damit du viele Kühe gewinnen kannst." Biton sagte: "Das habe ich nicht nötig."
Die Mutter Faros sagte: "Ja, was willst du denn gern haben?" Biton sagte: "Gib mir eine Firina und Fini." Die Mutter Faros sagte: "Wer hat dir diesen Rat gegeben?" Biton sagte: "Diesen Wunsch habe ich aus mir selbst." Darauf gab ihm die Mutter die Lampe und den Fini und sagte: "Für den Fini bereite ein Feld am Niger. Wenn er aufgegangen ist und reif ist, iß ihn nicht, sondern überlaß ihn den Vögeln und Affen." Biton sagte: "Es ist gut." Er nahm beides und ging damit nach Hause.
Er kam heim und sagte zu seiner Mutter: "Der Dieb deines Nkojo war der kleine Faro. Ich erwischte ihn und ging mit ihm zu seiner Mutter. Faro hatte mir gesagt, ich sollte nicht die Amulette seiner Mutter zur Vermehrung des Goldes und der Sklaven und der Kühe annehmen, sondern sollte mir eine Firina und Fini ausbitten. Das tat ich. Die Mutter Faros sagte mir, ich solle für den Fini ein Feld am Ufer des Niger herrichten und sollte nachher den Fini nicht essen, sondern das Korn für Affen und Vögel stehenlassen."
Sunu Sako sagte: "Die Mutter Faros hat dir einen guten Rat gegeben. Denn der Vogel fliegt weit, und die Samenkörner, die er irgendwo aufnimmt, trägt er weit fort bis in sein Heimatland. Die Affen aber ziehen weit herum, und wo der Mist dieser Affen zu Boden fällt und wohin auch die Vögel die Samenkörner deines Ruhmes tragen, wird dein Ruhm und die Kenntnis deiner Macht getragen werden."
Biton verfuhr nach diesem Ratschlag. Seine Macht und sein Ansehen