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Mädchen bekam Wyatt im Laufe des Mittags nur zweimal zu sehen. Als es an einem Wasserlauf die Töpfe säuberte und als es dem Vater half, die Stiefel auszuziehen.

      Zwei Stunden nach Mittag machte Wyatt sich daran, aufzubrechen.

      »Das können Sie mir nicht antun, Marshal!« rief der Mann pathetisch. »Wie sagt doch der…«

      Wyatt ging zu seinem Pferd und warf ihm den Sattel auf.

      Da kreischte die Alte: »Manuela!«

      Das Mädchen erschien oben in der Planöffnung und sah mit ihren dunklen Augen zu ihrer Mutter hinüber.

      »Manuela, komm her und sing uns einen Psalm vor, den du in der Klosterschule in Bilbarosa gelernt hast. Sie war nämlich zwei Jahre auf der Klosterschule bei den frommen Patres…«

      »… als Küchengehilfin!« unterbrach sie ihr Mann ernüchternd.

      Das trug ihm einen galligen Blick seiner Frau ein.

      Langsam stieg das Mädchen vom Wagen.

      Wyatt stand unschlüssig neben seinem Pferd und blickte zu der Schönen hinüber. Sie sah wirklich aus, wie einem Märchenbuch entstiegen…

      Es war tatsächlich ein bemerkenswertes Volk, das Volk des Wanderpredigers und Hellsehers Jonathan Cadburn.

      Das mit dem Wanderprediger mochte noch stimmen, den Hellseher sägte der kleine sommersprossige Tim jedoch noch in dieser Minute ab. Er stand hinter dem Falben und tat, als wolle er Satteln helfen; da hörte Wyatt den Jungen flüstern: »Der Mann hat Vater fünf Dollar gegeben, Marshal, damit wir Sie aufhalten und in eine falsche Richtung schicken sollen. Er ist nach Nordosten geritten. Gestern abend, direkt vom Fluß weg…«

      Wyatt mußte sich auf die Zunge beißen, um nicht aufzulachen. Dieser alte Gauner da drüben hatte also seine fromme Seele für fünf Dollar verschachert.

      »Welchen Mann?« fragte er den Jungen leise.

      »Dem Sie folgen. Er hat uns Sie genau beschrieben! Und er meinte, Manuela solle Ihnen eine Menge Psalmen vorsingen. Er käme bald nach Dodge und wolle dafür sorgen, daß unser Predigt-Zelt immer voller Leute ist…«

      Wyatt nahm fünf Dollar aus seinem Geldbeutel und drückte sie dem Knirps in die Hand. »Hier – und verwahre Sie gut. Jetzt möchte ich bloß wissen, ob du es mir verraten hast, weil du ein Geschenk erwartetest?«

      Da ließ der Bengel die Geldstücke ins Gras fallen und knurrte:

      »Nein, Mister – ich weiß daß Sie Marshal sind – da muß der Mann also ein Verbrecher sein. Außerdem hat er mir eine Ohrfeige gegeben, als ich heimlich seine Satteltaschen durchsuchte…«

      Wyatt schwang sich auf den Rücken des Falben und ritt zu dem Prediger hinüber.

      »Leben Sie wohl, Jonathan Cadburn. Alles Gute für Ihren Stamm. Und wenn Ihnen wieder mal ein Bandit begegnet, so sehen Sie zu, daß er Ihnen mehr Geld gibt, um einen Marshal von seiner Fährte zu bringen. Schade, ich hätte so gern noch einen Psalm von der Klosterschule in Bilbarosa gehört. Aber leider muß ich weiter. So long!«

      Mit offenen Mäulern starrten ihm der Mann und die Frau nach.

      Als Wyatt sich nach einigen Minuten noch einmal umdrehte, sah er den Prediger immer noch in den Strümpfen dastehen, umringt von seiner barfüßigen Familie, alle starrten reglos hinter ihm her.

      Glücklicherweise war es diesem seltsamen Kauz nicht gelungen, den Marshal ernsthaft aufzuhalten. Wyatt wäre auch ohne die Warnung des stupsnäsigen Sprößlings weitergeritten.

      Allerdings vielleicht nicht so bald nach Nordosten.

      *

      In schnurgerader Richtung ritt er wieder auf den Arkansas zu. Er erreichte ihn an einem sonnigen Abend oberhalb von Ellingwood.

      Wyatt wollte die Stadt umreiten, als ihm ein leichter Highlander auf der Straße am Flußufer entgegenkam.

      Zu seiner größten Überraschung erkannte er auf dem Kutschbock Ann Flaherty, die Gehilfin von Doc Griffith, der ihm die Kugel aus dem Rücken geschnitten hatte.

      Das Gesicht der hübschen jungen Frau war flammendrot, als sie den Reiter erkannte. Dann schlug sie die Hand vor den Mund.

      »Heavens, Mister Earp! Wie sehen Sie aus?«

      Wyatt zog grinsend die Brauen zusammen.

      »Ich bin ja auch nicht auf dem Weg zum Tanzfest, Miß Flaherty.«

      »So meine ich es nicht. Aber Sie sind abgemagert… Ganz furchtbar. Lieber Gott, wird sich der Doktor freuen, Sie wiederzusehen. Wir haben viel von Ihnen gesprochen… und ja, ich glaube, das muß ich Ihnen zuerst sagen: Der Mann, den Sie suchen, ist in der Stadt!«

      Das Gesicht des Missouriers wurde sofort hart. »Jim Borett?«

      »Ja, – ich weiß allerdings nicht, ob er so heißt. Aber der Mann, den Sie uns damals beschrieben haben, der ist er gewiß. Er trägt einen alten verschlissenen Soldatenrock, einen grauen Hut und… er hat mehrere Schrammen im Gesicht.«

      Wyatt ritt vorwärts. »Vielen Dank, Miß Flaherty!«

      Er preschte in die Stadt.

      Er hatte kaum die Hälfte der Mainstreet durchquert, als er vor der Tür einer Bar einen Mann mit einem abgerissenen blauen Waffenrock stehen sah. Er trug einen grauen Hut und enge Hosen. Er kehrte der Straße den Rücken zu und sprach mit einem älteren Mann.

      Wyatt sprang vom Pferd, ging von hinten an ihn heran und tippte ihm auf die Schulter.

      Der Mann wandte sich um.

      Der Marshal blickte in ein fremdes Gesicht. Ein einäugiger Bursche mit indianischen Zügen sah ihn verärgert an. »Was gibt’s, Mister…«

      »Nichts. Eine Verwechslung.«

      Wyatt suchte das Sheriff-Office auf und auch den Arzt.

      In einer Viertelstunde wußte er, daß der Gesuchte nicht mehr in der Stadt war. Er hatte seine Kleider und den Braunen den Mestizen verkauft, sich selbst neue Sachen angeschaut und war dann weggeritten. Gestern nachmittag hatte er die Stadt verlassen.

      Und weder der Sheriff noch der Doc hatten ihn gesehen. Gesehen möglicherweise schon, aber nicht erkannt.

      Als Miß Flaherty endlich kam, stellte sich heraus, daß sie gestern vormittag schon nach Great Brend gefahren war. Sie hatte den Mann in die Stadt einreiten sehen. Aber erst unterwegs war es ihr klar geworden, daß es der Mann sein könnte, den der Marshal suchte.

      Wyatt verabschiedete sich, schlug sogar das Mahl aus, das der Arzt ihm anbot, und ritt gleich weiter.

      *

      Meile um Meile legte er in stummer Verbissenheit zurück.

      Die ganze Nacht hindurch saß er im Sattel.

      Als der neue Tag schließlich mit einem Silberstreif im Osten über die Gipfel der Sirur-Berge kroch, hielt er inne, führte den Falben an den Fluß und tränkte ihn. Er selbst gönnte sich nichts, keinen Kaffee, kein Brot.

      Er ritt gleich weiter.

      Der Himmel bewölkte sich schon in den Morgenstunden.

      Aber der Regen blieb aus, obgleich er dräuend in schwarzen niedrigen Wolken hing.

      Die beiden Ansiedlungen, die der Reiter passierte, hatte Borett umritten.

      Wyatt fand hinter den Häusern immer wieder seine Spur. Die frische Hufspur jenes Pferdes, das er selbst nie gesehen, dessen Hufformen er aber genau kannte.

      Plötzlich lenkte diese Spur in den Fluß – und war verschwunden.

      Stundenlang ritt Wyatt das jenseitige Ufer nach Nordwesten und wieder nach Südosten ab.

      Da der jenseitige Uferrand aus leichtem, ganz feuchtem Sand bestand, hätte ein Reiter wohl unbedingt eine Fährte im weichen Grund hinterlassen müssen.

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