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als großer Mu­sik­freund im­mer­zu mit ei­ge­ner Ka­pel­le reis­te und in al­len Haupt­städ­ten Eu­ro­pas Kon­zer­te für ge­la­de­ne Gäs­te gab, durch ge­ra­de­zu ori­en­ta­li­schen Auf­wand sein Rie­sen­ver­mö­gen ver­schwen­det, so­dass nicht viel auf die bei­den Schwes­tern und den in der rus­si­schen Kriegs­ma­ri­ne die­nen­den Bru­der ge­kom­men war, und Herr Po­tem­kin hat­te, wie ge­sagt, noch sei­ner­seits nach­ge­hol­fen, wes­halb der Le­bens­stil der bei­den Schwes­tern sich nicht all­zu viel von dem mei­ni­gen un­ter­schied. Durch sie kam ich in Ver­kehr mit der rus­si­schen Ko­lo­nie, die ge­wiss von al­len in Flo­renz ein­ge­nis­te­ten Frem­den­ko­lo­ni­en die an­zie­hends­te, weil weit­her­zigs­te und frei­es­te war, und die hohe Ach­tung, die in die­sen Krei­sen al­lem Geis­ti­gen ge­zollt wur­de, über­brück­te je­den Un­ter­schied, war doch das za­ris­ti­sche Russ­land das ein­zi­ge Land, wo Geist und Bil­dung ohne wei­te­res dem Adel gleich­stell­ten. Ed­gar war schon vor un­se­rer An­kunft als all­ge­schätz­ter jun­ger Arzt in die­sen Krei­sen hei­misch ge­we­sen, und auch das in kei­ne Ka­te­go­rie zu brin­gen­de We­sen mei­ner Mut­ter, für das dem kon­ven­tio­nell ge­bun­de­nen Ita­lie­ner je­des Ver­ständ­nis man­geln muss­te, fand un­ter den Rus­sen, de­nen ihr kur­län­di­sches Blut sich oh­ne­hin im­mer nahe ge­fühlt hat­te, die rich­ti­ge Ein­rei­hung. Ge­spro­chen wur­de nur Fran­zö­sisch, da die Schwes­tern kein Deutsch konn­ten; auch die schwa­chen Res­te des Rus­si­schen, die mir aus mei­nen Tü­bin­ger Stu­di­en und mei­nen Über­set­zun­gen ge­blie­ben wa­ren, muss­ten ge­le­gent­lich her­hal­ten. Nur dass man ein­mal einen Ser­ben ne­ben mich setz­te, der kei­ne als sei­ne Mut­ter­spra­che kann­te, und wir bei­de uns angst­voll ab­mü­hen muss­ten, aus den ge­mein­sa­men sla­wi­schen Ele­men­ten der bei­den Spra­chen un­ter dem La­chen der An­we­sen­den wie un­se­rem ei­ge­nen eine Un­ter­hal­tung zu­stan­de zu brin­gen, das fand ich grau­sam. Aber es wur­de mir er­klärt, dass sich schon alle an­de­ren der Rei­he nach mit dem un­ver­dau­li­chen Bis­sen ab­ge­quält hät­ten, da sei es nicht mehr als bil­lig, dass auch ich ein­mal dran kom­me.

      Von den zwei Schwes­tern war Son­ja die aus­ge­zeich­ne­te­re, hoch und schmal, mit dem sel­te­nen Ge­gen­satz der schwe­ren blauschwar­zen Flech­ten­kro­ne und den tief­blau­en, dun­kel­be­wim­per­ten Au­gen; die Ma­don­na vom Kau­ka­sus nann­te sie ein ge­mein­sa­mer ita­lie­ni­scher Freund. Aber man kam ihr nicht nahe, denn sie war sehr schüch­tern, was in ei­nem leich­ten Stot­tern sei­nen An­lass hat­te und als Käl­te er­schi­en, so­dass ihre Zu­rück­hal­tung an­de­re zu­rück­hal­tend mach­te. Da­bei hat­te sie das weichs­te, gü­tigs­te Herz; ein Zug, den sie mir ein­mal von sich als eine Schwä­che er­zähl­te, war da­für tief be­zeich­nend. An ei­nem Ge­sell­schafts- und Spie­la­bend in hocha­ri­sto­kra­ti­schem Pe­ters­bur­ger Zir­kel wur­de ein jun­ger Of­fi­zier aus dem vor­nehms­ten Re­gi­ment als Falsch­spie­ler ent­larvt und schmach­voll aus­ge­sto­ßen. Der Skan­dal war un­ge­heu­er, die Ge­sell­schaft brach so­gleich auf und ström­te die Trep­pe hin­un­ter an dem Ge­brand­mark­ten vor­bei, der sich bleich und ver­zerrt auf ei­nem Trep­pen­ab­satz an die Wand drück­te. Als die fürst­li­che Son­ja vor­über­ging und den Jam­mer­menschen sah, da er­barm­te sie die ent­wür­dig­te Mensch­heit in ei­nem, der so­eben noch ih­res­glei­chen ge­we­sen war. Per­sön­lich ging er sie nicht das ge­rings­te an, aber sie trat hin­zu und reich­te ihm vor al­ler Au­gen die Hand. Na­tür­lich fan­den es ihre Be­kann­ten lä­cher­lich, und sie lach­te sich auch sel­ber ein we­nig aus, aber ich schloss sie für die­sen Zug in mein Herz, denn ich wuss­te, was es sie bei ih­rer Schüch­tern­heit ge­kos­tet ha­ben muss­te, und dass auch hin­ter dem Mit­leid die Er­kennt­nis stand, dass im Grun­de die Rich­ter und Rä­cher eben­so­we­nig taug­ten, weil sie doch alle auf ihre Wei­se so oder so Falsch­spie­ler des Le­bens wa­ren.

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